Forscher skeptisch
Bürgerentscheide zu Flüchtlingsunterkünften lösen keine Probleme
Geflüchtete benötigen Unterkünfte. An manchen Orten finden sich schnell Initiatoren für einen Bürgerentscheid gegen die Errichtung. Die Wissenschaft sieht diese Praxis skeptisch. Damit werde ein komplexes Problem auf eine Ja-Nein-Frage reduziert und nicht gelöst.
Montag, 17.04.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 17.04.2023, 13:41 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Rostocker Politikwissenschaftler Wolfgang Muno hat skeptisch auf einen in Greifswald geplanten Bürgerentscheid über eine mögliche Unterbringung von Geflüchteten in Containern reagiert. „Kein Problem wird gelöst werden mit diesem Entscheid“, sagte der Wissenschaftler am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Unabhängig vom Ausgang kämen trotzdem Flüchtlinge, die untergebracht werden müssten.
Man habe ein komplexes Problem auf eine Ja-Nein-Frage reduziert. „Das ist höchst problematisch“, sagte Muno. „Was man machen müsste, wäre nicht zu sagen: Wollt ihr das, Ja oder Nein? Sondern man müsste die Bürgerinnen und Bürger diskutieren lassen: Was machen wir mit den ganzen Flüchtlingen, die hierher kommen?“ Das müsste etwa in vorbereiteten Bürgerforen passieren und nicht nur punktuell.
Mangelnde Repräsentanz
Zudem gehe aus der Forschung hervor, dass solche Entscheide häufig eine eher geringe Beteiligung verzeichneten. Solche direktdemokratischen Mechanismen seien „an sich eine schöne Idee“. Sie litten aber unter einer mangelnden Repräsentanz.
Vorbehaltlich eines entsprechenden Bürgerschaftsentscheids am 20. April werden Greifswalderinnen und Greifswalder über folgende Frage entscheiden können: „Sind Sie dafür, dass im Eigentum der Universitäts- und Hansestadt Greifswald stehende Grundstücke zwecks Errichtung von Containerdörfern zur Unterbringung von Geflüchteten an den Landkreis Vorpommern-Greifswald verpachtet werden?“
Was gilt?
Mit der Sammlung Tausender Unterschriften hatten die Initiatoren ein entsprechendes Bürgerbegehren auf den Weg gebracht. Sie wollen laut früherer Aussage verhindern, dass die Stadt dem Landkreis weitere Grundstücke anbietet. Der Entscheid ist laut Stadt für Juni geplant.
Es liegt nur eine verbindliche Entscheidung vor, wenn jene Antwort, die mehr Stimmen bekommt, auch mindestens von einem Viertel der Stimmberechtigten unterstützt wird, wie das Schweriner Innenministerium als Rechtsaufsichtsbehörde unter Verweis auf die Kommunalverfassung erklärte.
Proteste und Anfeindungen
Die Frage nach der Unterbringung von Geflüchteten hat die Gemüter in der Hansestadt erhitzt, vor allem nachdem Pläne für ein Containerdorf mit 500 Plätzen neben einer Schule bekannt wurden. Es gab Proteste und Anfeindungen gegen Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne). Stadt und Landkreis haben sich auf kleinere Unterkünfte verständigt.
Die Stadt hatte mehrere potenzielle Grundstücke dafür ausgewählt. Laut einem Bürgerschaftsentscheid soll aber die dezentrale Unterbringung etwa in Wohnungen Vorrang haben und der Bürgerschaftsentscheid abgewartet werden. Gleichzeitig steht Vorpommern-Greifswald wie andere Landkreise wegen der hohen Zahl zugewiesener Menschen unter Druck, Unterkünfte zu finden. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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