Klima und Drogen
Kaffeebauern in Kolumbien ringen um ihre Zukunft
Kaffee statt Koka: Im Südwesten Kolumbiens setzen Bauern auf Alternativen zum Drogenanbau. Doch der Klimawandel macht es für sie immer schwieriger, ihre Kaffee-Ernte zu planen. Und die Erträge sinken.
Von Lisa Kuner Donnerstag, 27.04.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 27.04.2023, 13:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Yohan Jary Ledezma Ausecha ist, wie er sagt, „stolzer Biolandwirt“. Der 33-Jährige pflanzt auf seiner Farm „La Colmena“ in der Region Cauca im Südwesten von Kolumbien Kaffee an. Er gehört zur Cooperativa Del Sur de Cauca, kurz Cosurca – einer Kaffeekooperative, die sich in der Region für ökologische und familiäre Landwirtschaft einsetzt. „Wir spüren den Klimawandel auf viele Arten“, sagt er.
Im Winter sei der Boden zu nass, im Sommer fehle das Wasser. Am auffälligsten sei aber, dass die gewohnten Jahreszeiten sich veränderten und verschöben – für die Landwirte sei es so viel schwieriger geworden, abzuschätzen, wann welcher Arbeitsschritt an der Reihe sei. „Die Ernte ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen“, erzählt er, bestimmt um 50 bis 60 Prozent.
Studie belegt Folgen des Klimawandels
Dass der Klimawandel dem Kaffeeanbau zu schaffen macht, ist auch wissenschaftlich belegt. Eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass die Fläche, die gut für den Anbau der beliebten Bohne geeignet sei, bis 2050 um 54 bis 60 Prozent zurückgehen werde – weil es auf den Feldern etwa zu trocken oder zu heiß werde.
Die Klimakrise ist nicht die einzige Herausforderung für die Kaffeebauern im Cauca: Die Gegend ist stark vom bewaffneten Konflikt und dem Drogenhandel betroffen. Seit 2016 gibt es in Kolumbien ein Friedensabkommen zwischen der Regierung und der damals größten Guerillagruppe Farc. Für die Bäuerinnen und Bauern ist die Region seitdem aber nicht unbedingt sicherer geworden.
Machtvakuum durch Frieden
Als die Rebellen der inzwischen aufgelösten Farc noch kämpften, waren an den meisten Stellen zumindest die Fronten geklärt: Man wusste, wer welches Gebiet kontrolliert. Durch das Friedensabkommen entstand an einigen Stellen ein Machtvakuum. Gefüllt wurde es gerade im ländlichen Raum oft von Paramilitärs, anderen Guerillagruppen oder Drogenkartellen.
Auch Koka werde in der weitverzweigten Hügelregion des Caucas illegal kultiviert, erzählt Rene Ausecha Chaux von der Kaffeekooperative Cosurca. „Einige unserer Familien haben früher auch Koka angebaut“, erzählt er. Dadurch seien die Bauern den Drogenkartellen und deren Willkür ausgeliefert gewesen. Die Kooperative arbeitet mit den Landwirten in der Region zusammen, um Alternativen aufzuzeigen.
Chemische Drogen senken Nachfrage nach Koka
„Wir konnten schon 550.000 Kokapflanzen durch Kaffee und andere Lebensmittel ersetzen“, berichtet Ausecha Chaux. Aktuell spielt ihm auch der Markt in die Hände: Die Nachfrage nach Koka ist zurzeit niedrig. Das liegt unter anderem daran, dass chemische Drogen oftmals einfacher herzustellen und zu handeln sind. Die geringe Nachfrage drückt den Preis für Koka so sehr, dass Kaffeeanbau oftmals rentabler geworden ist.
Seit vergangenem August regiert in Kolumbien erstmals ein linksgerichteter Präsident, der ehemalige Guerillero Gustavo Petro. Klimakrise und bewaffneter Konflikt – beide Themen stehen auf seiner Agenda. Um die Effekte des Klimawandels zu abzumildern, will er die Abholzung in Kolumbien reduzieren und die Energiewende vorantreiben. Den seit Jahrzehnten andauernden gewaltsamen Konflikten will er mit dem Konzept „Paz total“, also einem „totalen Frieden“, beikommen. Dafür werden zurzeit Gespräche mit verschiedenen bewaffneten Gruppen geführt.
Ziel: Abhängigkeit vom Kaffee verringern
Die Bäuerinnen und Bauern von der Kooperative Cosurca finden das nicht schlecht. Aber Rene Ausecha Chaux sagt auch, dass es noch mehr braucht: „Wir brauchen eine Politik, die uns Landwirte nicht ausschließt“, sagt er. Viel zu lange seien ihre Interessen ignoriert worden. Außerdem hat er Zweifel daran, ob man mit Drogenkartellen, die gar keine ideologischen, sondern nur finanzielle Interessen verfolgen, Frieden schließen kann.
Den Herausforderungen des Klimawandels will die Kooperative mit Gemeinschaft und Bildung begegnen: Aufklärung über Biodiversität, die Folgen von Monokulturen oder chemische Düngung. Yohan Jary Ledezma Ausecha erklärt, warum die Plantagen hier anders aussehen als an vielen anderen Orten: Zwischen den Kaffeepflanzen stehen auch Bananenstauden, Maniokpflanzen oder Kakaobäume – dieser Mix spendet Schatten und sorgt auch dafür, dass die Kaffeepflanzen nicht so anfällig für Schädlinge sind. Trotzdem will er die Abhängigkeit vom Kaffee verringern: In Zukunft möchte Ledezma Ausecha auch mit medizinischem Propolis, das seine Bienen produzieren, Geld verdienen. (epd/mig) Aktuell Ausland
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