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Kein Einzelfall

Rechtsextremismus an Schulen oft verharmlost

Ein Brandbrief von Lehrern über Rechtsextremismus an der Schule sorgt bundesweit für Aufsehen. Die Politik appelliert an die Lehrkräfte. Experten erhoffen sich, dass der Brief aufrüttelt. Rechtsextremismus an Schulen sei kein Einzelfall und werde viel zu oft verharmlost.

Montag, 01.05.2023, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 02.05.2023, 5:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach einem Brandbrief über rechtsextreme Vorfälle an einer Schule in Brandenburg hat der designierte Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) die Lehrkräfte zu Offenheit aufgerufen. „Ich ermutige alle, wenn sie Schwierigkeiten haben, sich zu melden“, sagte er der „Märkischen Oderzeitung“. „Der erste Schritt, sich daraus zu befreien, ist, darüber zu reden. Ein Brandbrief ist sicher nicht die beste Lösung.“ Er zeigte sich über die Vorfälle „nicht überrascht“. Die Forscherin Heike Radvan forderte, die Kultusministerkonferenz (KMK) solle sich stärker mit Rechtsextremismus an Schulen vor allem in Ostdeutschland befassen. Die Amadeu Antonio Stiftung hofft, dass der Brief aufrüttelt.

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In einem anonymen Brief hatten Lehrkräfte an einer Schule in Burg im Spreewald beklagt, sie seien täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert. Dabei geht es um mehr als Hakenkreuze auf Möbeln, rechtsextreme Musik im Unterricht und demokratiefeindliche Parolen in den Schulfluren. Die ausländischen Schüler an der Schule erlebten Ausgrenzung, Mobbing und Gewaltandrohungen. Es herrsche das Gefühl der Machtlosigkeit und der erzwungenen Schweigsamkeit. In dem Brief ist auch von einer „Mauer des Schweigens“ die Rede. Die Lehrkräfte beklagten fehlende Unterstützung von Schulleitungen, Schulämtern und Politik.

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Rechte Vorfälle an Schulen oft heruntergespielt

Das bestätigt die Amadeu Antonio Stiftung. Rechte Vorfälle würden an Schulen noch zu oft heruntergespielt. Schulleitungen wiegelten ab und bagatellisierten Vorkommnisse als Dumme-Junge-Streiche, sagt der Sprecher der Stiftung, Lorenz Blumenthaler, der Deutschen Presse-Agentur. Lehrkräfte, die etwa Hakenkreuz-Schmierereien und andere Fälle meldeten, fühlten sich oft alleingelassen. Schulleitungen wüssten häufig nicht, wie sie mit Rechtsextremismus im Schulalltag umgehen sollten, sagt Blumenthaler. Zudem sorgten sie sich um den Ruf der Schule. «An vielen Schulen überall in Deutschland kommt es zu rechten Vorfällen. Es dringt aber selten nach außen.» Der Brief kann aus Sicht Blumenthalers eine Chance sein, dass eine offene Debatte angestoßen wird.

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Auch die Rechtsextremismus-Forscherin Radvan hält die Vorfälle nicht für einen Einzelfall. Rechte Vorfälle seien kein neues Phänomen an Schulen, sondern seit vielen Jahren bekannt, sagte die Wissenschaftlerin an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg der Deutschen Presse-Agentur. Die Kultusministerkonferenz müsse genauer hinschauen und eine Interventionsstrategie entwickeln. „Erstmal muss man auch anerkennen, dass Rechtsextremismus ein großes Problem ist.“ Schulsozialarbeit als Antwort sei wichtig, aber allein zu kurz gedacht, zumal Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter dafür gezieltes Wissen und Kompetenzen benötigten.

Forscherin: Eltern sind NSU-Generation

Rechtsextremismus sei vor allem in Ostdeutschland auffällig, wo die demokratische Zivilgesellschaft im Vergleich zum Westen schwächer ausgeprägt sei, sagte die Forscherin. „Einzelne Stadtgesellschaften werden von rechten Gruppierungen zu dominieren versucht“, sagte Radvan auch mit Blick auf Südbrandenburg. Dort gibt es eine gewachsene rechtsextreme Szene. Die AfD hat dort ihre Hochburgen. Der Rechtsextremismus ist in Brandenburg nach Angaben des Verfassungsschutzes im vergangenen Jahr leicht gewachsen und hat bei der Zahl der Anhänger fast den bisherigen Rekordstand erreicht.

Bei der Frage nach den Ursachen verweist die Expertin auch auf die Weitergabe von Einstellungen durch Eltern an ihre Kinder. „Die Eltern dieser Jugendlichen sind die Generation der NSU-Täter:innen und die Generation, die die Baseball-Schläger-Jahre erlebt und eben auch mitzuverantworten hat.“ Gemeint sind die Nachwendejahre, in denen rechte Gewalt im Osten eskalierte.

Grüne für mehr Sozialarbeit

Brandenburgs Grünen-Landtagsfraktionschefin Petra Budke hält im Kampf gegen Rechtsextremismus mehr Sozialarbeit für notwendig. „Das ist jetzt klar, dass wir das auch weiter ausbauen und stärken müssen, natürlich auch die multiprofessionellen Teams an Schulen, die Schulsozialarbeit“, sagte Budke der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist sehr, sehr wesentlich, dass wir eben auch Lehrkräfte mit diesem Problem nicht alleine lassen.“ Die Brandenburger Grünen fordern über 185 geplante Stellen hinaus mindestens 215 weitere Schul-Assistenzen für Sozialarbeit, Psychologie, Therapie oder Verwaltung.

Auch die Studierenden der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Brandenburg halten eine Entlastung der Lehrkräfte etwa durch Sozialarbeiter für nötig. „Als GEW fordern wir seit langem eine angemessene Reaktion auf den Fachkräftemangel an den Schulen und multiprofessionelle Teams“, teilten sie mit. (dpa/mig) Leitartikel Panorama

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