Prozess um Anschlag auf Synagoge
Reue und rechtsradikale Gesinnung
In der Silvesternacht 2022 möchte ein junger Mann eine Synagoge in Oberfranken in Brand setzen. Nur mit Glück kommt es nicht dazu. Vor Gericht zeigt der Angeklagte Reue - und eine eindeutige Gesinnung.
Von Sebastian Schlenker Donnerstag, 25.05.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 25.05.2023, 15:36 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Als der Angeklagte den Verlauf des Silvestertags 2022 schildert, erzählt er von einer Treibjagd im Landkreis Forchheim, wie er bereits am Mittag anfängt Alkohol zu trinken und schließlich in einem Gasthaus gegenüber der Synagoge von Ermreuth ins neue Jahr feiert. Doch als die anderen Feiernden gegen Mitternacht weiterziehen, geht der 22-Jährige nicht mit. Er geht zur Synagoge und versucht, das Gebäude mit einem Feuerwerk in Brand zu setzen.
Was ihn dazu gebracht hat, will der junge Mann am Donnerstag im Prozess vor dem Amtsgericht Bamberg nicht mehr wissen. Er räumt die Tat ein, auch wenn er sich aufgrund seines Alkoholkonsums nicht mehr an alles erinnern könne. Was in der Anklage stehe, sei richtig, erklärt sein Verteidiger. Er bereue die Tat zutiefst und möchte sich bei der jüdischen Gemeinde, bei seinen Eltern und dem Bürgermeister der Gemeinde entschuldigen.
Für die Generalstaatsanwaltschaft München ist das Motiv klar: die „gefestigte judenfeindliche und rechtsextreme Geisteshaltung“ des Angeklagten. Auf Nachfrage räumt der Mann ein, dass an dem Abend eine rechtsradikale Gesinnung in ihm hervorgekommen sei. Auf seinem Handy fanden Ermittler zahlreiche Bilder, Texte und Musikstücke mit rechtsradikalem und antisemitischem Inhalt. Auf einem Foto steht der Angeklagte vor einer Reichsflagge und zeigt den Hitlergruß.
Roth: „Anschlag auf unsere Demokratie“
Eine Überwachungskamera zeichnete die ganze Tat auf. Als der Angeklagte eine Scheibe der Synagoge eingeschlagen hatte, versuchte er mehrfach vergeblich, ein Feuerwerk anzuzünden und es ins Gebäude zu werfen. Als das misslang, ging er schließlich weiter. Laut den Ermittlungen wäre das Feuerwerk geeignet gewesen, einen Brand zu verursachen. In der Tatnacht hielt sich keiner im Gebäude auf. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihm versuchte schwere Brandstiftung und gemeinschädliche Sachbeschädigung vor.
Nicht nur in Ermreuth, einem Ortsteil von Neunkirchen am Brand in Oberfranken, sorgte der Vorfall für Bestürzung. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) besuchte die Gemeinde und bezeichnete die versuchte Brandstiftung als „Anschlag auf unsere Demokratie“.
Angeklagter will sich Hilfe holen
Die Synagoge von Ermreuth wurde 1822 errichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging sie zunächst an die Raiffeisengenossenschaft über und wurde als Lagerhaus genutzt. Nach Sanierungsarbeiten öffnete die ehemalige Synagoge 1994 wieder und wurde nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft zugleich zur Religionsausübung wiedergeweiht. Die Synagoge ist heute ein Haus der Begegnung und der Kultur. Sie steht beispielhaft für das Landjudentum, das in vergangenen Jahrhunderten viele fränkische Dörfer prägte.
Der Verteidiger des Mannes erklärte vor Gericht, er habe sich bei der jüdischen Gemeinde in Ermreuth über den entstandenen Schaden informiert, und die Eltern des Angeklagten hätten daraufhin rund 1.900 Euro an die Gemeinde überwiesen. Der 22-Jährige wurde wenige Tage nach der Tat festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Er stellt sich bereits auf weitere Zeit im Gefängnis ein. Nach einer Verurteilung wolle er sich Hilfe holen und Gespräche mit Vertretern der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus in Nürnberg fortsetzen. Ein Gutachter bewertet im Prozess die Gesinnung des Mannes. Ein Urteil soll an diesem Freitag gesprochen werden. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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