Polizeirabbiner
Jüdische Freunde und Helfer
Polizeipfarrer gibt es seit vielen Jahrzehnten. Vor über zwei Jahren sind nun in Baden-Württemberg auch Polizeirabbiner eingesetzt worden. Sie verstehen sich als Wissensvermittler und Seelsorger.
Von Uta Rohrmann Montag, 05.06.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 05.06.2023, 13:38 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Beim Einsatz von Polizeirabbinern ist Baden-Württemberg die Nummer eins in Deutschland. Das Innenministerium hat sie Anfang 2021 berufen, auf Empfehlung von Michael Blume, dem Antisemitismusbeauftragten der Landesregierung. Die Zusammenarbeit zwischen dem Land und den Israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden (IRG Baden) und Württemberg (IRGW) lief so gut, dass sich alle Beteiligten einig waren, sie nach den zunächst vereinbarten zwei Jahren fortsetzen zu wollen.
Andere Bundesländer haben die Initiative, die zur Stärkung der Polizei und des gesellschaftlichen Miteinanders beitragen will, mehr als interessiert zur Kenntnis genommen. Inzwischen hat auch Sachsen-Anhalt einen Polizeirabbiner, Bayern prüft ihren Einsatz.
Polizeirabbiner mit unterschiedlichen Biographien
Doch wer sind eigentlich die Polizeirabbiner im Südwesten, und wie sieht ihr Alltag aus? Moshe Flomenmann stammt aus der Ukraine. Weitere internationale Erfahrungen konnte der Ortsrabbiner von Lörrach während Studienaufenthalten in Kopenhagen und Manchester sammeln. Der zweifache Vater ist außerdem als Landesrabbiner für die zehn israelitischen Gemeinden in Baden zuständig.
Shneur Trebnik wurde von der IRGW im Jahr 2000 aus Israel ins Schwabenland geholt, um dort über ein Jahrzehnt lang landesweit beim Gemeindeaufbau zu helfen. Im Zusammenhang mit seiner Arbeit entstanden Kontakte zu Polizeidienststellen, die seinen Rat suchten. Der ehemalige Mathelehrer und ausgebildete Sanitäter ist achtfacher Vater. Inzwischen ist er Ortsrabbiner in Ulm.
„Die jungen Leute stellen viele interessierte Fragen“
Beide Rabbiner bereichern das Unterrichtsangebot an den Polizeihochschulen in Lahr und Bruchsal, in Biberach sowie Herrenberg und laden Berufsanwärter in die Synagogen des Landes ein. „Die jungen Leute stellen viele interessierte Fragen“, berichtet Flomenmann. Trebnik ergänzt: „Sehr viele bekommen nur über die Medien Informationen. Oder sie haben im Religionsunterricht mal was von den fünf Büchern Mose gehört, verbinden damit aber persönlich kaum etwas. Ich glaube und hoffe, dass die jungen Polizisten so nicht nur etwas über das Judentum lernen, sondern auch für sich persönlich etwas mitnehmen können.“
Dabei geht es den Rabbinern um mehr als reine Wissensvermittlung. „Über die Objekte in der Synagoge – den Thoraschrein, den siebenarmigen Leuchter oder die Chanukkiah – wird jüdisches Leben aus unserer Perspektive erlebbar“, erklärt der württembergische Polizeirabbiner. „Menschen spüren: Judentum ist etwas Lebendiges, Dynamisches, kein Museum.“ Sein badischer Kollege sagt: „Durch persönliche Begegnungen entstehen Beziehungen zu Menschen.“
„Wir sind für die Menschen da“
„Wir sind als Vertrauenspersonen für die Menschen da sowie als Ansprechpartner und Ratgeber für alle Fragen rund ums Thema Judentum – egal, ob es sich um Unterstützung für eine Bachelor- oder Masterarbeit handelt oder um die Einordnung von Straftaten“, beschreibt Flonemann. „Nur wenn die Beamten eine antisemitische Straftat als solche erkennen, kommt sie vor die Staatsanwaltschaft und dann vor Gericht.“ Dass sich umgekehrt jemand zu Unrecht auf jüdische Schriften beruft, um eine Ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen, habe Rabbiner Trebnik auch schon erlebt: „Da habe ich dem Polizisten gesagt, dass mir die zitierte Stelle im Talmud nicht bekannt sei.“
Ein Segen nach jeder Woche voller Arbeit sei für die Polizei-, Landes- und Ortsrabbiner auch der Schabbat als Ruhetag, der hilft, dass ihnen die Prioritäten nicht verrutschen. „Nach dem Gottesdienst und gemeinsamem Mittagessen in der Gemeinde ist ausschließlich Zeit für die Familie – ohne Telefon und Handynachrichten“, sagt Trebnik. (epd/mig) Aktuell
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