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Spurwechsel light

Bundestag beschließt „Das modernste Einwanderungsrecht der Welt“

Mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen wird das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen - vorher geht es hoch her im Bundestag. Aus der Praxis kommt die Mahnung, nicht nur Gesetze zu ändern, sondern auch die Visaverfahren zu beschleunigen. Ein weiteres neues Gesetz soll Verbesserungen für Aus- und Weiterbildung bringen.

Samstag, 24.06.2023, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 24.06.2023, 18:05 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Der Bundestag hat eine Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und eine Ausweitung der sogenannten Westbalkanregelung beschlossen. In der abschließenden Debatte dazu prallten am Freitag im Bundestag sehr unterschiedliche Einstellungen zur Migration aufeinander. Die Ampel-Fraktionen betonten den Nutzen der erleichterten Einwanderung für die Wirtschaft. Die Union kritisierte die aus ihrer Sicht zu geringen Anforderungen an arbeitswillige Ausländer aus Nicht-EU-Staaten. Um mehr Arbeitskräfte auch im Inland zu gewinnen, wurde am Freitag außerdem ein Gesetz der Ampel für Aus- und Weiterbildung beschlossen.

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Die Abgeordneten der Ampel-Fraktionen votierten in der namentlichen Schlussabstimmung nahezu geschlossen mit Ja. Lediglich die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg enthielt sich der Stimme. Die anwesenden Abgeordneten von Union und AfD stimmten laut Bundestagsverwaltung alle mit „Nein“. In der Summe stimmten 388 Abgeordnete mit Ja. 242 Parlamentarier lehnten den Entwurf ab. 31 Abgeordnete enthielten sich.

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Teuteberg erklärte auf Nachfrage, sie sei für die Einwanderung von Fachkräften. Sie halte es aber für falsch, dass die Wörter „und Begrenzung“ aus dem ersten Artikel des Aufenthaltsgesetzes gestrichen werden sollen, zumal dort ohnehin die humanitäre Verpflichtung Deutschlands erwähnt werde. Bislang lautet der erste Satz des Gesetzes: „Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland.“

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Faeser: „Das modernste Einwanderungsrecht der Welt“

Deutschland werde durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfs „das modernste Einwanderungsrecht der Welt“ bekommen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Der nächste Schritt müsse nun sein, „maßgeblich Bürokratie abzubauen“, um den Weg nach Deutschland für qualifizierte Arbeitskräfte weniger beschwerlich zu machen.

Neu ist in dem Gesetzentwurf unter anderem die sogenannte Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems. Zu den Kriterien, für die es Punkte gibt, gehören Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. IT-Fachkräfte sollen künftig auch ohne Hochschulabschluss kommen dürfen, sofern sie bestimmte Qualifikationen nachweisen können. Leichter werden soll es auch für Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind, die eine qualifizierte Tätigkeit ausüben oder in Aussicht haben.

Union: Neue Regeln „Mogelpackung“

Die Reform sei eine „Mogelpackung“, kritisierte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz. Anstatt Fachkräften den Weg zu ebnen, werde das von Erwerbsmigranten eingeforderte Niveau, was Ausbildung und Sprache angeht, gesenkt. Mit ihrem neuen Punktesystem schaffe die Ampel-Koalition ein „Bürokratiemonster“, sagte die CSU-Politikerin. Sie kritisierte außerdem Erleichterungen, von denen Ausreisepflichtige mit Qualifikation und Jobangebot profitieren sollen.

Lindholz sei ideologisch verbohrt, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. Die Möglichkeit eines „Spurwechsels“ für Ausreisepflichtige diene auch dazu, diese „aus der staatlichen Abhängigkeit herauszulösen“.

FDP: „Mit neuen Köpfen kommen auch neue Ideen“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, sagte, Deutschland orientiere sich bei der Reform an erfolgreichen Einwanderungsländern wie Kanada, Neuseeland und Australien. „Mit neuen Köpfen kommen auch neue Ideen“, fügte er hinzu. Sein Parteikollege Konstantin Kuhle verwies darauf, dass die Ampel durch eine Änderung der Beschäftigungsverordnung außerdem das Kontingent für die Westbalkanregelung von 25.000 auf 50.000 Arbeitskräfte pro Jahr verdoppeln werde. Die Regelung erlaubt auch eine Einreise von Arbeitskräften ohne besondere Qualifikation, wenn diese einen Arbeitsvertrag vorweisen können. Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, sagte: „Insbesondere das Baugewerbe kann von diesen zusätzlichen Arbeitskräften profitieren.“

Gökay Akbulut (Linke) sagte, es sei gut, dass Fachkräfte künftig auch ohne Wohnraumnachweis ihre Eltern und Schwiegereltern zu sich holen könnten. Dass dies erwerbstätigen Migranten ohne besondere Qualifikation, wie etwa Reinigungskräften, nicht gestattet werde, sei aber „eine Zwei-Klassen-Migrationspolitik“, die ihre Fraktion ablehne.

Arbeitgeber und BA verweisen auf zu hohe bürokratische Hürden

Neben Faeser und Abgeordneten der Union verwiesen auch Arbeitgeber und die Bundesagentur für Arbeit (BA) auf zu hohe bürokratische Hürden. Aus Sicht von BA-Vorständin Vanessa Ahuja geht die Reform in die richtige Richtung. Sie mahnte aber: „Schnellere und unbürokratische Verfahren gelingen nur mit einem gemeinsamen digitalen Austausch zwischen den beteiligten Partnern, etwa Ausländerbehörden, Visastellen und der BA.“

Die Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege, Isabell Halletz, sieht durch die Reform wenig Verbesserungen für zuwanderungswillige und dringend benötigte Pflegefachkräfte. Sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitskräfte aus dem Ausland benötigten keine weiteren staatlichen Anwerbeprogramme, sondern standardisierte Prozesse und verbindliche Fristen. Sie betonte: „Es bringt nichts, wenn beschleunigte Verfahren auf dem Papier existieren, aber nicht in der Praxis umgesetzt werden können.“

Gemischtes Echo aus Bundesländern

Positives Feedback bekamt das neue Regelwerk aus Schleswig-Holstein. Sozialministerin Aminata Touré begrüßte, dass der sogenannte Spurwechsel für abgelehnte Asylbewerber nun möglich werde. „Endlich kommt der ‚Spurwechsel‘, wenn auch nur in der Light-Version mit einer Stichtagsregelegung“, sagte die Grünen-Politikerin. „Der Spurwechsel eröffnet geflüchteten Menschen im Asylverfahren endlich neue Perspektiven“, erläuterte Touré. Sie könnten ihr Bleiberecht verfestigen und bekämen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. „In Anbetracht der Tatsache, dass wir so einen massiven Fachkräftemangel haben, ist es aus integrations- und wirtschaftspolitischer Perspektive der absolut richtige Schritt.“

Auch nach Ansicht von Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) wird die Reform die Chancen für ausländische Arbeitskräfte und die Wirtschaft verbessern. „Zum ersten Mal hat Deutschland ein Einwanderungsgesetz, das sich klar zu einer gesteuerten Fachkräftezuwanderung bekennt und entsprechende Instrumente dafür schafft“, sagte Dulig in Dresden. Dies sei eine gute und wichtige Nachricht und erkenne endlich die Lebensrealitäten an.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) meldete dagegen auch Kritik an. Das Gesetz enthalte gute Reformen, um Transformation in Ostdeutschland voranzutreiben und Wachstum zu sichern, schrieb Kretschmer auf Twitter. „Sachsen ist offen für qualifizierte Fachkräfte, die unsere Region mit uns weiterentwickeln wollen und hier ihre Chancen sehen.“ Er lehne aber den sogenannten Spurwechsel für nicht anerkannte Asylbewerber ab. „Angesichts der dramatischen Migrationskrise in Deutschland erhöhen wir damit noch mehr den Druck auf die Kommunen“, betonte der Christdemokrat.

Aus- und Weiterbildungsgesetz

Nach dem Bundestagsbeschluss für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz stimmte das Parlament mit den Stimmen der Ampel auch noch für deren Aus- und Weiterbildungsgesetz. Damit sollen mehr Nachwuchs- und Arbeitskräfte auch im Inland gewonnen werden. Es sieht unter anderem vor, durch die Übernahme von Unterkunfts- und Fahrtkosten junge Menschen zu ermutigen, auch weiter entfernte Praktikums- und Ausbildungsplätze anzunehmen.

Außerdem ist ein sogenanntes Qualifizierungsgeld als Lohnersatz geplant. Damit soll es möglich werden, Beschäftigte in Branchen im Strukturwandel freizustellen, damit sie eine Weiterbildung für neue Aufgaben im Betrieb absolvieren und gleichzeitig ihre Stelle behalten können.

FDP will Fachkräfte in Neu Delhi direkt anwerben

Parallel zur Verabschiedung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Bundestag hat die FDP-Fraktion nach eigenen Angaben eine Werbeaktion in Indiens Metropole Neu Delhi gestartet. Wie eine Sprecherin mitteilte, schickte die Fraktion am Freitag in der indischen Hauptstadt eine mit einer Werbetafel in FDP-Farben bestückte Motorrad-Rikscha los, auf der sie über neue Möglichkeiten für IT-Spezialisten und andere Fachkräfte in Deutschland informiert. In dem auf Englisch formulierten Text, der die deutsche Überschrift „Guten Tag!“ trägt, heißt es, für qualifizierte Arbeitskräfte sei es nie einfacher gewesen, ein Arbeitsvisum für Deutschland zu bekommen. (dpa/mig) Aktuell Politik

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