Geschlossen rechtsextremes Weltbild
Umfrage im Osten zeigt latente Zustimmung für rassistische Aussagen
In Ostdeutschland ist die Unzufriedenheit mit der Demokratie einer neuen Studie zufolge besonders ausgeprägt. Menschen fühlen sich von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. Die Zustimmung zu rechtsextremen und rassistischen Positionen ist ausgeprägt.
Mittwoch, 28.06.2023, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 28.06.2023, 13:57 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
In Ostdeutschland ist laut einer repräsentativen Umfrage nicht einmal jeder zweite zufrieden mit dem aktuellen Zustand der Demokratie. In einer am Mittwoch in Berlin vorgestellten Untersuchung der Universität Leipzig zeigten sich lediglich 42,6 Prozent der Befragten damit zufrieden, wie die Demokratie aktuell in Deutschland funktioniert. Trotz grundlegender Zustimmung zur Demokratie befürworten rund die Hälfte der Befragten eine „starke Partei“, die völkisch definiert wird.
Die Umfrage belegt nach Darstellung der Autoren hohe Zustimmungswerte zu rechtsextremen und migrationskritischen Aussagen und Chauvinismus. Solche Einstellungen seien seit 30 Jahren im wesentlichen stabil, heißt es in der Studie. Beispielsweise stellten sich 41,3 Prozent der Befragten voll und ganz hinter die Aussage: „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ und 36,6 Prozent hinter den Satz: „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet.“ Hinzu kamen jeweils weitere Befragte, die diese Aussagen zum Teil unterstützten – die Autoren sprechen von einer „latenten Zustimmung“.
Rechtsextreme wählen AfD
Ein „geschlossen rechtsextremistisches Weltbild“ sehen die Autoren bei 7,1 Prozent der Befragten. Der Wert liegt etwas unter vergleichbaren Studien für die Jahre 2002 bis 2010, als 8,0 Prozent ermittelt wurden, und die Jahre 2012 bis 2020 mit 9,7 Prozent. Dennoch sei dies „ein sehr hoher Prozentsatz, mit dem eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die Demokratie verbunden ist“, heißt es in der Studie.
Insgesamt würden ausländerfeindliche Aussagen nur von einer Minderheit der Befragten abgelehnt. Elemente der „Neo-NS-Ideologie“, antisemitische und sozialdarwinistische Statements fänden ebenfalls Zustimmung – ein Drittel der Bevölkerung stimme ihnen vollständig oder teilweise zu. Mehr als die Hälfte der Menschen mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild (57,8 Prozent) würden laut der Umfrage die AfD wählen.
Ostdeutsche fühlen sich ausgeschlossen
Viele Ostdeutsche fühlten sich von der politischen Teilhabe ausgeschlossen, erläuterte der Sozialpsychologe und Studienleiter Oliver Decker. Fast zwei Drittel der Ostdeutschen (64,6 Prozent) halten es der Studie zufolge für sinnlos, sich politisch zu engagieren. Mehr als drei Viertel (77,4 Prozent) gehen davon aus, ohnehin keinen Einfluss darauf zu haben, „was die Regierung tut“.
Laut Umfrage stimmt jeder Zweite in den ostdeutschen Ländern der Aussage zu, dass Deutschland eine „starke Partei“ brauche, die die „Volksgemeinschaft“ insgesamt verkörpere. Die Forscher ermittelten hier Werte von 26,3 Prozent mit einer manifesten Zustimmung und 24,9 Prozent mit einer latenten, also zumindest teilweisen Zustimmung.
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen besonders demokratiefeindlich
Decker bescheinigte den Teilnehmern der Umfrage, dass sie sich „nicht mehr demokratische Teilhabe und Sicherung der demokratischen Grundrechte wünschen, sondern die scheinbare Sicherheit einer autoritären Staatlichkeit“. Ausgeprägt sei die Zustimmung vor allem in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. „Hier ist damit das Potential für extrem-rechte und neonazistische Parteien, Wähler zu finden, besonders hoch.“
Seit 2002 veröffentlichen die Leipziger Forscher „Autoritarismus-Studien“ zu politischen Einstellungen in Deutschland. Für die aktuelle Studie wurden 3.546 Menschen in den fünf ostdeutschen Ländern und im Ostteil Berlins befragt. Die Umfragen fanden zwischen Mai und September 2022 statt. Die Befragten hatten jeweils fünfstufige Antwortmöglichkeiten. Diese reichten von „Lehne völlig ab“ bis zu „Stimme voll und ganz zu“.
Experte: „Völkische Gemeinschaft gewünscht“
Auch mehr als 30 Jahre nach Mauerfall und Wiedervereinigung fehle es an Demokratie-Erfahrungen, hieß es weiter. Während sich laut Umfrage knapp ein Viertel der Befragten (23,6 Prozent) als „Verlierer der deutschen Einheit“ bezeichneten, gab knapp die Hälfte (45,6 Prozent) an, sich „als Gewinner der deutschen Einheit“ zu fühlen.
Sozialpsychologe Elmar Brähler betonte als einer der Studienleiter, „statt pluralistischer Interessenvielfalt wird eine völkische Gemeinschaft gewünscht“. (epd/dpa/mig) Gesellschaft Leitartikel
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