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Triple Win?

Deutschland wirbt um Pflegekräfte aus Lateinamerika

Der Fachkräftemangel hierzulande hat schon Tausende ausländische Pflegekräfte nach Deutschland gebracht - etwa aus Mexiko. Auch in Brasilien oder Indien wirbt die Bundesregierung nun Fachkräfte an. Mit Erfolg?

Von , und Montag, 17.07.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 17.07.2023, 14:18 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Das Wetter, das Essen, die Sprache: Mit diesen Dingen kam Herbert Otoniel Pérez Victoriano aus Mexiko zunächst nicht zurecht, als er aus einem indigenen Dorf im sonnigen Oaxaca nach Deutschland kam. Seit mehr als vier Jahren arbeitet der Krankenpfleger nun an der Berliner Charité, an der Beatmungsstation mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie – als eine von Hunderten mexikanischen Pflegekräften, die inzwischen nach Deutschland gekommen sind.

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Der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte vor vier Jahren in Mexiko angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland um sie geworben. Nun war Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) aus demselben Grund ebenfalls in Lateinamerika – in Brasilien. Am Montag reist er nach Indien. Dort soll es auch um IT-Fachkräfte gehen.

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In seiner Freizeit teilt Pérez Victoriano in einem Facebook-Blog Erfahrungen und Informationen mit anderen spanischsprachigen Pflegekräften, die nach Deutschland auswandern wollen.

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„Bisher kann ich sagen, dass die Realität meine persönlichen Erwartungen übertroffen hat“, sagt der 32-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. „Ich habe aber auch Kollegen getroffen, die von privaten Vermittlungsfirmen betrogen wurden oder nach Deutschland kamen und nicht das bekamen, was ihnen versprochen wurde“. Ein Schlüssel für die erfolgreiche Integration ausländischer Pflegekräfte sei die Begleitung durch die aufnehmende Institution.

Anwerbung floppt seit Jahrzehnten

Das Schwerste sei die Sprache, meint Pérez Victoriano, der in Mexiko ein fünfjähriges Studium in Krankenpflege absolviert hat. „Wir arbeiten in einem Beruf, in dem man viel sprechen muss – die kranke Person aufklären, sie vielleicht ermahnen oder Anweisungen zur Bedienung eines medizinischen Geräts geben. Es kann ein bisschen frustrierend sein, wenn man das Wissen hat, sich aber nicht ausdrücken kann.“

Anfang Juni besuchte Arbeitsminister Heil in Brasilien eine Ausbildungsstätte der Katholischen Universität Brasília (UCB) und unterzeichnete mit seinem brasilianischen Kollegen Luiz Marinho eine Absichtserklärung für „faire Einwanderung“. So sollen Strukturen vereinfacht werden, um den Fachkräfteaustausch zu fördern. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hält die Anwerbung von bis zu 700 Pflegekräften pro Jahr für möglich.

Die deutsche Stiftung Patientenschutz ist skeptisch. „Die staatliche Anwerbung ausländischer Pflegekräfte floppt seit Jahrzehnten“, sagt Vorstand Eugen Brysch. Eine Kosten-Nutzen-Analyse fehle. Es sei überfällig, dass alle Ausgaben vom Bundesrechnungshof geprüft würden. Brysch fügte mit Blick auf 44 000 arbeitslos gemeldete Pflegekräfte im vergangenen Jahr hinzu, zunächst müssten die Hausaufgaben hierzulande gemacht werden.

Hoffnung auf besseres Leben

Dennoch geht es nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, nicht ohne Einwanderung. „Mindestens 31.000 Stellen können aktuell in der Allgemein- und Intensivpflege in den Krankenhäusern nicht besetzt werden. Ohne ausländische Pflegekräfte wäre diese Zahl noch einmal weitaus höher“, sagt der frühere Klinikgeschäftsführer. Es brauche deutlich weniger Bürokratie bei Anerkennung, Visavergabe und vielen anderen Hürden.

Die Krankenpfleger Iris Amora (28) und Alessandro Gomes (33) lernen in Rio de Janeiro derzeit in einem Intensiv-Kurs Deutsch, um sich auf ihre neuen Stellen in Deutschland vorzubereiten. Ab Ende Juli sollen sie im Helios Park-Klinikum in Leipzig arbeiten. Die schwierigen Arbeitsbedingungen und niedrigen Gehälter in Brasilien hätten sie dazu gebracht, den Schritt zu wagen. „Es ist sehr ermüdend, sich ohne ausreichende Ressourcen und Material um die Patienten kümmern zu müssen“, sagt Amora. „Weil die Lebenshaltungskosten in Brasilien sehr hoch sind und wir nicht gut verdienen, haben die meisten Pflegekräfte zudem mehr als einen Job.“

Sie und Gomes hätten Brasilien noch nie verlassen. „Das ist auch eine große Veränderung. Wir lassen unser Leben hier hinter uns, um an einen Ort zu gehen, wo wir niemanden kennen“, sagt Gomes. Zwar wüssten sie, dass Pflegekräfte auch in Deutschland keine besonders hohen Gehälter bekämen, aber sie erhofften sich mit Blick auf Bildung, Sicherheit und öffentlichen Nahverkehr eine bessere Lebensqualität als in Brasilien. „Wir wollen unsere Chance nutzen.“

Anwerbeprogramm mit Triple Win?

Eines sollte Deutschland bei allen Bemühungen nicht tun, findet Krankenhausgesellschaftschef Gaß: Anderen Ländern mit gleichen Herausforderungen bei der Demografie die Fachkräfte abzuwerben. Björn Gruber von der GIZ versichert mit Blick auf das Anwerbeprogramm Triple Win: „Die Bundesagentur für Arbeit und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) stellen nur dann Pflegefachkräfte ein, wenn die staatlichen Partner in den Herkunftsländern zustimmen, wobei die Arbeitsmarktsituation im Herkunftsland berücksichtigt wird.“ In Brasilien gibt es nach Angaben des Berufsverbands Confen rund 2,5 Millionen Krankenpfleger. Die Arbeitslosenquote in dem Sektor lag 2021 bei über zehn Prozent.

Ende 2021 waren in Deutschland 236.000 ausländische Pflegefachkräfte sozialversicherungspflichtig beschäftigt, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage im Bundestag im vergangenen Jahr hervorgeht. Der größte Teil der ausländischen Krankenschwestern und -pfleger stammt demnach aus Europa. Aus Brasilien kamen ebenfalls in dem Jahr 2109 Pflegekräfte nach Deutschland, aus Mexiko 652.

Grundsätzlich bräuchte es nach Ansicht von Gaß in der Debatte über den Fachkräftemangel in der Pflege auch einen anderen Ton: „Generell müssen wir in der Öffentlichkeit kommunizieren, dass Krankenpflege ein anspruchsvoller, erfüllender und sinnstiftender Beruf ist, der absolut krisensicher und mittlerweile auch gut bezahlt ist. Dauernde Negativmeldungen oder gar völlig falsche Zerrbilder von Hungerlöhnen sind dabei kontraproduktiv.“ (epd/mig) Aktuell Panorama

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