Debatte um Asylrecht
Experten kritisieren Vorschlag zur Abschaffung des Asylrechts
Mit seinem Vorschlag, das individuelle Asylrecht abzuschaffen, hat der CDU-Politiker Frei eine Debatte entfacht. Experten sind weiter skeptisch. Der Forscher Knaus setzt eher auf Migrationsabkommen.
Donnerstag, 20.07.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 20.07.2023, 12:19 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Nach der Forderung des CDU-Politikers Thorsten Frei, das Individualrecht auf Asyl abzuschaffen, geht die Debatte um den Umgang mit Fluchtbewegungen weiter. Aus Sicht des Migrationsforschers Gerald Knaus würde eine Abschaffung des Individualrechts auf Asyl die aktuellen Probleme in Europa nicht lösen. „Das echte Problem ist, dass wir es nicht schaffen derzeit, die Migrationsabkommen zu schließen, die wir brauchen“, sagte Knaus am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin“.
Der Rat für Migration wies Freis Vorstoß aus grundsätzlichen Erwägungen zurück. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland pochte ebenfalls auf das individuelle Asylrecht. Frei selbst verteidigte seine Forderung.
Vorschlag ändert Situation nicht
Er hatte vorgeschlagen, das individuelle Recht auf Asyl durch eine „Institutsgarantie“ zu ersetzen, in deren Rahmen die EU jährlich ein Kontingent von 300.000 bis 400.000 Schutzbedürftigen direkt aus dem Ausland aufnehmen könnte. Frei argumentiert mit einem Konstruktionsfehler in der aktuellen Rechtslage, da die Voraussetzung für Asyl ein Antrag auf europäischem Boden sei. Damit gelte ein „Recht des Stärkeren“, wer zu alt, zu schwach, zu arm oder zu krank sei, sei chancenlos.
Knaus sagte, Freis Vorschlag würde an der aktuellen Situation nichts verbessern. Es fehlten Vereinbarungen, um Ausreisepflichtige aus der Europäischen Union zurückzubringen, argumentierte der Vorsitzende der Berliner Denkfabrik „European Stability Initiative“. Auch müsse es möglich werden, Menschen in sichere Drittstaaten zurückzuschicken, um zum Beispiel Mittelmeerflüchtlingen eine Rückkehr nach Libyen zu ersparen.
Frei und Merz verteidigen Vorstoß
Die EU-Kommission hatte vor wenigen Tagen ein Abkommen mit Tunesien unterzeichnet, das Fluchtbewegungen über das Mittelmeer einschränken soll. Wegen des aktuell fragwürdigen Umgangs Tunesiens mit Migranten ist die Vereinbarung allerdings auch umstritten.
Frei verteidigte unter anderem in der „Rheinischen Post“ seinen Vorschlag: „Das individuelle Asylrecht durch Kontingente für Schutzbedürftige zu ersetzen, wäre ein Weg, unseren humanitären Anspruch mit den begrenzten eigenen Möglichkeiten in Einklang zu bringen“, sagte er.
Rückendeckung erhielt Frei von Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz. „Das ist ein wichtiger und guter Beitrag, um ein Problem zu lösen, das wir seit Jahren sehen, und wo es im Augenblick keine wirklich guten und überzeugenden Lösungen gibt“, sagte Merz bei der Klausur der CSU-Landesgruppe im oberbayerischen Kloster Andechs. Die CSU begrüßte den Vorschlag zwar, gab aber zu bedenken, dass er nicht geeignet sei, die aktuellen Probleme zu lösen.
Versuche der Merkel-Regierung
Tatsächlich hatte bereits die Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) versucht, durch solche Kontingente Fluchtbewegungen zu steuern. Seit Jahren beteiligen sich Deutschland und die EU am UN-Resettlement-Programm, über das besonders schutzbedürftige Gruppen wie Frauen, Kinder, Kranke und Behinderte an sichere Orte umgesiedelt werden.
Im Vergleich zu den Zugangszahlen über das reguläre Asylsystem sind es aber wenige Flüchtlinge, die auf diese Weise nach Deutschland kommen. Während 2022 knapp 218.000 Menschen nach Deutschland kamen, um einen Antrag auf Asyl zu stellen, wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums nur 5.687 Menschen über das Resettlement-Verfahren aufgenommen. Für dieses Jahr hat die Bundesregierung 6.500 Plätze zugesagt, wie ein Ministeriumssprecher sagte. Hinzu kommen Programme für afghanische Ortskräfte sowie Menschenrechtsverteidiger und Frauenrechtlerinnen aus Russland, Belarus und Iran. Dies alles summiert sich auf einen „jährlich niedrigen fünfstelligen Bereich“, wie der Sprecher sagte.
Rat für Migration befürchtet Willkür
Der Rat für Migration machte am Mittwoch auch grundsätzliche Erwägungen gegen ausschließliche Kontingentregelungen geltend. Dies würde das System der Flüchtlingsaufnahme mit mehr Willkür belasten und die Lösung zu einem Instrument innenpolitischer Konflikte machen, erklärte er. Das individuelle Asylrecht sei immerhin auch eine Konsequenz aus dem Scheitern von Kontingentlösungen, hieß es in einer Mitteilung.
UNHCR Deutschland nannte die aktive Aufnahme von Flüchtlingen aus anderen Staaten „eine wichtige Ergänzung, um den Zugang besonders vulnerabler Flüchtlinge zum Flüchtlingsschutz zu erleichtern“. Sie könne „den spontanen, selbstorganisierten Zugang zum Schutz aber nicht ersetzen“, erklärte Katharina Lumpp, Vertreterin der UN-Flüchtlingshilfe in Deutschland, auf epd-Anfrage. Sie verwies auf die Genfer Flüchtlingskonvention, die einen spontanen Zugang für Schutzsuchende beinhalte. „Eine Verabschiedung von diesem Prinzip in Europa hätte sehr weitreichende Folgen und würde das globale System des Flüchtlingsschutzes unterminieren“, warnte Lumpp. (epd/mig) Aktuell Politik
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