Schweigen zum Auftakt
„Knockout 51-Prozess“ beginnt
Sie sollen in Thüringen einen „Nazi-Kiez“ gegründet und Linken nach dem Leben getrachtet haben: Seit Montag müssen sich vor dem Thüringer Oberlandesgericht vier Männer verantworten. Begleitet wurde der Auftakt von umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen.
Montag, 21.08.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 28.09.2023, 11:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Zum Beginn des Prozesses gegen vier mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung „Knockout 51“ haben die Angeklagten am Montag vor dem Oberlandesgericht in Jena geschwiegen. Der Verteidiger des Hauptangeklagten kündigte jedoch für kommenden Montag (28.8.) an, dass sich sein Mandant äußern wolle. Der Anwalt eines weiteren Angeklagten signalisierte für seinen Mandanten Interesse an einem Deal mit Gericht und Staatsanwaltschaft – was der Vertreter des Generalbundesanwalts ablehnte. „Ich sehe im Moment keinen Anlass und keinen Grund für ein Rechtsgespräch“, sagte er.
In dem Verfahren wirft der Generalbundesanwalt den vier Männern im Alter zwischen 21 und 25 Jahren vor, schwerste Straftaten vorbereitet zu haben. Unter anderem sollen sie sich der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, des Landfriedensbruchs und verschiedener Körperverletzungsdelikte strafbar gemacht haben. Zwei der Angeklagten sollen zudem gegen das Waffengesetz verstoßen haben.
Versucht, „Nazi-Kiez“ zu etablieren
Die Anklage geht davon aus, dass die Männer Mitglieder der in Eisenach angesiedelten, rechtsextremen Kampfsportgruppe „Knockout 51“ waren. Der Hauptangeklagte gilt als Rädelsführer. „Spätestens ab April 2021 war die Vereinigung ‚Knockout 51‘ neben der Begehung von Körperverletzungen auch auf die Tötung von Angreifern aus dem linksextremen Lager ausgerichtet“, sagte der Vertreter des Generalbundesanwalts bei der Verlesung der Anklage. Dabei machte er auch deutlich, wie schwer sich die Männer den Ermittlungen zufolge bereits bewaffnet hätten. Sie planten demnach, ihre politischen Gegner durch den Einsatz von Messern, Äxten und Macheten zu töten, hieß es. Solche Waffen hätten sie auch besessen.
Zudem sollen sie versucht haben, in Eisenach einen „Nazi-Kiez“ zu etablieren, in dem sie ihre Regeln mit Gewalt durchsetzen wollten.
Waffen aus dem Drucker
Zudem habe der Hauptangeklagte versucht, mit einem 3D-Drucker eine scharfe Schusswaffe herzustellen. Dazu habe der 25-Jährige mit dieser Technik zwischen Februar und April 2021 begonnen, die wesentlichen Teile einer Maschinenpistole zu produzieren. „Die weiteren für die Fertigstellung einer einsatzbereiten Waffe erforderlichen Bestandteile hatte er sich bis dahin ebenfalls beschafft.“ Auch die für die fertige Waffe passende Munition habe er selbst herstellen wollen und damit ebenfalls begonnen. Erst eine Razzia der Polizei habe ihn bei diesem Versuch gestoppt.
Die vier Männer waren Anfang April 2022 bei einem großangelegten Schlag gegen die militante Neonazi-Szene festgenommen worden. Sie sitzen seither in Untersuchungshaft.
Nazis zum Prozessauftakt angereist
Das Oberlandesgericht hat für den Prozess derzeit Verhandlungstermine bis März 2024 vorgesehen. Der Prozessauftakt hatte unter massiven Sicherheitsvorkehrungen stattgefunden. Sowohl am Eingang zum Gerichtsgebäude als auch beim Einlass in den Sitzungssaal wurden die Zuschauer kontrolliert. Auch mehrere Zuschauer, offenbar aus dem rechten Spektrum, waren aus verschiedenen Teilen des Bundesgebiets angereist. Polizei und Justiz waren mit zahlreichen Beamten im Einsatz.
Im Verfassungsschutzbericht 2021 wird „Knockout 51“ als rechtsextremistische Kampfsportvereinigung geführt, die 2019 erstmals in den sozialen Medien öffentlich in Erscheinung trat. Bei den Hauptprotagonisten handele es sich um mitunter langjährige Rechtsextremisten aus dem Raum Eisenach, heißt es darin.
„Außergewöhnlich radikale, rechtsextreme Gruppierung“
Nach Einschätzung der Demokratieberater von Mobit handelt es sich bei „Knockout 51“ um eine außergewöhnlich radikale, rechtsextreme Gruppierung. „Die gehören zu den militantesten Neonazi-Gruppen, die wir in den vergangenen Jahren in Deutschland gesehen haben“, sagte ein Sprecher von Mobit (Mobile Beratung in Thüringen) am Rande des Prozesses. Zwar sei die Gruppe in Eisenach verwurzelt gewesen und habe vor allem dort agiert. Sie sei aber in terroristische Netzwerke verstrickt, die weit über Deutschland hinausreichten.
Der dritte Strafsenat hatte Anfang August die Anklage des Generalbundesanwalts zugelassen – allerdings mit einer Einschränkung. Anders als die Bundesanwaltschaft hatte der Senat „Knockout 51“ zumindest vorläufig nicht als terroristische Vereinigung eingeordnet, sondern als kriminelle Vereinigung. „Für die Menschen vor Ort, die von dem Straßenterror von ‚Knockout 51‘ betroffen waren, hat diese juristische Definition allerdings nichts mit der Lebensrealität zu tun“, sagte der Mobit-Sprecher. (dpa/mig) Aktuell Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen