Hessen
Verfassungsschutz verzeichnet mehr rechtsextreme Gewalttaten
Die rechtsextreme Szene in Hessen wird immer gewaltorientierter. Das geht aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht des Landes hervor. Laut Innenminister Beuth ist der Rechtsextremismus weiterhin die größte Bedrohung.
Von Andrea Löbbecke Donnerstag, 24.08.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 24.08.2023, 14:04 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die rechtsextreme Szene in Hessen wird nach den Beobachtungen des Verfassungsschutzes immer gewaltorientierter. Die Sicherheitsbehörde registrierte 2022 einen Anstieg bei den rechtsextremistischen Gewalttaten auf 50 Fälle, überwiegend Körperverletzungen, wie Innenminister Peter Beuth (CDU) sagte. In den beiden Vorjahren waren es jeweils 42 Gewalttaten gewesen, 2019 noch 31 Fälle.
Auch die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten insgesamt stieg 2022 den Angaben zufolge auf 1.051 Fälle (2021: 946). Beuth und der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Bernd Neumann, stellten am Donnerstag den aktuellen Verfassungsschutzbericht 2022 in Wiesbaden vor.
„Der Rechtsextremismus mit seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen ist weiterhin die größte Bedrohung für die freiheitliche Demokratie und die öffentliche Sicherheit in Hessen“, bekräftigte Beuth. Rechtsextremisten seien oft gewaltbereit und schmiedeten Pläne für Straftaten, bei denen beispielsweise Schusswaffen zum Einsatz kommen könnten. Das Landesamt habe daher ein Hauptaugenmerk auf die rechtsextremistische Szene. Das LfV stuft aktuell 1730 Menschen in Hessen als Rechtsextremisten ein, von denen rund die Hälfte als „gewaltorientiert“ gilt.
Sorge vor „Neuen Rechten“
Sorge bereiteten unter anderem Akteure der „Neuen Rechten“, die weiterhin versuchten, dem Rechtsextremismus einen intellektuellen Anstrich zu geben, um ihn zu einer Option für akademisch gebildete Menschen zu machen, erläuterte Neumann. Er verwies auf das in Hessen gegründete digitale E-Learning-Projekt „GegenUni“, das sich als Gegenentwurf zu den deutschen Hochschulen verstehe. Die Plattform verbreite rechtsextremistische Ideologien und trage zur Vernetzung und Finanzierung der neurechten Szene bei, sagte Neumann.
Auf dem Schirm der Verfassungsschützer sind auch 1100 Reichsbürger und Selbstverwalter (2021: 1000), die eine Schnittmenge mit den Rechtsextremisten aufweisen. 2022 seien verstärkte Versuche der Reichsbürger-Gruppierung „Königreich Deutschland“ festgestellt worden, Strukturen in Hessen zu etablieren – unter anderem sollten ein Lebensmittelgeschäft und ein Restaurant eingerichtet werden, sagte Neumann. Auf öffentlichen Druck hin hätten die Akteure ihre Projekte aufgegeben. „Reichsbürger und Selbstverwalter sind eine Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung“, warnte der Verfassungsschützer. Sie würden die Bundesrepublik nicht als Staat anerkennen, zudem hätten sie eine hohe Waffenaffinität.
Weniger Linksextremisten
Die Zahl der Linksextremisten in Hessen verringerte sich nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes im Jahr 2022 auf 2.650 Menschen (2021: 2.770). Es wurden 79 linksextremistische Straf- und Gewalttaten registriert – nach 131 im Jahr zuvor. Die linksextreme Szene greife immer wieder Themen auf, von denen sie vermuteten, dass sie damit an nicht-extremistische Teile der Gesellschaft andocken können, warnten Beuth und Neumann.
Das LfV beobachte etwa, dass verstärkt Umweltschutzthemen aufgegriffen würden. Linksextremisten versuchten dabei, gezielt Einfluss auf friedliche Bewegungen zu nehmen, erläuterte Neumann. Es gehe ihnen aber nicht allein um den „Kampf gegen Rechts“ oder für den Klimaschutz, sondern letztlich um die „revolutionäre Überwindung des Staates, an dessen Stelle je nach Ideologie eine sozialistische, kommunistische oder anarchistische Gesellschaft treten soll“.
Verstärkte Spionageaktivität aus dem Auslans
Das Personenpotenzial sogenannter radikaler „Islamisten“ und Salafisten hat in Hessen im vergangenen Jahr weiter abgenommen und beziffert sich laut Verfassungsschutzbericht auf nun 3.865. Die Gefahr, dass sich insbesondere isoliert handelnde Personen von der Propagandamaschinerie terroristischer Gruppierungen „zu Gewalttaten inspirieren lassen, ist aber nach wie vor gegeben“, warnte die Sicherheitsbehörde. Als Personenpotenzial bezeichnen Verfassungsschützer die Menge all jener Menschen, die einem extremistischen Phänomenbereich zugerechnet wird. Dazu zählen unter anderem Funktionäre, Mitglieder oder Aktivisten.
Seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine werde eine verstärkte Spionageaktivität staatlicher Akteure aus dem Ausland registriert, sagte Neumann. Da Deutschland in vielen Bereichen der Forschung und Wirtschaft zur Weltspitze zähle, wecke dies Begehrlichkeiten. Die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden zeigten zudem, „dass das russische Regime vermehrt Mittel der hybriden Kriegsführung wie Spionage- und Cyberoperationen sowie Desinformation einsetzt“, erläuterte Beuth. Dies ziele darauf ab, die Gesellschaft zu spalten, Einfluss auf die demokratische Willensbildung zu nehmen und Deutschland von seiner Unterstützung der Ukraine abzubringen. (dpa/mig)
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