Right Livelihood Award
Alternative Nobelpreise für Retter von Menschen und Ökosystemen
Sie retten Geflüchtete auf dem Mittelmeer, kämpfen für das Recht von Frauen auf eine sichere Abtreibung sowie für die Umwelt in Kambodscha und in Kenia: Die diesjährigen Alternativen Nobelpreisträger erleben dabei oft immenses Leid und Gegenwind. Nun werden sie ausgezeichnet.
Von Steffen Trumpf Donnerstag, 28.09.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 28.09.2023, 12:53 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Für ihren Einsatz für Geflüchtete auf dem Mittelmeer wird die europäische Hilfsorganisation SOS Méditerranée mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Außerdem zählen die Frauenrechtsaktivistin Eunice Brookman-Amissah aus Ghana, die Umweltschützerin Phyllis Omido aus Kenia und die kambodschanische Umweltaktivistengruppe Mother Nature Cambodia zu den diesjährigen Preisträgern des renommierten Right Livelihood Awards. Das gab die Right-Livelihood-Stiftung am Donnerstag in Stockholm bekannt.
Die vier Preisträger seien Zeugen unsäglichen Leids und setzten sich dafür ein, Leben zu retten, die Natur zu bewahren sowie die Würde und Existenzgrundlagen von Menschen in aller Welt zu schützen, erklärte die Stiftung. Sie kämpften allesamt für das Recht aller Menschen auf Gesundheit, Sicherheit, eine saubere Umwelt und Demokratie, sagte Stiftungsdirektor Ole von Uexküll. Und sie machten sich für Menschen stark, wenn andere deren Leid ignorierten.
Zugleich bewiesen die Preisträger, dass jeder etwas bewegen könne, betonte von Uexküll. „Das ist vielleicht die wichtigste Botschaft in einer Zeit wie dieser: Dass jeder von uns die Macht hat, Veränderungen zu schaffen. Das ist, was wir von den Preisträgern lernen.“
Rückenwind für Seenotretter
Der Right Livelihood Award, der gemeinhin als Alternativer Nobelpreis bekannt ist, wird seit 1980 jeweils kurz vor den Nobelpreisen vergeben. Die Right-Livelihood-Stiftung ehrt damit jährlich mutige Persönlichkeiten und Organisationen, die sich für Menschenrechte, Gerechtigkeit, Umwelt und Frieden einsetzen. Die Auszeichnung steht dabei in kritischer Distanz zu den eigentlichen Nobelpreisen, deren Preisträger ab Montag in Stockholm und Oslo verkündet werden.
Alternativer Nobelpreis: Mit den offiziellen Nobelpreisen hat er nichts zu tun: Der Alternative Nobelpreis heißt eigentlich „Right Livelihood Award“, übersetzt etwa „Preis für die richtige Lebensweise“. Er wurde 1980 von dem deutsch-schwedischen Philatelisten und Publizisten Jakob von Uexküll ins Leben gerufen. Uexküll wollte in den 1970er-Jahren erreichen, dass zwei weitere offizielle Nobelpreise für die Bekämpfung der Armut und den Schutz der Umwelt vergeben werden. Aber die von Alfred Nobel (1833-1896) initiierte Stiftung lehnte das ab. Daraufhin stiftete Uexküll einen eigenen Preis und gründete eine gleichnamige Stiftung mit Sitz in Stockholm. Seine Auszeichnung geht praktisch nie an mächtige Staatsmänner, sondern zeichnet zumeist Helden des Alltags aus: Menschenrechtler, Umweltschützer, Friedensaktivisten, Frauenrechtlerinnen oder Streiter für die Rechte von Minderheiten.
Dass SOS Méditerranée diesmal unter den Ausgewählten ist, könnte der zivilen Seenotrettung von Schutzsuchenden auf ihrem Weg von Afrika nach Europa neuen Rückenwind verleihen. Die Organisation, die Büros in Genf, Berlin, Marseille und Mailand hat, wird explizit für ihre lebensrettenden Such- und Rettungseinsätze auf dem Mittelmeer ausgezeichnet, der nach Stiftungsangaben tödlichsten Migrationsroute der Welt. „Der unerschütterliche Einsatz der Organisation rettet nicht nur Leben, sondern erinnert die Öffentlichkeit sowie europäische Institutionen und nationale Regierungen immer wieder an die humanitäre Krise auf dem Mittelmeer“, erklärte die Stiftung.
Ärztin aus Ghana und Mother Nature Cambodia
Die Ghanaerin Eunice Brookman-Amissah und die Organisation Mother Nature Cambodia sind die ersten Preisträgerinnen aus ihren Ländern überhaupt. Brookman-Amissah ist eine Ärztin und Aktivistin, die sich seit Jahrzehnten dafür stark macht, Afrikanerinnen sichere Schwangerschaftsabbrüche zu ermöglichen. Mit ihrem Einsatz hat sie gesellschaftliche Debatten angestoßen und den Weg für liberale Abtreibungsgesetze in mehreren afrikanischen Ländern geebnet.
Die Organisation Mother Nature Cambodia steht in einer ganz anderen Weltregion für ihre Sache ein. Trotz sehr begrenztem Handlungsspielraum im autokratisch regierten Kambodscha kämpfen die jungen Aktivisten zusammen mit Lokalgemeinschaften für die Umwelt und sichere Lebensgrundlagen der Menschen – unerschrocken und mit Erfolg, wie Right Livelihood betonte. Unter anderem mit Hilfe sozialer Medien habe die Gruppe maßgeblich zur Aufdeckung und Beendigung von Umweltverstößen beigetragen. Sie sei somit zu „einem Leuchtturm der Hoffnung für künftige Generationen geworden“.
Der Right Livelihood Award
Auch Phyllis Omido setzt sich in ihrer Heimatregion an vorderster Front für den Umweltschutz und die Gesundheit ihrer Mitmenschen ein. Selbst von Vergiftungen durch Blei betroffen, kämpfte die Kenianerin erfolgreich für eine Stärkung des Umweltrechts und für die Schließung giftiger Industrieanlagen.
Der Right Livelihood Award ist mit lebenslanger Unterstützung für die Arbeit der Preisträger verbunden. Die Auszeichnungen werden am 29. November feierlich in Stockholm überreicht. 194 Preisträger – Personen und Organisationen – aus 76 Ländern gab es bisher, darunter der kongolesische Arzt Denis Mukwege, der US-Whistleblower Edward Snowden oder die afghanische Frauenrechtlerin Sima Samar. Im vergangenen Jahr wurden die Somalierinnen Fartuun Adan und Ilwad Elman ausgezeichnet, sowie Oleksandra Matwijtschuk und das Zentrum für Bürgerliche Freiheiten (CCL) aus der Ukraine, die Initiative Cecosesola für soziale Gerechtigkeit aus Venezuela und die ugandische Organisation AFIEGO, die gegen Landraub und Umweltzerstörung kämpft. Die Auszeichnung ist mit einer Million Schwedischer Kronen (rund 86.000 Euro) für jeden der Preisträger dotiert. (dpa/epd/mig) Aktuell Panorama
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