Asyldebatte
Mehr Sachleistungen für Asylbewerber? Städtetag und Landkreise skeptisch
Immer wieder fordern Politiker, dass Asylbewerber mehr Sach- statt Geldleistungen erhalten sollen. Doch ist das praktikabel? Umsetzen müssten das die Kommunen. Und die sind bei dem Thema eher zurückhaltend. Auch der Städtetag hat einen Einwand.
Sonntag, 15.10.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 15.10.2023, 14:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Städtetag warnt in der Debatte um Sachleistungen statt Bargeld für Asylbewerber vor hohem Aufwand. „Schon heute ist es rechtlich möglich, Sach- statt Geldleistungen an Asylbewerberinnen und Asylbewerber auszugeben. Dass das kaum eine Kommune so praktiziert, hängt mit dem hohen Verwaltungsaufwand zusammen“, sagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Verbands, Verena Göppert, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Es wäre eine „riesige logistische Herausforderung für die Städte“, viele dezentrale Einrichtungen regelmäßig mit Lebensmitteln, Kleidung und anderen Artikeln des täglichen Bedarfs zu versorgen. „Zwar ist eine Geldkarte oder Guthabenkarte, die aktuell in der Diskussion ist, im Vergleich zu den Sachleistungen einfacher zu handhaben, aber auch eine Kartenlösung wäre nicht ohne zusätzlichen Aufwand für die Städte machbar“, erklärte Göppert weiter. Es werde immer wieder einzelne Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geben, die nicht über solche Karten abgewickelt werden könnten. „Dafür müssten dann doch wieder jeweils Einzelfallbewilligung mit Geldleistungen organisiert werden.“
Eine Umfrage in Kommunen bestätigt Göpperts Einschätzung. Sachsen-Anhalts Landkreise beispielsweise verfolgen aktuell mehrheitlich keine Pläne, Geldzahlungen an Asylbewerber auf Sachleistungen umzustellen, wie eine Umfrage unter den Kommunen ergab. Es gebe „keine Modelle, wie solch ein Bezug von Sachleistungen in der Praxis abgebildet werden könnte, ohne wesentliche Mehrarbeit entweder bei uns oder bei zum Beispiel kooperierenden Einzelhändlern zu erzeugen“, sagt der Wittenberger Landrat Christian Tylsch (CDU).
Prepaid-Bezahlkarte in der Diskussion
Mehr Kosten und mehr Arbeit für die Verwaltungen führen auch andere Kommunen als Gründe an, die gegen eine Umstellung auf Sachleistungen sprechen. Sachleistungen seien viel aufwendiger als Barzahlungen, teilte etwa die Landeshauptstadt Magdeburg mit.
In der Diskussion war zuletzt eine Art Prepaid-Bezahlkarte für die Geflüchteten. Auf Anfrage erklärten unter anderem der Altmarkkreis Salzwedel, der Landkreis Harz, der Landkreis Börde und die Stadt Dessau-Roßlau, dass es aktuell keine entsprechenden Pläne gibt. „Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorgesehen, auf ein Sachleistungssystem oder Prepaid-Bezahlkarten umzustellen“, teilte auch der Landkreis Stendal mit. Die Auszahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erfolgten „mittels Kassenautomaten in bar“.
„Kreiseigene Lösungen lebensfremd“
Im Salzlandkreis kann man sich grundsätzlich vorstellen, Asylbewerbern künftig Sach- statt Geldleistungen über eine Regionalkarte zukommen zu lassen. „Allerdings müssen dafür die Rahmenbedingungen geändert und die Voraussetzungen geschaffen werden“, sagte ein Sprecher. Notwendig sei eine landesweit einheitliche Lösung. „Kreiseigene Lösungen wären lebensfremd.“
Schon jetzt gibt es eine Sachleistung, die relativ häufig genutzt wird: die Unterbringung in kommunalen Unterkünften. Der Landkreis Mansfeld-Südharz, der Saalekreis und der Burgenlandkreis teilten darüber hinaus mit, weitere Aspekte zu prüfen.
Im Burgenlandkreis wurde in den vergangenen Jahren zum Beispiel mit Gutscheinen gearbeitet. Jedoch sei der Verwaltungsaufwand derart hoch gewesen, dass man wieder auf die Auszahlung von Geldleistungen umgestellt habe, hieß es.
Politiker fordern Sachleistungen
Ungeachtet der Erfahrungen in den Kommunen hatte sich Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) offen dafür gezeigt, Geldzahlungen an Asylbewerber stärker auf Sachleistungen umzustellen. Eine bundesweit greifende Bezahlkarte sei eine Option, die im Bundestag diskutiert werden sollte, so Haseloff. Dabei könne man auch rechtliche Aspekte wie zum Beispiel ein Taschengeld berücksichtigen.
Zuvor hatte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr die Länder aufgefordert, bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 6. November den Weg für Prepaid-Bezahlkarten für Asylbewerber freizumachen. „Die irreguläre [sic!] Migration muss runter – dafür müssen Bargeldauszahlungen zügig gestoppt werden“, hatte Dürr dem Boulevardblatt „Bild“ gesagt. Nordrhein-Westfalen wiederum hat zuletzt eine Absage an Bezahlkarten erteilt – Begründung: Menschenwürde. (dpa/mig) Aktuell Politik
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