„Chor der Rechten“
Debatte um Scholz‘ Bekenntnis zu Abschiebungen
Der Bundeskanzler will mehr abgelehnte Asylbewerber abschieben - das hat er in einem Interview ungewöhnlich deutlich gesagt. In der eigenen Koalition finden das manche gut, andere überhaupt nicht. Auch im Netz erntet Scholz Kritik und Lob – Letzteres in rechtsextremen Kreisen.
Sonntag, 22.10.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 23.10.2023, 7:50 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Das deutliche Bekenntnis von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu mehr Abschiebungen ist auf Zustimmung, aber auch auf scharfe Kritik gestoßen. „Statt in den Chor der Rechten einzustimmen, sollte der Kanzler dafür sorgen, dass es mehr bezahlbare Wohnungen gibt, deutlich mehr Geld für die Kommunen und dass die Arbeitsverbote endlich abgeschafft werden“, schrieb die Linken-Vorsitzende Janine Wissler auf der Plattform X. „Das alles gerne im großen Stil.“
Der Kanzler hatte im „Spiegel“ einen deutlich entschlosseneren Kurs in der Asylpolitik angekündigt und gesagt: „Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.“ Wer sich nicht auf Schutzgründe berufen könne und keine Bleibeperspektive habe, müsse gehen. „Wir müssen mehr und schneller abschieben.“
Kritik und Zustimmung
Auch aus den eigenen Reihen der Ampel-Koalition kam Kritik. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin schrieb auf X: „30 Jahre nach 1993 sollten wir doch gelernt haben, dass Abschotten, Abschrecken, Abschieben keine Migrationspolitik ist, sondern ein Konjunkturprogramm für Rassismus und Rechtsradikale.“
Wolfgang Kubicki, stellvertretender Parteivorsitzender beim Ampel-Partner FDP, wies die Kritik zurück. Wenn Trittin dem Kanzler vorwerfe, dessen Überlegungen zur Bewältigung der Migrationskrise würden Rassisten und Rechtsradikalen Vorschub leisten, sei das „nur noch unanständig“, sagte Kubicki der Deutschen Presse-Agentur.
„Ich rate den Grünen, ihr Blatt nicht zu überreizen und aufzuhören, den Kanzler in die Schmuddelecke zu stellen. Schließlich sind es die Grünen selbst, die mit ihrer weltfremden Position in der Migrationspolitik gegen die Mehrheit der Menschen im Land Tatsachen schaffen wollen“, sagte Kubicki.
Lob in rechten Kreisen
Das Interview löste auch in Fachkreisen Reaktionen aus. Der Historiker Jürgen Zimmerer zeigte auf X das aktuelle Spiegel-Cover mit dem Bild von Scholz und der Schlagzeile: „Wir müssen im großen Stil abschieben“: „Das Cover ist verheerend, ein Cover der Spaltung, das völkischen Geist atmet. Scholz sollte, ja müsste, das korrigieren. Oder Steinmeier! Sie sind qua Amt Vertreter ALLER Deutschen. Wo ist der kollektive Aufschrei aller, die aus der Geschichte gelernt zu haben, vorgeben?“
Das Spiegel-Cover zieht in sozialen Netzwerken weite Kreise, mal erntet der Kanzler Kritik, mal wird seine Aussage bejubelt – letzteres vor allem in rechtsextremen Kreisen. (dpa/mig) Leitartikel Politik
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