Zelle statt Landtag
AfD-Politiker Halemba festgenommen
Eigentlich soll der neue bayerische Landtag im Mittelpunkt stehen. Doch vor der ersten Sitzung gibt es einen Skandal: Ein per Haftbefehl gesuchter AfD-Mann taucht tagelang unter. Schließlich die Festnahme - und statt Maximilianeum München nun Amtsgericht Würzburg.
Von Angelika Resenhoeft, Christoph Trost und Marco Hadem Montag, 30.10.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 01.11.2023, 11:16 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
„Es war gar nicht so leicht, ihn zu finden“, gibt Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach unumwunden zu. Es ist Montag, Tag 5 nach Erlass eines Haftbefehls gegen den bayerischen AfD-Politiker Daniel Halemba. Gegen 8.00 Uhr fassen Polizisten den untergetauchten 22-Jährigen im baden-württembergischen Kirchheim unter Teck, rund zwei Autostunden von seinem Wohnsitz in Würzburg entfernt.
Mittels Fahndungsmaßnahmen wie Handyortung kommen die Beamten dem Studenten auf die Spur. Seit Tagen sucht ihn die Staatsanwaltschaft Würzburg, die seit Wochen wegen Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen gegen Halemba ermittelt. «Am Ende weiß man, wo er ist, und dann wird er natürlich festgenommen», sagt Seebach. Bei wem sich Halemba in Kirchheim unweit von Stuttgart aufhielt, bleibt zunächst unklar.
Verdunkelungsgefahr
Der in Polen geborene und im Norden von Baden-Württemberg aufgewachsene Politiker steht seit Wochen im Fokus. Die Ermittler wollen ihn wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft sehen, weil befürchtet wird, dass er Zeugen beeinflussen oder Beweismittel vernichten könnte. Am Montagabend schließlich entscheidet das Amtsgericht Würzburg allerdings: Halemba kommt nicht in Untersuchungshaft, der Haftbefehl wird unter Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Halemba müsse sich nun einmal wöchentlich an seinem Wohnsitz Würzburg bei der Polizei melden, erklärt Oberstaatsanwalt Seebach die Entscheidung. Zudem sei ihm unter anderem der Kontakt zu Mitgliedern der „Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg“ untersagt, um deren mögliche Beeinflussung zu unterbinden. „Wir beobachten Herrn Halemba genau“, kündigt Seebach an.
Letztes Wort nicht gesprochen
Halemba wird rund drei Wochen zuvor als jüngster Politiker frisch in den bayerischen Landtag gewählt. Der 22-Jährige führt den Würzburger AfD-Kreisverband und war bei der Landtagswahl am 8. Oktober im Stimmkreis Haßberge/Rhön-Grabfeld angetreten. Als einer von vier AfD-Politikern aus Unterfranken sollte er am Montagnachmittag eigentlich bei der konstituierenden Sitzung im Landtag sein – und als Jüngster sogar direkt neben dem Alterspräsidenten sitzen.
Dazu kommt es allerdings nicht, stattdessen wird Halemba einem Ermittlungsrichter vorgeführt. Mit der Entscheidung gegen U-Haft ist das letzte Wort allerdings noch nicht gesprochen – die Staatsanwaltschaft will nach Seebachs Angaben eine Beschwerde prüfen. Dann müsste sich das Landgericht Würzburg mit der Sache befassen.
NSDAP-Kennzeichen und rassistische Schriften
Halemba ist nach eigenen Angaben seit 2021 Mitglied der „Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg“, bei der es im September eine Razzia gab. Laut Staatsanwaltschaft gab es den Verdacht, dass sich im Verbindungshaus der Burschenschaft Gegenstände mit Kennzeichen der Partei der Nationalsozialisten, NSDAP, sowie Aufkleber und Schriften rassistischer Natur befinden könnten.
Die sichergestellten Gegenstände seien mittlerweile fast alle ausgewertet, sagt Oberstaatsanwalt Seebach am Montag. „Die Vorwürfe haben sich für uns erhärtet.“ Die Auswertung von Datenträgern laufe noch.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen vier weitere Mitglieder der in Würzburg ansässigen Studentenverbindung, unter anderem wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Die Verbindung hat sich bislang nicht auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zu den Vorwürfen geäußert. Halemba hatte bisher alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe als falsch zurückgewiesen.
Anwalt legt Beschwerde ein
Der Anwalt des 22-Jährigen vermutet einen Komplott hinter dem Haftbefehl und spricht von „juristischem Humbug“. Im Haftbefehl werde mit „Dreck geschmissen“, es gebe diverse Vorwürfe, „aber das hat alles nichts mit Halemba zu tun“, sagt Rechtsanwalt Dubravko Mandic der Deutschen Presse-Agentur. „Hier haben wir es mit Absurditäten zu tun.“
Mandic sagt, dass Halemba auf der Flucht gewesen sei und er mit ihm darüber gesprochen habe, ob er sich der Polizei stellen sollte. „Wir haben hin und her diskutiert und beraten. Er hätte sich auch gestellt heute. Jetzt kam ihm die Polizei zuvor. Im Ergebnis ist das kein Unterschied.“
Mandic geht im Namen seines Mandanten per Haftbeschwerde gegen den Haftbefehl vor. Zugleich schaltet er den Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein und stellt einen Antrag auf Erlass einer sogenannten einstweiligen Anordnung. Ein Gerichtssprecher in München bestätigt den Eingang des Antrags. Zum Inhalt will er sich nicht äußern, sagt nur, die Antragsgegner seien die Staatsregierung und das Justizministerium. Unklar bleibt zunächst noch, wann über den Antrag entschieden wird.
Immunität erst mit der konstituierenden Sitzung
Mandic will nach eigenen Angaben erreichen, dass die Staatsanwaltschaft Würzburg den Haftbefehl zurückziehen muss. Wenigstens sollte der Haftbefehl für die Dauer der Wahlperiode oder für die Dauer der konstituierenden Sitzung des Landtags inklusive An- und Abreise nicht vollstreckt werden, teilt er mit.
Abgeordnete genießen grundsätzlich Immunität. Diese greift aber erst mit der konstituierenden Sitzung. AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner kritisiert am Montag: „Mit einem herbeikonstruierten Haftgrund wird erheblich und unter fadenscheinigen Gründen in die Rechte der Opposition eingegriffen.“
Wie auch immer der Fall juristisch weitergeht: Der Skandal überschattet die konstituierende Sitzung des neuen Landtags am Nachmittag. Dort sind die Sorgen ohnehin groß, weil die neue AfD-Fraktion nicht nur größer ist, sondern viele ihrer Mitglieder auch deutlich radikaler sind. Jedenfalls eilt vielen der Ruf voraus, dass mit ihnen die AfD-Fraktion weiter nach rechts rückt. Der Fall Halemba hat diese Sorgen nun endgültig auf die Spitze getrieben. (dpa/mig) Aktuell Politik
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