Amadeu Antonio Stiftung
Demokratische Parteien haben Rechtsextremismus nie als Gefahr begriffen
Angesichts hoher Umfragewerte für die AfD ruft die Amadeu Antonio Stiftung zu Widerspruch im privaten Bereich aber auch auf politischer Ebene auf. Im Gespräch erklärt Geschäftsführer Timo Reinfrank, wie es der AfD gelungen ist, andere Parteien vor sich herzutreiben und welche Fehler CDU und FDP machen.
Von Lukas Philippi Dienstag, 09.01.2024, 13:41 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.01.2024, 13:52 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Welches sind Ihres Erachtens die Gründe für die vergleichsweise hohen Zustimmungswerte der AfD?
Timo Reinfrank: In den letzten Jahren ist es der AfD mit ihrem Megathema Migration gelungen, die anderen Parteien vor sich herzutreiben und einen „Kulturkampf“ herbeizuphantasieren – mit der Folge, dass jetzt vollkommen abseitige identitätspolitische Themen wie das Genderverbot oder nach wie vor die vermeintliche Islamisierung des selbst erklärten Abendlands die Tagesordnung beherrschen. Dazu kommt, dass die AfD jedes Mandat, jeden Millimeter politisch errungener Macht nutzt, um das politische System und damit die Demokratie verächtlich zu machen. Das verfängt, insbesondere in Krisenzeiten, erst während der Corona-Pandemie, durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die damit einhergehende viel beschworene Energiekrise, die von der Regierung viel besser als erwartet gehandhabt wurde und zu guter Letzt natürlich auch durch die gestiegene Inflationsrate.
„Die demokratischen Parteien haben den Rechtsextremismus nie wirklich als zentrale Gefahr begriffen.“
Ein weiterer wesentlicher Grund ist die hohe Toleranz gegenüber dem Rechtsextremismus, die in Ostdeutschland stark ausgeprägt ist und die nicht ausreichende Abgrenzung von demokratischen Parteien zur AfD, vorwiegend der CDU und der FDP. Wenn Rechtsextreme nicht geächtet und ausgeschlossen werden, werden sie früher oder später als vermeintlich legitime politische Partner wahrgenommen und das ist brandgefährlich. Die demokratischen Parteien haben zudem den Rechtsextremismus nie wirklich als zentrale Gefahr begriffen, stattdessen haben sie sich untereinander bekämpft. Nicht zuletzt deswegen konnte die AfD das Landratsamt in Sonneberg, das Bürgermeisteramt in Raguhn-Jeßnitz oder das Oberbürgermeisteramt in Pirna gewinnen.
Gleichzeitig konnte die AfD überaus erfolgreich die sozialen Netzwerke nutzen und mit einem eng gestrickten Netz rechtsalternativer Medien eine Art mediale Gegenöffentlichkeit aufbauen, das schlägt sich selbst auf jungen Plattformen wie TikTok nieder, wo die AfD nach wie vor die Partei mit der stärksten Reichweite in Deutschland ist. Die sogenannten Filterblasen sind mittlerweile vielerorts nicht mehr nur im Internet Mainstream.
Immer wieder wird in diesem Zusammenhang und vor den anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg mehr gesellschaftliches Engagement der „stillen Mitte“ zum Erhalt der Demokratie gefordert. Wie könnte dieses konkret aussehen?
„Es ist falsch anzunehmen ’so ein bisschen AfD‘ ließe sich schon aushalten.“
Timo Reinfrank: Es braucht endlich organisierten Widerspruch im Kleinen wie im Großen. Wir können es uns nicht leisten, die Zukunft unserer Demokratie zu verspielen, indem wir uns glaubhaft machen, politische Geländegewinne der AfD beträfen uns nicht. Es ist falsch anzunehmen „so ein bisschen AfD“ ließe sich schon aushalten. Vielerorts spüren demokratisch Engagierte und Minderheiten bereits jetzt ganz konkret die Auswirkungen. Wenn gegen Geflüchtete gehetzt wird, Desinformationen verbreitet werden oder unsere Demokratie verächtlich gemacht wird, ganz egal wo, braucht es unseren Widerspruch. Das kann im Freundes- und Familienkreis losgehen, aber natürlich braucht es auch mehr demokratisches Engagement, ob in demokratischen Parteien oder vor Ort in der Zivilgesellschaft.
Die Zeiten, in denen wir die Privilegien der Demokratie, wie die freie Meinungsäußerung, einfach so als gegeben hinnehmen können, sind leider vorbei. Mein Eindruck ist, dass das in den Berliner Parteizentralen immer noch nicht angekommen ist. Ich habe mich in den letzten Wochen gefreut, dass immer mehr Führungspersonen aus der Wirtschaft dies offensichtlich erkannt haben und ein stärkeres Engagement gegen die AfD fordern.
Die Amadeu Antonio Stiftung engagiert sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus, vor allem in Ostdeutschland, und für den Aufbau einer demokratischen Zivilgesellschaft. Offenbar ist diese Saat nicht aufgegangen. Warum nicht?
Timo Reinfrank: Vielerorts sehen wir durchaus Erfolge, unser Ansatz funktioniert: Wenn man sich zum Beispiel die Bürgermeisterwahl in der thüringischen Kreisstadt Nordhausen anschaut: Ohne ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, das gut organisiert und vernetzt ist, wäre ein AfD Bürgermeister nicht zu verhindern gewesen. Doch das lässt sich natürlich nicht überall in Ostdeutschland eins zu eins so umsetzen, denn dafür mangelt es letztendlich auch uns an Ressourcen.
„Jeder Blick nach rechts, jedes Gesprächsangebot, jede Kooperation demokratischer Parteien, reißt Jahre der politischen Arbeit ein.“
Oftmals fehlt aber auch der politische Wille. Jeder Blick nach rechts, jedes Gesprächsangebot, jede Kooperation demokratischer Parteien – und ja in diesem Fall oftmals der CDU oder der FDP – reißt Jahre der politischen Arbeit ein. Die AfD und damit eine in weiten Teilen rechtsextreme – und damit extrem demokratiegefährdende Partei – darf niemals politischer Partner sein.
Dazu kommt natürlich auch, dass sich mittlerweile in vielen Regionen nicht nur in Ostdeutschland demokratiefeindliche Milieus verhärtet haben, der Algorithmus und damit das Geschäftsmodell der meisten sozialen Netzwerke die demokratische Kultur beschädigt und die Kommunikationspolitik der Ampel-Regierung den demokratiepolitischen Herausforderungen in diesen populistischen Zeiten nicht gerecht wird. (epd/mig) Interview Leitartikel Panorama
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Bezüglich Rechtsextreme war der Deutsche mit wenigen Ausnahmen nie der Leidtragende! Beim Projekt „Duldung von Rechtsextremisten in der deutschen Gesellschaft“ via NPD, DVU, AfD, PRO-NRW, REP, NSU und Co. wurden latent in Deutschland lebende Türken attackiert und ermordet: Mölln, Solingen, Hanau, München, Nürnberg, NSU-Serienmorde, die vielen Bombenanschläge (Nürnberg, Köln-Keupstr. etc.) etc. etc….das zieht sich schon sehr klar und deutlich wie ein roter Faden durch die Jahrzehnte!! Bezüglich der ausgrenzerischen Sichtweise hinsichtlich Türken in der deutschen Gesellschaft und dem Wir-Die Denken waren Deutsche hinsichtlich Rechstextremisten und deren Gewalttaten so gut wie kaum gefährdet, weswegen Deutsche und deutsche Parteien bis heute Rechtsextremisten nicht als Gefahr für sich sehen.