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Containerschiff am Hamburger Hafen (Archiv) © 123rf.com

Schlag gegen Menschenrechte

Deutschland legt Veto gegen EU-Lieferkettengesetz ein

Als Erfolg für Menschenrechte und Umwelt wurde die politische Einigung der EU auf ein Lieferkettengesetz gefeiert. In Deutschland will es nun die FDP nicht mittragen und gefährdet damit das Vorhaben. Arbeitsminister Heil will um das Gesetz kämpfen. Derweil erheben Menschenrechtler schwere Vorwürfe gegen Autobauer – auch gegen deutsche.

Donnerstag, 01.02.2024, 16:17 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 01.02.2024, 16:17 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

In der Bundesregierung gibt es Streit über das geplante EU-Lieferkettengesetz, das Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz verpflichten soll. Am Donnerstag wurde bekannt, dass die FDP das auf EU-Ebene bereits vereinbarte Vorhaben nicht mittragen will. Im Rat der EU habe dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine Nein-Stimme wirke, heißt es in einem an Verbände übermittelten Schreiben von Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann (beide FDP). Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der federführend über die Richtlinie verhandelt hat, will aber noch nicht aufgeben.

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Er empfehle der Bundesregierung „dringend eine Zustimmung zum Richtlinienvorschlag“, sagte Heil der „Augsburger Allgemeinen“. „Wir können und dürfen unsere Augen nicht vor Kinder- und Zwangsarbeit verschließen“, sagte er. Heil bot der FDP „ein Paket für eine Entlastung von unnötiger Bürokratie und faire Wettbewerbsbedingungen“ für die Wirtschaft an. Unter anderem sollen die bislang nach dem deutschen Lieferkettengesetz gültigen Berichtspflichten entfallen.

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In Deutschland gilt bereits seit 2023 ein nationales Lieferkettengesetz. Lange wurde um die Regelung gerungen, die vielen Nichtregierungsorganisationen nicht weit genug geht. Die geplante EU-Richtlinie, die in nationales Gesetz umgesetzt werden müsste, geht teilweise über das deutsche Gesetz hinaus. Sie soll Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro verpflichten, Standards in den Lieferketten sicherzustellen. Das deutsche Gesetz gilt aktuell für rund 3.000 Firmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten, hat aber keine Umsatzgröße definiert. Anders als das deutsche Gesetz soll die EU-Regelung auch die Möglichkeit für zivilrechtliche Haftungen vorsehen.

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Enthaltung Deutschlands gefährdet Liefergesetz

Den FDP-Ministern Lindner und Buschmann geht das zu weit. Aus Kreisen des Justizministeriums hieß es, das geplante Gesetz gehe weit über das hinaus, was für „praxistauglich und zumutbar“ erachtet werde. Die Politiker fürchten um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und nicht zu bewältigende bürokratische Lasten.

Info: Das EU-Lieferkettengesetz soll Unternehmen dazu verpflichten, ihre Lieferketten auf mögliche Verstöße gegen die Menschenrechte sowie auf Schädigungen der Umwelt zu überprüfen und dagegen vorzugehen. Auch müssen Konzerne einen Plan verabschieden, um sicherzustellen, dass ihr Geschäftsmodell mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar ist. In Deutschland gilt bereits seit 2023 ein Lieferkettengesetz. Das EU-Lieferkettengesetz geht aber in Teilen darüber hinaus. So soll das EU-Gesetz etwa bereits für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro gelten. Das deutsche Lieferkettengesetz gilt erst ab 1.000 Beschäftigten, dann aber unabhängig vom Umsatz. Ein weiterer Unterschied ist, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen auf Schadenersatz verklagen können. Menschenrechtler und Umweltschützer begrüßen das EU-Lieferkettengesetz. In der Wirtschaft stößt das Vorhaben auf geteiltes Echo.

EU-Kommission, EU-Parlament und Mitgliedsstaaten hatten sich im Dezember im sogenannten Trilog-Verfahren auf das EU-Lieferkettengesetz geeinigt. Im Regelfall ist die anschließende finale Abstimmung über den Gesetzestext durch die EU-Staaten und das Parlament dann nur noch Formsache. Mit der Enthaltung Deutschlands ist unklar, ob es unter den EU-Ländern noch eine Mehrheit für das Vorhaben geben wird. Die entscheidende Abstimmung der EU-Staaten erfolgt voraussichtlich am 9. Februar.

Grüne empört über: Schlag ins Gesicht

Die EU-Abgeordnete Anna Cavazzini (Grüne) zeigte sich empört über die Haltung der FDP. Seit zwei Jahren habe die Bundesregierung das europäische Lieferkettengesetz mitverhandelt und sich in fast allen zentralen Punkten durchgesetzt, sagte sie. Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken nannte die „FDP-Blockade“ einen Schlag ins Gesicht von Millionen von Menschen, die weltweit unter rücksichtslosen Geschäftspraktiken litten. Die Initiative Lieferkettengesetz, ein Bündnis aus mehr als 140 zivilgesellschaftlichen Organisationen, forderte Bundeskanzler Olaf Scholz dazu auf, seine Richtlinienkompetenz zu nutzen und dem EU-Lieferkettengesetz zuzustimmen.

In der Wirtschaft stößt das Vorhaben auf geteiltes Echo. Große Verbände wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) oder die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) lehnen das Gesetz ab. Sie sprechen aber nicht für alle Unternehmen. Eine Allianz europäischer Konzerne von Aldi über Ikea bis hin zu Unilever oder Hapag-Lloyd begrüßt das Lieferkettengesetz ausdrücklich. Gerade deutsche Unternehmen könnten profitieren, weil sie sich bereits an das deutsche Lieferkettengesetz halten müssen. Ein EU-Gesetz würde einheitliche Regeln für alle schaffen.

Zwangsarbeit in China: Human Rights Watch kritisiert Autobauer

Internationale Autohersteller stehen derweil stark in der Kritik. Sie tun nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zu wenig gegen Zwangsarbeit in der chinesischen Region Xinjiang. „Autofirmen kennen das Ausmaß ihrer Verbindungen zu Zwangsarbeit in Xinjiang in ihren Aluminium-Lieferketten einfach nicht“, sagte HRW-Mitarbeiter Jim Wormington anlässlich eines am Donnerstag veröffentlichten Berichts der Organisation, der sich insbesondere mit Zwangsarbeit in der chinesischen Aluminiumindustrie befasst.

Laut Human Rights Watch liegen glaubwürdige Beweise vor, dass Aluminiumhersteller in Xinjiang an Programmen der chinesischen Regierung beteiligt sind, die Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Gemeinschaften zwingen, Arbeit in Xinjiang und anderen Regionen anzunehmen. Hersteller wie General Motors, Tesla, BYD, Toyota und Volkswagen hätten es versäumt, das Risiko uigurischer Zwangsarbeit in ihren Aluminium-Lieferketten zu minimieren.

Volkswagen teilte mit, seine Verantwortung als Unternehmen im Bereich der Menschenrechte weltweit sehr ernst zu nehmen – auch in China. VW betreibt in einem Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Hersteller Saic selbst ein Werk in Xinjiang. Uiguren, Angehörige anderer Minderheiten und Menschenrechtsorganisationen berichten seit Jahren, dass Hunderttausende Menschen in Xinjiang gegen ihren Willen in Umerziehungslager gesteckt, zum Teil gefoltert und zu Zwangsarbeit gezwungen wurden. Die chinesische Regierung bestreitet diese Vorwürfe. (epd/dpa/mig) Aktuell Politik

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