Shishabars in der Krise
Vom Safe Space zum Lost Place?
Shishabars sind ein Anlaufpunkt für viele junge Menschen. Mit Regulierungen – Tabaksteuer, Zusatzsteuern, Mengenbegrenzung - und dem allgemeinen Rückgang des Rauchens häufen sich die Probleme. Wird aus dem Safe Space ein Lost Place?
Von Lukas Fortkord Montag, 12.02.2024, 15:49 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 12.02.2024, 15:49 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Genüsslich zieht Erkan Temur an der Wasserpfeife vor ihm auf dem Tisch und lacht in die Rauchschwaden hinein. Die gute Laune können ihm auch die sonst so miesen Aussichten nicht nehmen. Temur betreibt seit fünf Jahren eine Shishabar im Frankfurter Nordend – selbst die „harte Corona-Zeit“ haben er und sein Team überstanden. Aber jetzt ist die Lage noch schwieriger. Nach der Covid-19-Pandemie habe es erst so richtig angefangen, sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Es dürfte jetzt im Grunde nicht noch weniger werden, weil dann…“, sagt der 42-Jährige. „Dann kannst du zumachen“, vollendet Temurs Mitarbeiter Abdullah den Satz. Beide ziehen an der Shisha. Dann werde es echt schwierig zu überleben, sind sich beide einig.
Zwölf Mitarbeiter hat Temur. Die Gästezahlen schwanken, mal ist ein Monat gut, mal schlecht. „Das ist ganz verschieden. Das kann ich so pauschal nicht sagen. Aber, dass wir durchgehend 1.000 oder 1.500 Euro Umsatz am Tag haben. Gibt es nicht.“ „Kannst du vergessen“, ergänzt Abdullah. Das sei mal so gewesen, vor Jahren, heute aber unvorstellbar. Was die Bar am Leben halte, sei der Fußball: Bundesliga, Türkischer Fußball, Europäische Wettbewerbe – Temur zeigt alles. „Dafür habe ich im Monat aber fast 900 Euro Kosten nur dafür.“
Viele Gründe für die Schwierigkeiten
Für das langsame Schlittern der Shishabars in die Krise sehen die beiden mehrere Gründe: Die Politik hat im vergangenen Jahr neue Regelungen für Verpackungsgrößen von Shisha-Tabak erlassen. Personal- und Energiekosten würden auch bei der Bar spürbar steigen, erklärt Temur. Und Menschen „sind selbstbewusster geworden, was das Rauchen Zuhause betrifft“, sagt Abdullah. „Den Leuten ist erst dann aufgefallen, wie viel Geld sie eigentlich in einer Bar ausgegeben haben.“ In Deutschland wird rund 25 Prozent des Shishakonsums durch Shishabars bedient, 75 Prozent laufen im Privatbereich ab, sagt Folke Rega, Geschäftsführer des Bundesverbandes Wasserpfeifentabak.
Den Trend zu mehr Heimkonsum sieht auch Bernd Werse vom Centre for Drug Research an der Frankfurter Goethe-Universität. Dazu kommt, dass viele junge Menschen generell weniger Shisha als auch Zigaretten rauchen, sagt Werse. „Was wir da beobachtet haben, ist, dass der die Verbreitung von Shishas und zumindest unter Jugendlichen so niedrig ist wie in den ganzen letzten 16 Jahren nicht.“ 2006 waren es 70 Prozent der 15- bis 18-Jährigen in Frankfurt, die irgendwann mal Shisha ausprobiert haben. Zuletzt waren es laut Werse 34 Prozent. „Also es hat sich im Grunde genommen halbiert.“
Safe Space Shisha-Bar
Für Erkan Temur ist das weniger ein Problem: „Weil mein Publikum ist sowieso nicht ganz jung. Ich habe hier auch einen Gast, der ist 75, der kommt auch nicht mal zum Rauchen her. Die meisten wollen Fußball gucken, essen, sich treffen.“ Shishabars und das Rauchen sind „eigentlich immer eine soziale Angelegenheit“, meint Werse. Wenn es um die Motive für den Shishabar-Besuch gehe, sei das Hervorstechendste die soziale Komponente. Oft werde die Shishabar auch mit einem Safe Space assoziiert, also einem sicheren Ort für Besucher. „Safe Space in dem Sinne von einem Ort, in dem, an dem man willkommen ist und an dem man nicht von einem Türsteher abgewiesen wird“, erklärt Werse. Insbesondere für Menschen mit Migrationshintergrund seien die Bars deshalb oft ein Anlaufpunkt gewesen.
„Also ich denke, das Shisharauchen machen nicht mehr nur die mit Migrationshintergrund“, sagt Temur. „Wir haben ein angenehmes Publikum, kein Stress: Mädels können sitzen, die dürfen nicht angemacht werden. Da passe ich auf und deshalb kommen auch oft Mädels mit Kopftüchern.“ Doch die Herausforderungen sind groß.
Viele Bars könnten schließen
Der Bundesverband Wasserpfeifentabak geht davon aus, dass jede dritte bis vierte Bar in Hessen in diesem Jahr schließen muss. „Hochwertige Shishabars in Hessen werden weniger Schwierigkeiten bekommen als Bars, deren Gäste auf den Geldbeutel achten müssen“, sagt Folke Rega vom Branchenverband. Die gestiegenen Kosten in den vergangenen Jahren würden für viele Läden zum Verhängnis werden. Zusatzsteuern auf Wasserpfeifentabak, Mengenbegrenzung, eine Erhöhung der Tabaksteuer seit 2022 und die erhöhte Mehrwertsteuer für Gastronomie ab Jahresbeginn 2024 würden für viele Läden zum Verhängnis. Auch die zusätzlichen Energie- und Heizkosten und die allgemeinen Preissteigerungen im Einkauf seien oft nicht mehr stemmbar.
So schwarz malt Temur noch nicht. Für ihn ist die Hauptsache, dass seine Gäste eine gute Zeit haben: „Kunde ist hier immer noch König.“ Er zählt auf seine Stammgäste, Temurs Motto: „Komm als Gast und geh als Freund!“ „Und deshalb kommen die Gäste gerne.“ (dpa/mig) Aktuell Feuilleton
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