EU-Lieferkettengesetz
Menschenrecht-Regeln für Unternehmen auf der Kippe
Kinderarbeit, Ausbeutung, Umweltschäden: All dem sollte die europäische Lieferkettenrichtlinie bei Geschäften europäischer Unternehmen im Ausland ein Ende setzen. Doch nach einer Blockade der FDP steht das Vorhaben auf den letzten Metern vor dem Scheitern. Fragen und Antworten zum Vorhaben - und wie es jetzt weitergeht:
Von Marlene Brey und Moritz Elliesen Mittwoch, 14.02.2024, 13:45 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 14.02.2024, 13:45 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Richtlinie soll dafür sorgen, dass europäische Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten im Ausland sicherstellen. So soll etwa verhindert werden, dass es bei Auslandsgeschäften zu Kinderarbeit kommt oder bei der Produktion die Umwelt zerstört wird.
Wo geht die EU-Richtlinie über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus?
Das deutsche Regelwerk gilt für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden. Das EU-Lieferkettengesetz betrifft Unternehmen ab 500 Beschäftigten mit einem globalen Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro im Jahr. In Hochrisikosektoren, dazu zählen Textil- und die Baubranche, Landwirtschaft sowie die Rohstoffgewinnung, sind Betriebe ab 250 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 40 Millionen Euro betroffen.
Hinzu kommt: Während das deutsche Gesetz vor allem auf die Unternehmen und ihre direkten Lieferanten zielt, bezieht die EU-Richtlinie die ganze Lieferkette ein. Auch die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Haftung ist vorgesehen.
Warum hat die FDP einen Rückzieher gemacht?
Zu umständlich, nicht praxistauglich und viele Risiken für Unternehmen: So lassen sich die Argumente der Liberalen zusammenfassen. In einem Schreiben an Wirtschaftsverbände von Anfang Februar kritisierten Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann (beide FDP) etwa die vorgesehene zivilrechtliche Haftungsregelung. Dies bedeute eine „stärkere Belastung im Vergleich zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“.
Die FDP-Minister kritisieren auch, dass durch die EU-Richtlinie mehr Unternehmen von den Vorschriften betroffen wären.
Ist das EU-Lieferkettengesetz jetzt vom Tisch?
Nein, aber die Zeit drängt. Die belgische Ratspräsidentschaft sucht derzeit nach einer tragfähigen Mehrheit im Rat der EU-Staaten. Weil Anfang Juni das EU-Parlament gewählt wird, ist der Zeitdruck enorm. Sollte sich eine Mehrheit abzeichnen, könnte die Richtlinie noch innerhalb der kommenden zwei bis drei Wochen verabschiedet werden. Danach ist es zu spät.
Wie wurde Deutschlands Kurswechsel in der EU aufgenommen?
Nicht gut. Denn EU-Mitgliedsstaaten, EU-Parlament und Kommission hatten sich bereits im Dezember auf das Gesetz geeinigt. Das abschließende Votum in Rat und Parlament ist danach eigentlich nur noch Formsache. Die FDP habe nicht nur Deutschland zu einer Enthaltung gezwungen, sondern auch auf andere Länder Druck ausgeübt, kritisierte etwa die Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, Anna Cavazzini (Grüne).
Hinzu kommt: Es ist nicht der erste Kurswechsel der Liberalen. Bei der Entscheidung über das Verbrenner-Aus hat sich die FDP ähnlich verhalten. Experten fürchten, der europäische Gesetzgebungsprozess könnte Schaden nehmen, weil sich andere Länder ein Vorbild daran nehmen.
Was sagen deutsche Unternehmen zu der Richtlinie?
Große Verbände wie die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sind dagegen. Die EU-Richtlinie sei „weder praxistauglich noch verhältnismäßig“, sagte etwa der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks.
Es gibt jedoch auch Unternehmen, die für das Regelwerk sind. Ein Bündnis mehrerer Unternehmen, darunter Aldi Süd und der Textil-Discounter Kik warnten zuletzt vor einem Scheitern des Vorhabens. Sie befürchten auch, dass dadurch Wettbewerbsnachteile für sie entstünden, weil es in Deutschland bereits ein Lieferkettengesetz gibt. (epd/mig) Aktuell Wirtschaft
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