„AfD-Methoden“
CDU-Landrat will Geflüchtete für 80 Cent pro Stunde arbeiten lassen
Der CDU-Landrat im Saale-Orla-Kreis hatte sich bei der Stichwahl gegen einen AfD-Kandidaten nur mit Unterstützung der Zivilgesellschaft durchgesetzt. Jetzt will der CDU-Politiker Geflüchtete zwangsweise arbeiten lassen. Stundenlohn: 80 Cent; Strafe: 180 Euro. Die Opferberatung kritisiert, er kopiere AfD-Methoden.
Dienstag, 27.02.2024, 14:54 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 28.02.2024, 10:46 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis sollen Asylbewerber zu vier Stunden Arbeit pro Tag verpflichtet werden. Man nutze eine entsprechende Regelung im Asylbewerberleistungsgesetz, wie ein Kreis-Sprecher am Dienstag sagte. Die Geflüchteten sollen vier Stunden pro Tag für 80 Cent Entlohnung pro Stunde einfache Arbeiten erledigen. Weigern sie sich, drohen Geldkürzungen von bis zu 180 Euro im Monat.
Der neue gewählte Landrat Christian Herrgott (CDU) hatte in der ZDF-Talk-Sendung von Markus Lanz vergangene Woche über die Arbeitsverpflichtung gesprochen und als Beispiele etwa Grünschnittarbeiten genannt. Mehrere Medien berichteten über die Pläne, die auf Kritik stoßen. Die Entscheidung des CDU-Landrats stoße all diejenigen vor den Kopf, die dessen Kandidatur in der Stichwahl gegen den Bewerber der AfD unterstützt haben, sagte Franz Zobel von der Opferberatung Ezra am Dienstag in Erfurt. Herrgotts Wahl sei nur möglich geworden, weil er von der Zivilgesellschaft massiv unterstützt worden sei.
Opferberatung: Landrat kopiert AfD-Methoden
Nun kopiere die erste Entscheidung des CDU-Politikers die Methoden der AfD, kritisierte Zobel. Er betreibe damit letztlich eine Politik, die sich gegen die Interessen eines großen Teils derjenigen Menschen wende, die für ihn gestimmt hatten. Bei den Geflüchteten, die in ihren Biografien zu großen Teilen schon Gewalterfahrungen und Diskriminierungen ausgesetzt worden seien, entstehen laut Zobel mit einer solchen staatlich verordneten Arbeitspflicht zusätzliche Belastungen.
Die Thüringer CDU-Landtagsabgeordnete Beate Meißner schrieb bei X: „Apropos, was macht eigentlich dieser erste AfD-Landrat Deutschlands in #Sonneberg ? Nichts als heiße Luft: weder #Bezahlkarte , noch Arbeitsverpflichtung für #Fluechtlinge ! Die einen hetzen, die anderen machen!“ Meißner ist Mitglied des Kreistags im Landkreis Sonneberg in Südthüringen, wo im vergangenen Sommer mit Robert Sesselmann der erste AfD-Landrat Deutschlands gewählt wurde. Nach Angaben des Kreises gibt es dort bisher keine Arbeitspflicht für Asylsuchende. Das Thema soll aber bei einer Kreistagssitzung diese Woche auf der Agenda stehen. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt sagte: „Wir müssen die Botschaft aussenden: Wer in Deutschland die Solidarität der Gemeinschaft erfährt, muss dafür auch etwas zurückgeben.“
Grüne: Herrgott bedient rechtes Narrativ
Thüringens Integrationsministerin Doreen Denstädt (Grüne) kritisierte Herrgotts Politik scharf: „Herr Herrgott macht genau das, was rechte Gruppierungen zurzeit versuchen: Er bedient das falsche Narrativ von den arbeitsscheuen Geflüchteten“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Dabei sei bekannt, dass die meisten Flüchtlinge arbeiten wollten, aber noch immer an Arbeitsverboten und zu großer Bürokratie scheiterten. „Das ist nicht nur schäbig. Herr Herrgott gießt so auch Öl in ein Feuer, das die demokratischen Kräfte gerade auszutreten versuchen.“
Nach Angaben des Kreissprechers soll die Arbeit zunächst an Geflüchtete verteilt werden, die freiwillig dazu bereit sind. Arbeit gebe es unter anderem in den Unterkünften selbst – etwa Reinigung, Hilfsarbeiten bei Reparaturen oder Pflegearbeiten im Außenbereich. Auch Kommunen und Vereine seien kontaktiert und ermutigt worden, „Arbeitsgelegenheiten zu schaffen oder anzufragen“, sagte der Sprecher. Wichtig sei, dass diese Arbeitsgelegenheiten keine regulären Arbeitsplätze gefährdeten.
Maßnahme soll Akzeptanz von Geflüchteten fördern
Herrgott erklärte auf Anfrage, die Entscheidung zur Einführung einer Arbeitspflicht habe der Kreistag bereits im September 2023 und damit lange vor seiner Wahl zum Landrat getroffen. Dem Antrag der Union hatten damals auch Kreistagsmitglieder von SPD und Grünen zugestimmt. Im Asylbewerberleistungsgesetz heißt es im Paragraf fünf: „Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet.“
„Die Geflüchteten sollen selbst davon profitieren, dass sie eine sinnstiftende Tätigkeit haben, die ihnen den Alltag strukturiert“, sagte der Kreissprecher. Zudem könne die Arbeit sprachliche Kompetenzen fördern. Möglicherweise bereite sie das auch für den regulären Arbeitsmarkt vor. Die Maßnahmen sollen aber auch zu mehr Akzeptanz in der Gesellschaft führen. „Es ist mit einem gewissen Verwaltungsaufwand verbunden, das kann man nicht leugnen. Allerdings denken wir, dass es sich zu einem gewissen Grad gut handeln lässt“, sagte der Sprecher. Die Idee, Geflüchtete zur Arbeit zu verpflichten, ist nicht neu. Bereits im Sommer 2023 hatten Landräte im Südwesten entsprechende Forderungen gestellt. (dpa/epd/mig) Aktuell Politik
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