Hamburg-Monitor
Respektlosigkeit beim Amt für Migration kein Einzelfall
Wenn Geflüchtete auf Behörden treffen, wird es oft kompliziert. Von einer Willkommenskultur sind die Amtsstuben oft noch weit entfernt. Besonders oft beschweren sich Menschen in Hamburg über das Amt für Migration. Respektloses Verhalten ist dort kein Einzelfall.
Donnerstag, 07.03.2024, 12:39 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.03.2024, 13:33 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
„Welcome Point“ steht in großen weißen Buchstaben auf blauem Hintergrund am Eingang des Amts für Migration in Hamburg. Das Amt steht einer Untersuchung der Wohlfahrtsverbände zufolge jedoch ganz oben auf der Beschwerdeliste von Antragstellern. Für den bundesweit erstmals vorgelegten Monitor Verwaltungshandeln der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Hamburg (AGFW) wurden zwischen dem 11. Oktober 2023 und dem 31. Januar dieses Jahres 566 Meldungen mit 1948 Problemanzeigen gesammelt, wie Dirk Hauer vom Diakonischen Werk Hamburg sagte. Allein in Bezug auf das Amt für Migration habe es 958 Problemanzeigen gegeben, bei den Jobcentern seien es 761 gewesen. Hauer sagte, die Untersuchung sei zwar nicht repräsentativ, weise aber deutlich auf strukturelle Probleme hin.
Als größte Schwierigkeit – bei 41 Prozent aller Anzeigen – wurde der Umgang der Behörden mit Unterlagen genannt. Bereits eingereichte Unterlagen werden der Untersuchung zufolge teils mehrfach erneut angefordert, dafür werden persönlich abgegebene Unterlagen nicht angenommen oder Eingangstempel nicht erteilt. Auch klagten Antragsteller oft über fehlende Rückmeldungen. Auf Platz zwei der Beschwerdeliste liege mit 27 Prozent die Erreichbarkeit der Behörden – und zwar trotz vorher vereinbarter Termine. Das dritte große Problem wiederum sei die lange Bearbeitungszeit bei der Auszahlung von Geldleistungen mit fast 20 Prozent, sagte Hauer.
Respektloser Umgang mit Antragsstellern
Aber auch respektloser Umgang von Amtsmitarbeitern mit Antragsstellern ist dem Bericht zufolge kein Einzelfall. Besonders oft sind in diesem Bereich Beschwerden über das Amt für Migration eingegangen. Ausgewertet wurden für den Bericht ausschließlich Fälle, „die klar ein respektloses Verhalten“ zeigen. Dazu gehören den Angaben zufolge Beleidigungen, Stigmatisierungen und Diffamierungen. Ein unfreundlicher Umgangston sei im Monitor gar nicht erfasst.
So habe in einem Fall eine Sachbearbeiterin eine, Ratsuchenden unterstellt, das „Sozialsystem unterwandern zu wollen und sowieso nicht bereit wäre, zu arbeiten“. Dabei habe die Ratsuchende keine Arbeitserlaubnis. In einem anderen Fall habe die Auszahlungsstelle Altona den Klienten ihre Leistungen verwehrt, wenn sie nicht an einem ‚Zahltag‘ auftauchten, der angeblich in den Unterkünften aushängen soll. Dabei seien Zahltage längst abgeschafft worden. Wie aus dem Monitor außerdem hervorgeht, werden schwangere Frauen werden hin- und hergeschickt, sie sollten mit ihrem „Sozial“ sprechen.
„Ja, genau sie werden jetzt verschleppt!“
Ein weiterer Fall aus Oktober 2023 wird im Monitor wie folgt zusammengefasst: „Amt für Migration in der Schlange. Es wurden 10 Leute abgezählt, die vom Security-Dienst über das Gelände mitgenommen werden sollten zu den Sprechzimmern. Der Security-Mitarbeiter belächelte die Wartenden, die nicht ganz verstanden haben, was nun passiert und sagte ‚Ja, genau sie werden jetzt verschleppt!‘ Auf Ansprache, dass diese Aussage alles andere als angebracht sei, entgegnete der Security-Mitarbeitende, dass ‚die‘ das doch eh alle nicht verstehen.“
Die stellvertretende AGFW-Geschäftsführerin Sandra Berkling sagte, vor allem bei den existenzsichernden Leistungen müsse die Bearbeitungszeit deutlich besser werden. „Da zählt manchmal jeder Tag.“ Gerade dort wünsche sie sich ein unbürokratisches Vorgehen, „dass Bescheide vielleicht auch mal unter Vorbehalt erstellt werden“. Andernfalls stünden Antragstellende teils völlig mittellos da. Zudem sollte das Fehlen einzelner Dokumente nicht dazu führen, dass der gesamte Vorgang zum Erliegen komme.
Wartezeiten von mehr als vier Stunden
Ein weiteres Problem ist die Erreichbarkeit. Weit mehr als die Hälfte (58 Prozent) aller Beschwerden wurden an das Amt für Migration adressiert. In 42 Prozent der Fälle war das Amt während der telefonischen Sprechstunde nicht erreichbar, in 35 Prozent der Fälle war keine Vorsprache in der persönlichen Sprechstunde möglich. Die Wartezeit vor Ort betrug in 19 Prozent der Fälle über vier Stunden.
„Wir fordern, dass die Behörden erreichbar sind“, sagte Berkling. Es müsse persönliche Ansprechpartner geben, nicht nur Hotlines oder Funktionspostfächer. Mindestens müsse es zumindest für die Beratungsstellen direkte Zugänge zu den Behörden geben. Generell wünsche sie sich auch ein Umdenken in den Behörden. Es könne ja nicht sein, dass Antragstellende oft nur mithilfe von Beratungsstellen zu ihrem Recht kämen. Berkling schwebt dabei in allen Behörden eine zentrale Anlaufstelle vor, „wo es Menschen gibt, die Auskunft geben können, die erklären können, was zu tun ist, wie ein Antrag ausgefüllt werden soll, die diese Anträge auch entgegennehmen und Unterlagen ausgeben“. (dpa/mig) Leitartikel Panorama
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