Niedersachsen
Staatsschutz ermittelt nach Anschlag auf Synagoge „unter Hochdruck“
Nach einem Brandanschlag auf eine Synagoge in Oldenburg ermittelt der Staatsschutz. Die Stadtgesellschaft solidarisiert sich mit der Gemeinde – auch aus der Bundespolitik kommen zahlreiche Reaktionen. Wuppertaler Moschee wartet weiter auf Aufklärung.
Sonntag, 07.04.2024, 15:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 07.04.2024, 15:26 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Nach dem Brandanschlag auf die Synagoge in Oldenburg will die Polizei „unter Hochdruck“ den Fall aufklären. Es sei eine Ermittlungsgruppe unter Leitung des polizeilichen Staatsschutzes eingerichtet worden, teilte die Polizei am Samstag mit. Auch die Staatsanwaltschaft Oldenburg sei umgehend eingebunden worden. „Die Ermittlungsgruppe führt die intensiven kriminalpolizeilichen Ermittlungen unter Hochdruck“, hieß es. Bislang gebe es aber keine Erkenntnisse zur Person des Täters oder der Täter. Am Freitagmittag hatten Unbekannte einen Brandsatz gegen eine Tür der Synagoge geworfen.
Zu den Hintergründen der Tat oder der Motivation war laut Polizei zunächst nichts bekannt. Es werde in alle Richtungen ermittelt. Die Sicherheitsmaßnahmen für die jüdische Gemeinde zu Oldenburg wurden den Angaben zufolge verstärkt. Unter anderem wurde eine dauerhafte Polizeipräsenz eingerichtet. Nach wie vor sucht die Polizei nach Zeugen des Anschlags.
Solidarität nach Anschlag
Bei dem Anschlag war niemand verletzt worden, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg, Michael Stahl, bereits am Freitagnachmittag. Die Gemeinde sei erschrocken, dass es auch in Oldenburg Menschen gebe, die ihren Hass in dieser Form von Gewalt und Straftaten ausleben. „Aber wir werden uns nicht in unserem Weg beeinträchtigen lassen durch dieses Vorgehen“, sagte Stahl. „Wir werden unsere Gottesdienste, unsere Veranstaltungen weiterhin wie geplant durchführen, an diesem Wochenende und auch an den kommenden Wochenenden, da werden wir nicht von abweichen.“ Die Gemeinde wolle sichtbar bleiben in Oldenburg.
Am Sonntag zeigten sich Hunderte Menschen bei einer Kundgebung solidarisch mit der jüdischen Gemeinde. Das Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus Oldenburg hatte zu einer Demonstration auf dem Julius-Mosen-Platz in der Innenstadt aufgerufen – nur wenige Hundert Meter von der Synagoge entfernt. Unter den Teilnehmern waren auch Gemeindemitglieder und Vertreter der Stadt. Die Demonstranten zeigten Plakate gegen Antisemitismus und Israelflaggen.
Mehr antisemitische Taten seit Gaza-Krieg
Rund 400 Teilnehmer versammelten sich nach Angaben eines Polizeisprechers auf dem Platz, bevor die Demonstration durch die Innenstadt zog. Das Bündnis hatte für die angemeldete Kundgebung zwischen 300 und 500 Menschen erwartet. Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde zu Oldenburg, Claire Schaub-Moore, dankte in einer Rede für die große Unterstützung, die die Gemeinde nach dem Anschlag erfahren habe. „Wir sind schwer beeindruckt von dieser Solidarität“, sagte sie. „Wir spüren diese Stärke und die ist viel größer als das, was vor unserer Tür passiert ist, vor der Synagogen-Tür.“
Schon am Freitagabend hatte es eine Mahnwache vor der Synagoge gegeben. Seit der Gewalteskalation im Gazastreifen sei die Gefahrensituation für Juden massiv angestiegen, hieß es in dem Aufruf. Antisemitische Straftaten hätten Rekordzahlen erreicht. „Ein Höhepunkt der Angriffe ist nun der Brandanschlag auf die Synagoge unserer Stadt“, erklärte die Sprecherin des Bündnisses, Johanna Faber, in der Einladung. „Es braucht jetzt eine starke Zivilgesellschaft, die diese Tat verurteilt, sich mit der jüdischen Gemeinde solidarisiert und sich stark macht gegen Antisemitismus.“
Zentralrat: „Zuspruch der Stadtgesellschaft tut gut“
Der Zentralrat der Juden würdigte die Reaktionen in Oldenburg. „Der Zuspruch aus der Stadtgesellschaft tut gut“, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster. „Das schnelle Handeln der Sicherheitsbehörden ist ein wichtiges Zeichen, für das wir dankbar sind.“ Schuster betonte, alles deute auf eine antisemitische Motivation hin. Er fügte hinzu: „Wir werden uns nicht unterkriegen lassen. Jüdisches Leben gehört zu unserem Land, zu Deutschland. Wer das nicht wahrhaben will, muss alle rechtlichen Konsequenzen für sein Handeln tragen.“ Er hoffe, dass die Hintergründe rasch aufgeklärt würden.
Der Anschlag hatte bundesweite Reaktionen ausgelöst. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte sich noch am Freitagabend auf der Plattform X (früher Twitter) geäußert. „Dieser Brandanschlag ist ein widerwärtiger, menschenverachtender Angriff auf Jüdinnen und Juden in Oldenburg. Meine Gedanken und meine Solidarität sind bei der jüdischen Gemeinde“, schrieb die SPD-Politikerin. Der oder die Täter müssten ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden.
Innenminister fordert schnelle Aufklärung
Auch Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hatte eine schnelle und konsequente Aufklärung der Tat gefordert. Die Sicherheitsbehörden würden alles dafür tun, den oder die Täter zu ermitteln. Der Rechtsstaat werde klare Kante zeigen. Die Tat mache sie betroffen. „Brandanschläge auf Synagogen sind für mich absolut verwerflich und unsäglich“, hatte Behrens am Freitag gesagt.
Er hoffe, „dass die Schuldigen schnellstmöglich ermittelt werden können“, sagte der evangelische Bischof von Oldenburg, Thomas Adomeit. „Dieser niederträchtige und menschenverachtende Anschlag zeigt leider erneut, dass wir das Übel des Antisemitismus in unserer Gesellschaft nicht überwunden haben“, so der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg und Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen.
Kultusministerin: „feiger Anschlag“
Auch Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) sprach von einem „feigen Angriff“ und bezeichnete den Kampf gegen Antisemitismus als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Oldenburgs Oberbürgermeister Jürgen Krogmann betonte seine Solidarität mit der jüdischen Gemeinde. „Angriffe auf Synagogen sind Angriffe auf uns alle“, machte der SPD-Politiker deutlich. „Wir werden nicht hinnehmen, dass in unserer Stadt eine jüdische Einrichtung zum Ziel eines Anschlagversuchs geworden ist.“
Bei dem Anschlag wurde nur die Tür der Synagoge beschädigt. Ein Hausmeister-Team eines benachbarten Kulturzentrums entdeckte das Feuer sofort und löschte die Flammen.
„Kleinbrand“ vor Wuppertaler Moschee
Der Fall weckte Erinnerungen an einen Brandanschlag auf eine Wuppertaler Moschee vor zwei Wochen. Ein Unbekannter hatte ebenfalls im Bereich des Gehsteigs einen brennenden Gegenstand abgelegt. Die Polizei sprach dabei von einem „Kleinbrand“. Durch das Feuer waren laut Polizei an der Mauer und dem daran installierten Metalltor „Rußanhaftungen“ entstanden.
Ein Aufschrei war nach dem Anschlag auf die Moschee allerdings ausgeblieben. Lediglich der Wuppertaler SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh sprach von einem „mutmaßlich rassisch motivierten Anschlag“ auf die Moschee. Er erklärte sich solidarisch mit der muslimischen Gemeinde „und den vielen Familien, für die dieser Ort ein Ort der Zuflucht und des Innehaltens ist“.
Wie die Wuppertaler Oberstaatsanwaltschaft inzwischen mitteilte, wurden am Tatort Scherben einer Bierflasche gefunden, die möglicherweise vom Täter stammen. Die Hintergründe der Tat seien jedoch weiter unklar. Maßnahmen zur Sicherung der muslimischen Gemeinde wurden nicht ergriffen. (dpa/epd/mig) Aktuell Panorama
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