Mohrenkopfstraße
Warum Städte manche Straßen umbenennen – oder nicht
Straßen werden oft nach historischen Personen benannt. Mit der Zeit kann eine Wahl heikel werden. Kommunen prüfen dann, ob die Würdigung noch aktuell ist – und schrauben schon mal Schilder ab. In Rheinland-Pfalz wurden nun 900 Straßennamen geprüft. Ein Ergebnis: Mohr sei in Wirklichkeit Moor.
Von Birgit Reichert, Mona Wenisch und Wolfgang Jung Dienstag, 16.04.2024, 15:47 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 16.04.2024, 15:47 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die Dichterfürsten Goethe und Schiller sind unverdächtig. Auch Blumensorten gelten als unbedenklich. Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, orientiert sich an entsprechenden Orten: Bahnhof, Zoo, Park. Wer aber ein Risiko eingehen will, benennt eine Straße nach einer politischen Persönlichkeit – so jedenfalls könnte die Erfahrung vieler Städte auch in Rheinland-Pfalz lauten. Denn ob Reichspräsident Paul von Hindenburg oder weniger bekannte historische Figuren: Immer wieder müssen sich Verwaltungen bei Straßennamen mit Entscheidungen ihrer Vorgänger beschäftigen.
In Trier hat gerade eine Fachkommission alle gut 900 Straßennamen geprüft. Am Dienstag gab es in einem Zwischenbericht eine Empfehlung an die Stadt: Es seien keine weiteren Umbenennungen aufgrund belasteter Historie notwendig. Bei Namen und Personen, die „als historisch kritisch“ zu bewerten seien, werde eine historische Einordnung durch ergänzende Schilder und QR-Codes vorgeschlagen, sagte Kulturdezernent Markus Nöhl (SPD).
„Mohrenkopf“ stehe für schlammiges Gelände
Bei insgesamt 33 Straßennamen solle das flott gehen. Zum Beispiel bei der Mohrenkopfstraße: Die Bezeichnung Mohr stehe hier für schlammiges Gelände und komme eher aus dem Begriff Moor. Da es oft zu Missverständnissen komme, solle das transparent gemacht werden, sagt Nöhl. Längerfristig sollten alle Trierer Straßennamen QR-Codes mit hinterlegten Informationen bekommen. Die Stadt habe bereits entschieden, auf der Grundlage der Empfehlungen eine Vorlage zu machen.
Die Fachkommission war von der Stadt Trier im Zuge der Umbenennung der Hindenburgstraße in Gerty-Spies-Straße Anfang 2022 beauftragt worden. Grund der Umbenennung war laut Stadt, dass Hindenburg „ein Steigbügelhalter der Nazi-Diktatur“ gewesen sei. Im vergangenen Jahr wurde der Bischof-Stein-Platz am Trierer Dom wegen der Rolle des Geistlichen im Missbrauchsskandal zum Platz der Menschenwürde.
Historisch belastete Bezeichnungen
Auch Landau will keine Hindenburgstraße mehr und beschäftigt sich ebenfalls mit dem unbeliebten Namen. Dann soll der Hauptausschuss über den Verwaltungsvorschlag entscheiden – bei einer Umfrage kristallisierte sich heraus, dass eine Umbenennung nach dem nahen Zoo gewählt werden soll. Auch die „historisch belasteten“ Kohl-Larsen- und Hans-Stempel-Straße möchte Landau umbenennen.
Mit einem Straßennamen ehrt eine Stadt einen Menschen auf besondere Weise. Manchmal stellt sich aber heraus, dass einige diese Würdigung nicht verdienen. Unter anderem entschied sich die Landeshauptstadt Mainz für Änderungen, so wurden die Agnes-Miegel-Straße, die Poppelreuterstraße und die Pfitznerstraße wegen Verstrickungen ihrer Namensträger in Zeiten des Nationalsozialismus umbenannt.
Anwohner verhindern Umbenennung
Einen Agnes-Miegel-Weg gibt es auch in Ludwigshafen. Anders als in Mainz wandten sich Anwohner aber gegen eine Umbenennung und sprachen sich für eine erläuternde Tafel aus. Auch anderswo im Bundesland waren oder sind belastete Namen ein Thema. In den vergangenen zehn Jahren wurden ebenfalls in Bad Kreuznach, Kaiserslautern, Koblenz und Ludwigshafen Bezeichnungen geändert. Die Städte gingen unterschiedlich vor. Was aber ist der richtige Umgang? Ändern? Oder bewahren und kommentieren?
Zuletzt hatte ein Bürgerentscheid in Bad Dürkheim ergeben, dass dort drei „historisch belastete“ Straßennamen nicht geändert werden – entgegen der Meinung des Stadtrats. Das Gremium sprach sich daraufhin für Zusatzschilder mit dem historischen Hintergrund an der Karl-Räder-Allee, Philipp-Fauth-Straße und Maler-Ernst-Straße aus.
Namen sind Teil der Erinnerungskultur
„Damit bleiben die Straßennamen erhalten und erinnern uns gleichzeitig daran, wie wichtig und schwierig die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus ist“, teilte der damalige Bürgermeister Christoph Glogger (SPD) mit. „Mögen uns die Straßennamen ermutigen, für Demokratie, Toleranz und Frieden einzutreten.“ Wichtig sei, dass sich Städte mit ihren Straßennamen beschäftigten und auf der Grundlage nachvollziehbarer, auf Quellen basierender Untersuchungen ein Urteil bildeten, meinen Experten. Straßennamen, betont der Deutsche Städtetag, seien ein Teil der Erinnerungskultur und Spiegel ihrer Zeit.
In Worms hat es nach Angaben der Stadtverwaltung in jüngerer Zeit keine entsprechenden Änderungen gegeben. In Koblenz wurde in den vergangenen fünf Jahren eine Straße umbenannt: im April 2022 die Danziger Freiheit in Esther-Bejarano-Straße. Damit soll Esther Bejarano geehrt werden, eine Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, die sich etwa gegen Rassismus engagiert habe. Die Prüfung der Straßennamen erfolgte über eine stadtinterne Projektgruppe und war 2020 dem Stadtrat vorgelegt worden.
In Landau geht die Vorlage nach der Beratung am 30. April in den Stadtrat. Nicht auf der Liste stehen dann kuriose Vorschläge, die für die neue Namensfindung über eine Onlineplattform eingegangen waren. Darunter waren etwa Winkelgasse und Ligusterweg – beide bekannt aus Harry-Potter-Büchern. Aber auch der frühere Bundeskanzler Willy Brandt und eine Schorlestraße wurden genannt – und scheiterten. Zahlreiche „Scherzvorschläge“, so die Stadt, seien vernachlässigt worden, weil sie nicht die Bewertungskriterien erfüllen. (dpa/mig) Aktuell Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen