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Schulhof mit Tischtennisplatte (Archiv) © 123rf.com

Burg im Spreewald

Neuer Schulleiter kämpft gegen rechte Ideologien

Ein Jahr nach rechtsextremen Vorfällen an einer Schule im Spreewald kämpft der neu eingesetzte Schulleiter für ein besseres Demokratieverständnis. Ausländerfeindlichkeit sei tief verankert – nicht nur bei Schülern, sondern auch bei Eltern. Die Arbeit ist schwierig.

Von Mittwoch, 17.04.2024, 16:17 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 17.04.2024, 16:17 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

„Einige hatten gehofft, dass jetzt die große Wende kommt“, sagt Markus Mandel.  Es gehe ihnen zu langsam. Der Lehrer kam vor fast acht Monaten als neuer Schulleiter an die Grund- und Oberschule in Burg im Spreewald. Hier im Osten Brandenburgs hatten rechtsextreme Vorfälle für Aufsehen gesorgt.

Die Schule hatte im vergangenen Jahr nach einem zunächst anonymen Brandbrief zweier Lehrkräfte über Monate bundesweit Schlagzeilen gemacht. Die Lehrerin und der Lehrer hatten im April 2023 geschildert, sie seien an der Schule täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert. Laura Nickel und Max Teske berichteten über Hakenkreuze auf Möbeln, rechtsextreme Musik im Unterricht, demokratiefeindliche Parolen in Schulfluren. Dazu herrschte nach Angaben der Lehrkräfte eine „Mauer des Schweigens“. Sie hatten auch von Untätigkeit der Schulleitung gesprochen. Danach wurden die Lehrkräfte angefeindet und verließen schließlich die Schule zum Sommer. Auch die Schulleiterin ging.

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Was Mandel vorfand, war ein tief gespaltenes Lehrerkollegium. Zum Schulstart im September schaute er zunächst, so der Leiter, mit welchen Lehrkräften er arbeiten konnte. Nickel und Teske standen nicht mehr zur Verfügung. Nach ihrem Brandbrief galten die beiden innerhalb des Kollegiums als Nestbeschmutzer und zogen mit dem Weggang ihre Konsequenzen. Der Touristenort, der auch viele internationale Gäste anzieht, war plötzlich gebrandmarkt.

Wunsch nach Ruhe

An diesem Morgen hat ein erstes Café geöffnet, ein regionaler Gemüsestand wartet auf Kunden, am Hafen liegen die berühmten Spreewaldkähne zur Abfahrt bereit. Vor der Schule steigen Schüler aus dem Bus. Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto, Jugendliche schlendern in kleineren Gruppen Richtung Schule. Eine Mutter, die ihren Namen nicht nennen möchte, sagt, man wolle Ruhe haben, überhaupt sei alles von den Medien übertrieben dargestellt worden.

Eine Analyse zeigt etwas anderes: Für eine Studie „Jugend in Brandenburg“ der Universität Potsdam wurden für das Schuljahr 2022/2023 auch Schülerinnen und Schüler aus der Burger Schule befragt. Die Auswertung, die im September 2023 bekannt wurde, zeigte demnach, dass Kinder und Jugendliche mit rechtsextremen Einstellungen dort häufiger vertreten gewesen sind als im Durchschnitt Brandenburgs. Für die Studie waren insgesamt rund  3.000 Schülerinnen und Schüler befragt worden.

Schulleiter sieht verankerten Rassismus

In Burg kennen fast alle Schulleiter Mandel. „Viele Eltern, die ihre Kinder jetzt in der Schule haben, habe ich unterrichtet“, sagt der 63-Jährige. In den 1980er Jahren war er Lehrer und stellvertretender Direktor. Nun ist er auf Anordnung des Bildungsministeriums zurückgekehrt, auch wegen seiner Kompetenz. Geprägt werde eine rechtsextreme Gesinnung meist in den Elternhäusern, durch Freunde oder über soziale Medien, berichtet er. „Was echt verankert ist, ist eine gewisse Ausländerfeindlichkeit, obwohl manche gar keine Kontakte zu Ausländern haben.“

Wie tief diese feindliche Gesinnung verwurzelt ist, zeigt Mandel an einem Beispiel. Auf der Suche nach einem Fußballverein seien zwei kurdische Jungen aus der Schule von anderen Schülern abgelehnt worden. „Die Härte hat mich erschreckt“, sagt der Schulleiter.

Etwa 160 Kilometer entfernt ist der ehemalige Burger Lehrer Max Teske inzwischen froh, Abstand zu den für ihn kräftezehrenden Vorkommnissen im Spreewaldort zu haben. Bei seinem neuen Arbeitgeber in Brandenburg an der Havel fühlt er sich gehört. Die Schulleitung gehe auf die Bedürfnisse der Lehrkräfte ein. Das Kollegium setze sich trotz auch unterschiedlicher Ansichten zu Problemen an einen Tisch, erzählt Teske. In Burg habe es hingegen eine Lagerbildung gegeben. „Wenn Lehrkräfte einen Hitlergruß als dummen Jungenstreich abtun, haben die an einer Schule nichts zu suchen“, sagt er klar.

Forscherin:  Es braucht eine veränderte Debatte

Die Rechtsextremismus-Forscherin Heike Radvan sieht die Aufgabe aller Lehrkräfte wie auch der Leitung darin, sich gegen jede diskriminierende Aussage, gegen Geschichtsrelativierung und politisch rechte Positionen deutlich zu positionieren und das auch zum Lerngegenstand zu machen. Die Schulleitung sei bemüht, einen Prozess auf den Weg zu bringen. Das werde der Schulleiter aber nicht allein schaffen, mahnt die Professorin an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU). Es brauche eine veränderte Debatte an der Schule und in der Region, Unterstützung vom Schulamt, Bildungsministerium, Gemeinwesen, der Zivilgesellschaft.

Mandel versucht, das zerstrittene Lehrerkollegium zu befrieden, den Kontakt zu den Eltern zu halten, mit den Schülern im Gespräch zu bleiben: „Reden ist immer was sehr Positives. Ich lasse Leute nicht von vornherein links liegen, die nicht meiner Meinung sind.“ Inzwischen werde sich zumindest im Lehrerzimmer wieder gegrüßt. Und sonst? Gibt es eine Aufarbeitung der Vorfälle und wie wird Demokratieverständnis vermittelt?

Eltern häufig Hindernis bei Aufklärungsarbeit

Was der Schulleiter beschreibt, ist auch für ihn teilweise schwer zu ertragen. Schülerfahrten ins Konzentrationslager Auschwitz hätten Eltern schon mal als Besuche von Kulissen aus Filmen bezeichnet, erzählt Mandel. „Fragt man bestimmte Eltern, ob die Fahrt dorthin ein Problem für sie sei, bekommt man als Antwort: Nein, kein Problem. Das ist doch alles fake, das sind noch Kulissen aus Schindlers Liste.“ Veranstaltungen mit Aussteigern aus der rechtsextremen Szene hätten nachdenkliche Schüler zurückgelassen, aber auch solche, die die Aussteiger als „Schauspieler“ abgetan hätten.

Zumindest hat es laut Mandel im neuen Schuljahr bislang keine neuen rechtsextremen Vorfälle gegeben. Der Schulleiter berichtet zudem von fünf neuen Lehrkräften, die seit diesem Schuljahr als Seiteneinsteiger das Kollegium verstärken. Ein aus Syrien geflüchteter Lehrer unterrichte Mathematik in der zehnten Klasse. Vom Lehrerkollegium werde er akzeptiert und unterstützt, Vorfälle habe es bisher nicht gegeben.

Schulleiter:  Jugendarbeit wird Rechten überlassen

Mandels Ziel ist es, Schülern, die sich gerade von zu Hause abnabeln und Anschluss suchen, die Augen zu öffnen, wie er sagt. „Es ist der Versuch, dass man vielleicht die Schwankenden rettet.“ Sein Appell an die Politik: „Wir brauchen mehr Sozialarbeit an Schulen und wir brauchen Jugendarbeit am Nachmittag.“ Vor der Schule hat Mandel ein auffälliges Engagement von rechten Kräften beobachtet. Erst kürzlich hätten Vertreter der rechtsextremistischen Kleinstpartei Der Dritte Weg wieder Flugblätter verteilt. (dpa/mig) Leitartikel Panorama

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