Asylverschärfung gegen Rechtsruck
EU will Asylreform schnellstmöglich umsetzen
Nach jahrelangen Verhandlungen bringt die EU ihre umstrittene Reform des EU-Asylsystems auf den Weg. Jetzt soll alles ganz schnell gehen: Bundesregierung und EU-Kommission wollen ihren eigenen Zeitplan schlagen. Ihre Asylpolitik treibt die EU aber auch auf anderen Wege voran.
Montag, 29.04.2024, 16:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 30.04.2024, 7:50 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Im Juni will die EU-Kommission einen Stufenplan für die Implementierung der beschlossenen EU-Asylreform vorlegen. Dies geschehe Monate vor dem eigentlichen Zeitplan, erklärte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Montag zum Start der europäischen Innenministerkonferenz im belgischen Gent. 14 EU-Staaten hätten bereits mit der Implementierung der Reformen begonnen, einige Staaten würden bereits Grenzverfahren durchführen. Die nationalen Pläne zur Umsetzung der Reform müssen die EU-Staaten bis spätestens Januar 2025 vorlegen. Dank der großen Anstrengungen der Mitgliedsstaaten und des EU-Parlaments „reparieren wir jetzt unser kaputtes Asylsystem“, sagte Johansson.
Nach jahrelangen Verhandlungen hatte das EU-Parlament am 10. April die umstrittene Reform des EU-Asylsystems gebilligt. Das Gesetzespaket sieht unter anderem vor, dass Asylsuchende mit geringer Bleibechance schneller und direkt von den EU-Außengrenzen abgeschoben werden. Dahinter stehen die sogenannten Grenzverfahren. Geplant ist außerdem ein Solidaritätsmechanismus zur Verteilung von Schutzsuchenden. Wollen Staaten keine Flüchtlinge aufnehmen, können sie auch finanzielle Hilfe leisten.
Die Mitgliedsstaaten haben nun eigentlich zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln umzusetzen. Aber auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte eine möglichst rasche Umsetzung an. „Für Deutschland kann ich ganz klar sagen: Wir möchten die notwendigen Anpassungen sehr viel schneller vornehmen“, sagte Faeser am Montag am Rande der Innenministerkonferenz. „Das gemeinsame europäische Asylsystem ist der Schlüssel, um Migration zu steuern und endlich zu einer gerechten Verteilung zu kommen. Das wird auch uns in Deutschland und unsere Kommunen in Deutschland entlasten“, sagte sie.
Kritiker befürchten systematische Haft an Außengrenzen
Konkret gehe es in Deutschland um die Anpassung von Gesetzestexten, die Verbesserung des Informationsdatenaustauschs für die Fingerabdruckdatenbank „Eurodac“ und darum, Menschen ohne Bleiberecht schneller abzuschieben. Die Ministerin kündigte zudem eine Fortsetzung des deutschen Engagements bei der europäischen Grenzschutzagentur Frontex an.
Die größeren Umbaumaßnahmen müssen absehbar in den Staaten an den EU-Außengrenzen erfolgen. Hier soll zum Beispiel das sogenannte Screening der Ankommenden erfolgen. Die Identität wird festgestellt, biometrische Daten werden gespeichert und Sicherheitsprüfungen vorgenommen. Dafür müssen die Menschen zunächst in Zentren an der Grenze festgehalten werden. Kritiker befürchten daher systematische Haft an den Außengrenzen.
Die EU-Kommission erhofft sich von der raschen Umsetzung der Asylreform, den Rechtsruck abzumildern, den Prognosen für die Europawahl im Juni voraussagen. Nach der letzten Europawahl seien die EU-Staaten in der Migrationspolitik zerstritten gewesen, sagte Johansson. Die Bürger hätten daraufhin Migration in einer Eurobarometerumfrage als drittwichtigstes Problem benannt. Inzwischen liege Migration in der Umfrage auf Platz sieben der dringlichsten Probleme. „Weil die Bürger sehen, dass die Politik die Herausforderung angeht und dass die Zusammenarbeit gelingt. Das ist eine starke Botschaft“, erklärte Johansson.
EU sanktioniert Äthiopien
Ihre Asylpolitik treibt die EU aber auch auf anderen Wege voran: Wie die Vertretung der 27 EU-Mitgliedstaaten am Montag in Brüssel außerdem mitteilte, wurden Strafmaßnahmen gegen Äthiopien wegen unzureichender Kooperation in Migrationsfragen verhängt. Künftig sollen schärfere Regeln für die Vergabe von Visa an Menschen aus dem ostafrikanischen Staat gelten. So ist es Behörden nicht mehr erlaubt, Visa für mehrmalige Reisen auszustellen und Diplomaten die Visagebühren zu erlassen. Zudem wird unter anderem auch die Standardbearbeitungszeit für Visa von 15 auf 45 Kalendertage erhöht.
Hintergrund der Entscheidung ist eine Analyse der Europäischen Kommission. Sie war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zusammenarbeit Äthiopiens bei der Rückübernahme seiner Staatsangehörigen, die sich illegal in der EU aufhalten, unzureichend ist. Die äthiopischen Behörden reagieren demnach nicht auf Rückübernahmeersuchen und es gibt Schwierigkeiten bei der Ausstellung von Notfallreisedokumenten oder der Organisation von Rückführungen von Migranten ohne Aufenthaltsrecht.
Zahlreiche Fluchtursachen
Als Ursache dafür, dass Äthiopier ihre Heimat verlassen, gelten Konflikte, aber auch Dürren und Überschwemmungen. Nach Zahlen der Vereinten Nationen waren zuletzt mehr als vier Millionen Menschen innerhalb des Landes auf der Flucht. In Teilen der Regionen Afar, Amhara und Tigray sind laut UN viele Menschen deutlich unterernährt. Felder, Wasserversorgung, Kliniken und Schulen seien durch jahrelange Konflikte zerstört worden, hieß es zuletzt. Die EU-Strafmaßnahmen gegen Äthiopien gelten auf unbestimmte Zeit. Eine Rücknahme ist den Angaben zufolge möglich, wenn die Kommission Fortschritte feststellt.
Am Dienstag beraten die EU-Innenministerinnen und Minister weiter über die Umsetzung der EU Asyl-Reform. Dabei tauschen sie sich unter anderem über „best practices“ aus den Mitgliedsstaaten aus. (epd/dpa/mig) Leitartikel Politik
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- AfD beschließt „Remigration“ Abschiebung von „Personengruppen mit schwach…
- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Spurwechsel ermöglichen Migrationsexperte fordert Bleiberecht für arbeitende…
- Bundesverwaltungsgericht Geflüchtete dürfen nach Italien abgeschoben werden
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln