Kampf gegen Rassismus
Kabinett billigt Aktionsplan gegen Extremismus und für Demokratie
Die Demokratie ist stark, sagt Bundesinnenministerin Faeser – aber sie ist auch unter Druck. Die Bundesregierung hat eine Strategie verabredet, wie sie Juden, Muslime und andere betroffene Menschen und Institutionen gegen extremistische Bestrebungen schützen will.
Donnerstag, 23.05.2024, 11:49 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.05.2024, 18:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Bundesregierung hat eine Gesamtstrategie zur Stärkung der Demokratie und gegen Extremismus beschlossen. Einen Tag vor dem Beginn der Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes billigte das Kabinett am Mittwoch in Berlin eine Vorlage von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Die Strategie sieht ressortübergreifende Maßnahmen zur Abwehr extremistischer Bestrebungen vor. Zum Schutz von Ehrenamtlichen und politisch Engagierten soll das Melderecht geändert werden.
Faeser sagte, die Demokratie sei stark, aber sie sei auch unter Druck. Die SPD-Politikerin nannte extremistische Bedrohungen im Inneren und äußere Bedrohungen wie die russische Aggression: „Diejenigen, die Wut und Hass säen, sind lauter geworden“, sagte Faeser: „Wir müssen unser Zusammenleben in Freiheit und Sicherheit aktiv verteidigen.“
Der knapp 60-seitige Aktionsplan sieht Maßnahmen der politischen Bildung, Demokratieförderung und Extremismusprävention vor. Im Einzelnen sollen beispielsweise neue Zielgruppen für demokratisches Engagement gewonnen werden, wie etwa zugewanderte Menschen oder Projekte in strukturschwachen Regionen. Offen blieb, ob für den Bundeshaushalt 2025 Kürzungen bei der Bundeszentrale für politische Bildung vorgesehen sind. Sie waren nach Angaben des Bundesinnenministeriums für dieses Jahr abgewendet worden.
Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit
Die Bundesregierung sei überzeugt, dass Demokratieförderung mit repressiven Maßnahmen der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden ineinandergreifen müssten, erklärte Faeser. Von ihrer Gesamtstrategie erhofft sich die Bundesregierung Erfolge im Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jede andere Form der Diskriminierung sowie gegen Hass und Desinformation im Netz. Laut Bundeskriminalamt ist im vergangenen Jahr die Zahl politisch motivierter Straftaten auf einen Höchststand von rund 60.000 registrierten Fällen gestiegen. Die meisten politisch motivierten Straftaten sind danach weiterhin dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen.
Seit dem terroristischen Anschlag der Hamas auf Israel sowie dem darauffolgenden Krieg in Gaza sei beispielsweise auch eine Zunahme antimuslimischer Übergriffe und Gewalttaten zu verzeichnen. Diese äußerten sich in Beleidigungen und Angriffen, Anschlägen auf Moscheen, Schändungen muslimischer Gräber sowie Online-Hasskommentaren. „Zudem ist ein Generalverdacht des Antisemitismus gegenüber (vermeintlich) muslimischen Personen zu beobachten“, heißt es im Maßnahmenkatalog. Das zeige: „Präventionsarbeit gegen Muslimfeindlichkeit ist aktueller denn je“.
Alabali-Radovan: „Starkes Zeichen“
Faeser hatte die Erarbeitung einer Gesamtstrategie für die Demokratie vor knapp zwei Jahren gestartet. Beteiligt waren neben dem Bundesinnenministerium 16 weitere Ressorts und Beauftragte der Bundesregierung. Vorläufer der Gesamtstrategie waren die vom damaligen Kabinettsausschuss der großen Koalition beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus und der von Faeser 2022 vorgestellte Aktionsplan gegen Rechtsextremismus. Mit der nun beschlossenen Gesamtstrategie setzt die Ampel-Regierung eine Koalitionsvereinbarung um.
Die Integrations- und Antirassismus-Beauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, sprach von einem „starken Zeichen für unsere wehrhafte Demokratie“. Den Angaben der Beauftragten zufolge ist unter anderem eine stärkere Unterstützung von Überlebenden und Hinterbliebenen rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Anschläge vorgesehen.
Änderungen im Melderecht
Das Kabinett billigte auch Änderungen im Melderecht. Damit soll die Ausforschung der Wohnanschrift von Privatpersonen erschwert werden. Besonders gefährdet sind Ehrenamtliche oder Mandatsträger- und -trägerinnen, die in den Fokus extremistischer oder gewaltbereiter Gruppen geraten. Die Angriffe haben im laufenden Europawahlkampf deutlich zugenommen.
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Auskunftssperre von zwei auf vier Jahre zu verlängern und eine Regelung für Auskunftssperren für Mandatsträger in Kommunalparlamenten, Landtagen, dem Bundestag und dem Europäischen Parlament in das Bundesmeldegesetz aufzunehmen. Faeser kündigte zudem eine bundesweite Ansprechstelle für gefährdete Personen an. (epd/mig) Leitartikel Politik
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