Umfrage
Jeder Fünfte für mehr weiße Nationalspieler
Eine WDR-Umfrage fördert rassistische Ansichten zutage: Offenbar wünscht sich mehr als ein Fünftel der Befragten mehr Fußballer in der Nationalelf mit weißer Hautfarbe. Dieses Ergebnis und auch die Umfrage selbst lösten kritische Reaktionen aus - auch vom Bundestrainer.
Sonntag, 02.06.2024, 15:58 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 02.06.2024, 18:09 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Laut einer Umfrage der WDR-Sendung Sport Inside für eine TV-Dokumentation zur Fußball-Europameisterschaft wünscht sich offenbar jeder fünfte Befragte mehr Spieler mit weißer Hautfarbe in der deutschen Nationalmannschaft. 21 Prozent der Befragten geben an, dass sie es besser fänden, wenn wieder mehr Spieler mit weißer Hautfarbe in der deutschen Nationalmannschaft spielen würden, wie der WDR am Samstag mitteilte.
In den Sozialen Medien wie auf der Plattform X wurde Kritik laut. Sowohl das Ergebnis der Umfrage als auch die Umfrage an sich lösten Kritik aus. Der WDR reagierte am Samstag mit einer Stellungnahme von Sportchef Karl Valks. Die Umfrage „Einstellungen zur Fußball-Nationalmannschaft“ sei im Zuge der Dokumentation „Einigkeit und Recht und Vielfalt“ entstanden, erklärte Valks.
Reporter Philipp Awounou sei in Interviews bei den Dreharbeiten zu der Dokumentation mit der Aussage konfrontiert worden, dass zu wenige „echte“, hellhäutige Deutsche auf dem Fußballplatz stehen. „Das wollten wir bewusst nicht anekdotisch wiedergeben, sondern auf fundierte Daten stützen.“ Daher sei die Umfrage in Auftrag gegeben worden. „Wir selber sind bestürzt, dass die Ergebnisse sind, wie sie sind, aber sie sind auch Ausdruck der gesellschaftlichen Lage im heutigen Deutschland“, erklärte Valks. Sport spiele in der Gesellschaft eine wichtige Rolle, „die Nationalmannschaft ist ein starkes Vorbild für Integration“.
Zwei Drittel finden Vielfalt in der Nationalmannschaft gut
Die Mehrheit der Befragten (65 Prozent) habe der in der Umfrage abgefragten Aussage „Ich fände es besser, wenn wieder mehr weiße Spieler in der deutschen Nationalmannschaft spielen“ eher nicht oder überhaupt nicht zugestimmt, erklärte der WDR. Zwei Drittel der Befragten äußerten sich in der Umfrage positiv über die Zusammensetzung der Nationalmannschaft, wie es hieß. Demnach finden es 66 Prozent gut, dass in der deutschen Mannschaft mittlerweile viele Fußballer spielen, die einen Migrationshintergrund haben.
17 Prozent der Befragten finden es schade, dass der derzeitige Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft türkische Wurzeln hat. 67 Prozent stimmen dieser Aussage nicht zu. Ilkay Gündoğan, Sohn türkischer Einwanderer, ist seit Sommer 2023 Kapitän der DFB-Elf.
Nagelsmann und Kimmich kritisieren Umfrage
Auch Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich reagierte mit großem Missfallen auf die Umfrage. „Gerade wer im Fußball aufgewachsen ist, weiß, dass das absoluter Quatsch ist. Gerade der Fußball ist ein Beispiel dafür, wie man verschiedene Nationen, verschiedene Hautfarben, verschiedene Religionen vereinen kann. Darum geht es auch bei uns in der Mannschaft. Ich würde sehr, sehr viele Spieler sehr vermissen, wenn sie nicht hier wären. Das ist absolut rassistisch und hat keinen Platz bei uns in der Kabine“, sagte Kimmich am Samstag im EM-Quartier des DFB-Teams in Herzogenaurach. „Wenn man überlegt, dass wir vor einer Heim-EM stehen, ist es schon absurd, so eine Frage zu stellen, wo es eigentlich darum geht, das ganze Land zu vereinen“, sagte der 29 Jahre alte Profi des FC Bayern München.
Jeder zweite AfD-Anhänger wünscht sich „weißere“ Nationalmannschaft
Sport Inside hatte für den Film, der am 5. Juni im Ersten ausgestrahlt wird und bereits in der ARD Mediathek zu sehen ist, eine repräsentative Umfrage bei Infratest dimap in Auftrag gegeben. Befragt wurden nach WDR-Angaben 1.304 Wahlberechtigte in der Zeit vom 2. bis zum 3. April. Dabei zeigten sich Unterschiede zwischen Anhängern verschiedener politischer Parteien, hieß es. Unter Anhängern der AfD wünscht sich demnach knapp jeder Zweite (47 Prozent) eine „weißere“ Nationalmannschaft, unter Anhängern des Bündnis Sahra Wagenknecht sind es 38 Prozent. Die Zustimmungswerte von Anhängern von Union (18 Prozent), SPD (14 Prozent) und Grünen (fünf Prozent) fallen geringer aus.
Am 14. Juni beginnt in Deutschland die Fußball-Europameisterschaft der Männer, bei der 24 Nationen um den EM-Titel spielen. Für die Dokumentation „Einigkeit und Recht und Vielfalt“ geht Autor Philipp Awounou der Frage nach, wie sich der Migrationsanteil in der deutschen Nationalmannschaft in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat.
Österreich streicht „L’amour toujours“ bei der Europameisterschaft
Im Frauenfußball machen derweil Zuschauer von sich reden. Während des EM-Qualifikationsspiels der deutschen Fußballerinnen gegen Polen hat die Rostocker Polizei am Freitagabend sieben Strafanzeigen gegen Zuschauer im Ostseestadion aufgenommen. Es gehe um den Verdacht des Hausfriedensbruchs, der Beleidigung und des Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole, teilte die Polizei mit. Eine Polizeisprecherin sagte am Samstag, im Stadion sei der Hitlergruß gezeigt worden – kein Einzelfall in deutschen Stadien.
Während der Europameisterschaft sollen sich solche Vorfälle nicht wiederholen. Da will sich Deutschland von der schönen Seite zeigen. Auch Österreich will mit Maßnahmen vorbeugen. Am Wochenende bestätigte der österreichische Fußball-Verband, dass der eigentlich als sogenannter „celebration song“ vorgeschlagene Titel von Gigi D’Agostino „L’amour toujours“ in Absprache mit der UEFA gestrichen wurde – weil das Lied zuletzt zunehmend für rassistische Parolen genutzt worden war. Es sollte nach Siegen der österreichischen Auswahl gespielt werden. (epd/dpa/mig) Gesellschaft Leitartikel
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