Stadt- und Dorffeste
Zahlreiche weitere Fälle von rassistischen Parolen zum Hit „L’amour toujours“
Nach dem Eklat auf Sylt häufen sich Fälle von rassistischen Parolen zur Melodie eines Partyhits - auch in Österreich. Auf sozialen Medien werden Stimmen gegen die Vorfälle und Rassismus laut.
Sonntag, 02.06.2024, 16:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 02.06.2024, 16:25 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Immer mehr Fälle von rassistischen Gesängen zur Melodie des bekannten Partyhits „L’amour toujours“ werden öffentlich bekannt. In den vergangenen Tagen sollen etwa im thüringischen Suhl und auf der Ostseeinsel Fehmarn Parolen zu dem Hit von Gigi D’Agostino gesungen worden sein. Zuvor waren unter anderem Fälle auf Schützenfesten in Niedersachsen, auf dem Schlagermove in Hamburg und auf einem Spitzeninternat in Schleswig-Holstein öffentlich geworden.
Zuerst hatte ein kurzes Video von einer Pfingstparty in einem Lokal auf Sylt vor rund einer Woche bundesweit Empörung ausgelöst, weil Gäste zu „L’amour toujours“ rassistische Parolen wie „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“ grölten. Die Staatsschutz-Abteilung der Polizei ermittelt. Seitdem häufen sich die Berichte von ähnlichen Vorfällen.
Mehrere Ermittlungen wegen rassistischen Parolen
Die Flensburger Staatsanwaltschaft ermittelt im Sylter Fall mittlerweile wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen eine Frau und zwei Männer, gegen einen der Männer außerdem wegen des Verdachts, Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation verwendet zu haben. Eine Hamburger Hochschule prüft derzeit eine mögliche Exmatrikulation einer mutmaßlich beteiligten Studentin. Mindestens zwei der im Sylter Fall Identifizierten verloren ihren Job.
Auch im thüringischen Suhl sind zwei Mitarbeiter des Wachschutzes einer Erstaufnahmeunterkunft nach rassistischen Äußerungen zur Melodie von „L’amour toujours“ entlassen worden. Sie sollen im Dienst auf einem Smartphone das bekannte Lied abgespielt und sich dazu rassistisch geäußert haben, wie eine Sprecherin der Polizei in Suhl auf Nachfrage bestätigte. Es werde wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt.
Rassistische Parolen auf mehreren Stadt- und Dorffesten
Auf der Ostseeinsel Fehmarn wird ebenfalls wegen mutmaßlichen rassistischen Gesängen ermittelt. Bei einer Tanzveranstaltung zum Rapsblütenfest sollen rund 15 Personen „ausländerfeindliche Parolen“ gesungen haben, wie die Polizei mitteilte. Das Staatsschutzkommissariat der Bezirkskriminalinspektion Lübeck ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung.
In den vergangenen Tagen und gab es mehrere vergleichbare Fälle in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Baden-Württemberg, Niedersachsen und mehreren weiteren Bundesländern – mehr als ein halbes Duzend allein an diesem Wochenende. In Rheinland-Pfalz etwa wurden auf einem Volksfest im Bereich des Polizeipräsidiums Koblenz zur Melodie des „L’amour toujours“ die bekannten Parolen skandiert. Auch in Rostock sollen Polizeiangaben zufolge mehrere Personen zur Melodie des Liedes volksverhetzende Parolen gerufen haben. Auf einem Stadtfest in Bad Düben (Landkreis Nordsachen) ermittelt die Polizei im Zusammenhang mit dem Lied ebenfalls wegen des Verdachts der Volksverhetzung.
Lied-Verbot auf dem Oktoberfest
Auch in Österreich sind ähnliche Vorfälle bekanntgeworden. Wie Polizeibehörden mitteilten, ermitteln Staatsschützer in den Bundesländern Kärnten und Niederösterreich wegen Videos, in denen „Ausländer raus“-Parolen zur Melodie des Hits von Gigi D’Agostino gegrölt wurden.
Wegen der Umdichtungen mit rassistischen Textzeilen soll der 25 Jahre alte Partyhit in Deutschland auf einigen Volksfesten wie dem Münchner Oktoberfest und dem Cannstatter Volksfest in Stuttgart in Zukunft gar nicht erst gespielt werden.
Jojo: Haltung zeigen oder wählen gehen
Der Hamburger Footballtrainer Johannes „Jojo“ Liebnau reagierte in einem Video auf den Sylter Vorfall. Er motiviert in dem 78-Sekunden-Clip Spieler der U20-Mannschaft der Hamburg Huskies, bei den Europawahlen am 9. Juni wählen zu gehen – um rechte Parteien zu stoppen. Der Wahlaufruf der besonderen Art verbreitete sich rasant in sozialen Medien.
„Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder, indem man krass Haltung zeigt und den Leuten sagt, ‚Digga, nicht mit mir, verpiss‘ dich‘, oder indem man wählen geht“, sagte Liebnau in dem Video. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur betonte er: „Zu unserer gesellschaftlichen Verantwortung gehört auch eine inklusive und antidiskriminierende Grundhaltung.“
Lindenberg: Wir dürfen das nicht zulassen
Udo Lindenberg hat sich ebenfalls geäußert. „Wir dürfen das nicht zulassen. Dass Rassismus sogar noch zum Partyhit wird, dass Menschenverachtung zum Trend wird“, schrieb der Rockmusiker auf seinen Social-Media-Kanälen. „Aber wir sind mehr, und wir sind lauter!! Also Faschos verpisst euch, keiner vermisst euch.“ Dies ist eine Zeile aus seinem Song „Panik-Panther“ (1992). Der Sänger postete auch ein Foto von sich, auf dem er den Mittelfinger zeigt.
Der italienische DJ Gigi D’Agostino stellte zu den rechtsextremen Umdichtungen zur Melodie seines Hits von 1999 bereits klar, dass es in seinem Lied ausschließlich um Liebe gehe. (dpa/epd/mig) Aktuell Gesellschaft
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