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Menschen legen Blumen für getöteten Polizisten in Mannheim nieder

Mannheimer Messerangriff

Debatte über Abschiebung nach Afghanistan

Die Bundesanwaltschaft zieht den Fall an sich, der Justizminister spricht von einem „islamistischen Motiv“. In der Politik deutet sich als mögliche Konsequenz eine härtere Gangart bei Abschiebungen an. Es gibt aber auch Gegenstimmen. Faeser warnt vor Generalverdacht gegen Muslime.

Dienstag, 04.06.2024, 12:16 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 10.06.2024, 8:24 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Nach der tödlichen Messerattacke von Mannheim mehren sich Forderungen nach strikteren Abschiebungen ausländischer Straftäter. Mehrere unionsregierte Bundesländer unterstützten den Vorschlag des Hamburger Innensenators Andy Grote (SPD), schwerkriminelle Ausländer künftig auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben. Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte dem Boulevardblatt „Bild“: „Personen, die hier islamistisch auffällig werden, sollten auch in Länder abgeschoben werden, in denen das bisher nicht möglich war, wie beispielsweise Afghanistan.“

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Ein 25-jähriger Afghane hatte am Freitag bei einer islamfeindlichen Kundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz ein Messer gezogen und sechs Männer verletzt, darunter ein Polizist. Der 29 Jahre alte Beamte erlag später seinen Verletzungen. Bundesjustizminister Marco Buschmann schrieb am Montagabend auf der Plattform X, mittlerweile lägen „klare Hinweise für ein islamistisches Motiv“ vor.

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Kurz zuvor hatte die Bundesanwaltschaft verkündet, sie gehe von einer religiösen Motivation des Täters aus, und die Ermittlungen an sich gezogen. Man gehe davon aus, dass der Mann islamkritischen Menschen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung absprechen wollte, sagte eine Sprecherin. Aufgrund welcher Erkenntnisse die Behörden zu dieser Einschätzung gekommen sind, blieb offen.

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Der Fall hat die Debatte über den Umgang mit Islamismus und ausländischen Straftätern befeuert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will nun am Donnerstag im Bundestag eine Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage abgeben. Dies geht aus einem Schreiben des Kanzleramts an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hervor, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Ob der Schwerpunkt innen- oder außenpolitisch sein wird, blieb allerdings offen.

Faeser warnt vor Generalverdacht gegen Muslime

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat vor Pauschalverurteilungen gewarnt und gleichzeitig ein hartes Durchgreifen gegen Extremisten versprochen. „Wir lassen uns von Extremisten und Terroristen nicht spalten“, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin. „Wir unterscheiden zwischen Muslimen, die zu uns gehören, und Islamisten, die wir mit aller Härte bekämpfen“, sagte Faeser. Es sei gut, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen in dem Fall „aufgrund klarer Hinweise für ein islamistisches Motiv“ übernommen habe. Die Sicherheitsbehörden hätten die islamistische Szene fest im Blick, „und wir verstärken diesen Kampf weiter“, sagte die Ministerin. Auch wer solche Taten im Internet verherrliche, müsse mit Strafverfolgung rechnen.

„Nach dieser schrecklichen Tat stehen muslimische Menschen wieder unter Generalverdacht und die Forderungen nach Distanzierungen werden groß“, hatte die Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Aslıhan Yeşilkaya-Yurtbay, am Montag beklagt. „Solche Aussagen bringen Menschen und Gruppen nur gegeneinander auf und führen überhaupt nicht zu mehr Sicherheit und Freiheit in unserer Gesellschaft.“ Jegliche Form von Extremismus sei eine konkrete Gefahr für die Demokratie in Deutschland, die es abzuwenden gelte.

Abschiebungen ins Taliban-regierte Afghanistan?

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), „die Voraussetzungen für Rückführungsmöglichkeiten von Straftätern und Gefährdern nach Syrien und Afghanistan zu schaffen – natürlich unter verfassungsgemäßer Abwägung der Grund- und Menschenrechte und bei differenzierter Betrachtung der Einzelfälle“. Der Bund verweise regelmäßig auf fehlende diplomatische Kontakte – das sei nicht akzeptabel.

Am Montag war ein Hamburger Vorstoß für die nächste Innenministerkonferenz (IMK) bekanntgeworden. Die Ministerrunde solle das Bundesinnenministerium bitten, die Sicherheitslage in Afghanistan und in der Region der syrischen Hauptstadt Damaskus neu zu bewerten. „Wir müssen einen Weg finden, für Straftäter, aber auch für Gefährder und islamistische Verfassungsfeinde, Abschiebungen nach Afghanistan wieder aufzunehmen“, sagte Senator Grote.

„Zu spät, aber immerhin“, sagte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) dem RND dazu. „Wären Hamburg und die Bundes-SPD den Vorschlägen der unionsgeführten Länder wie Sachsen schon im letzten Jahr gefolgt, dann gäbe es Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien längst.“

Innenministerium sieht schwierige Fragen

Aus dem Bundesinnenministerium hieß es, Ministerin Nancy Faeser (SPD) prüfe intensiv Möglichkeiten, wie Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan wieder erfolgen könnten. In diesen Fällen müsse das Sicherheitsinteresse Deutschlands klar gegenüber dem Bleibeinteresse des Betroffenen überwiegen. Angesichts der schwierigen Sicherheitslage und der Tatsache, dass keine international anerkannte Regierung in Afghanistan existiere, seien aber schwierige Fragen zu klären.

In Afghanistan hatten westliche Streitkräfte die Macht im Land im Sommer 2021 mit einem unzureichenden und übereilten Abzug der Taliban überlassen. In Syrien hatte Machthaber Baschar Al-Assad 2011 Proteste brutal niedergeschlagen, der folgende Bürgerkrieg dauert bis heute an.

Der IMK-Vorsitzende, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), sagte dem RND: „Die Debatte, schwere Straftäter auch in Länder wie Afghanistan und Syrien abzuschieben, gibt es schon lange. Wenn wir jetzt zu einer Einigung in dieser Frage kommen, wäre das sehr zu begrüßen.“ Es müsse aber auch klar sein, „dass wir alleine mit Abschiebungen nicht alle Probleme lösen“.

Baerbock: Debatte über Migrationspolitik kontraproduktiv

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat derweil davor gewarnt, die tödliche Messer-Attacke von Mannheim für eine Debatte über eine verschärfte Migrationspolitik zu instrumentalisieren. Dies wäre „wirklich total kontraproduktiv“, sagte die Grünen-Politikerin am Montagabend beim „Ständehaus-Treff“ der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf. „Wenn das Ziel von Extremisten ist – egal ob Rechtsextremisten oder Islamisten – freie Gesellschaften zu spalten, muss doch die Antwort sein, dass wir als Gesellschaft geschlossen darauf antworten“, mahnte Baerbock. Spaltungsdiskussionen seien fehl am Platz.

„Natürlich hat mich das stark mitgenommen“, sagte die Ministerin über die Mannheimer Bluttat. Jetzt müsse die ganze Gesellschaft deutlich machen, dass sie es nicht akzeptiere, „dass mit Hass und Hetze, mit Gewalt, mit Tötungsabsichten unsere Demokratie kaputt gemacht wird“.

CDU-Generalsekretär fordert Aktionsplan

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte in einem Gastbeitrag in der „Welt“ einen Aktionsplan „Politischer Islam“. Islamistische Organisationen seien zu verbieten, Kalifat-Forderungen strafrechtlich zu verfolgen. Und: „Wer in unser Land als Gast und Schutzsuchender kommt, sich aber nicht an unsere Rechtsordnung hält und unsere Werte mit Füßen tritt, hat sein Gastrecht verspielt.“

Als Reaktion auf die Bluttat von Mannheim gibt es auch Forderungen nach Messerverboten an bestimmten Orten. „Besonders problematisch ist es dort, wo viele Menschen zusammenkommen – etwa in Zügen oder an Bahnhöfen“, sagte die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) der „Rheinischen Post“. Dort solle ein „zugriffsbereites Mitführen von Messern“ verboten werden.

8.000 Menschen bei Kundgebung

Die Anteilnahme am Tod des jungen Polizisten ist groß. In Mannheim versammelten sich am Montagabend laut Polizei 8.000 Menschen für eine Gedenkkundgebung. Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Bundesministerin Faeser legten Blumen nieder. Vertreter großer islamischer Religionsgemeinschaften, die zur Kundegebung mit aufgerufen hatten, nahmen ebenfalls an der Kundgebung teil.

Der Angreifer hatte am Freitag fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamfeindlichen Bewegung Pax Europa sowie den Polizisten mit dem Messer verletzt. Ein anderer Beamter schoss ihn nieder, nach Angaben vom Montag war der Afghane bislang nicht vernehmungsfähig.

Der Mann kam nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur 2013 als Teenager nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. Der Antrag wurde 2014 abgelehnt. Es wurde allerdings ein Abschiebeverbot verhängt, vermutlich wegen des jugendlichen Alters. Im hessischen Heppenheim wohnte der Täter zuletzt mit seiner Ehefrau und zwei Kleinkindern. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen war er vor der Tat weder als Straftäter noch als Extremist aufgefallen. Wie es zu der Messerattacke kommen konnte, ist Gegenstand der Ermittlungen. (dpa/mig) Leitartikel Panorama

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