„Italienisches Guantánamo“
Meloni: Flüchtlingslager in Albanien ab August bereit
Italien will Geflüchtete, die über das Mittelmeer in die EU wollen, in Albanien unterbringen und dort Asylanträge prüfen. Nach einer ersten Verzögerung können die Flüchtlingslager bald in Betrieb gehen. Kritiker sprechen von einem „italienischen Guantánamo“.
Donnerstag, 06.06.2024, 15:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 06.06.2024, 15:19 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die von Italien geplanten Aufnahmezentren für Geflüchtete außerhalb der EU in Albanien werden nach den Worten der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ab August in Betrieb gehen können. Knapp sieben Monate nach der Unterzeichnung eines Migrationsabkommens zwischen Italien und Albanien verkündeten Meloni und ihr albanischer Amtskollege Edi Rama am Mittwoch in Shengjin die Fertigstellung des Lagers in der Hafenstadt. Dieses dient laut Plan der ersten Aufnahme von Bootsmigranten sowie einer ersten Prüfung der Asyl-Chancen von Geflüchteten. Ein zweites Lager in Gjader ist allerdings noch nicht fertig.
In beide Lager werden den Plänen zufolge Menschen gebracht, die zuvor von den italienischen Behörden auf hoher See an Bord genommen wurden. Das Vorhaben zielt auf Migranten ab, die sich auf Booten übers zentrale Mittelmeer nach Italien aufmachen. Italien ist eines der Länder, die von der Fluchtbewegung aus Afrika nach Europa übers Mittelmeer besonders betroffen sind. Jedes Jahr kommen Zehntausende Menschen dort an. Meloni war im Herbst 2022 mit dem Versprechen ins Amt gelangt, die Zahlen deutlich zu senken.
„Der größte Nutzen dieses Projekts besteht darin, dass es ein außerordentliches Instrument zur Abschreckung derjenigen sein kann, die Europa irregulär erreichen wollen, und zur Bekämpfung von Schleppern“, sagte Meloni bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Zudem könnten nach Melonis Worten die Asylverfahren der Menschen in den von Italien betriebenen Lagern schneller geprüft werden, sodass etwaige Abschiebungen einfacher seien.
„Italienisches Guantánamo“
In den beiden Einrichtungen in Shengjin und Gjader sollen den Plänen zufolge rund 36.000 Menschen pro Jahr unterkommen können. In Shengjin soll es die ersten medizinischen Untersuchungen sowie die erste Prüfung der Chancen der Migranten auf Asyl geben. Von dort sollen die Menschen sieben Kilometer landeinwärts nach Gjader gebracht werden.
Das Projekt ist sowohl in Italien als auch Albanien umstritten. Die Opposition in Rom zweifelt etwa die Rechtmäßigkeit des Pakts an und kritisierte mögliche schlechte Bedingungen für die Menschen in den Zentren. Sie sprach von einem „italienischen Guantánamo“.
Faeser bekundet Interesse
In Deutschland hingegen stößt das Vorhaben der italienischen Regierung auf Interesse. Ende Mai hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärt, sie schaue mit Spannung darauf, was Italien gemeinsam mit Albanien macht. „Italien will selbst Asylverfahren in Albanien abwickeln. Das ist ein interessantes Modell, über das ich mich mit meinem italienischen Amtskollegen austausche“, hatte sie gesagt. Die Bundesregierung prüft, ob und inwieweit Asyl-Prüfungen an EU-Außengrenzen möglich sind.
Die Zentren sind ausdrücklich nicht für Menschen vorgesehen, die per Boot an italienischen Küsten ankommen oder von privaten Hilfsorganisationen aufgegriffen werden – sondern nur für jene, die von den italienischen Behörden in internationalen Gewässern an Bord genommen werden. Italien verwaltet die Lager und sorgt für Sicherheit darin. Außerdem trägt das Mittelmeerland dafür alle „direkten und indirekten“ Kosten. Eingeplant sind 675 Millionen Euro für die nächsten zehn Jahre, davon 142 Millionen Euro in diesem Jahr. (dpa/mig) Aktuell Ausland
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