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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) © de.depositphotos.com

Nach Mannheim

Faeser will in Nachbarländer von Afghanistan abschieben

Bundeskanzler Scholz und Innenministerin Faeser wollen nach Mannheim Straftäter nach Afghanistan abschieben, Außenministerin Baerbock ist skeptisch. Wie viele Personen die Debatte umfasst, ist derweil komplett offen, wie eine Länderumfrage zeigt.

Sonntag, 09.06.2024, 16:37 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 09.06.2024, 17:02 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

In der Debatte um Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern baut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf die Nachbarländer von Afghanistan und Syrien. Es gehe darum, Menschen auf diesem Wege „zurückzubringen“, sagte sie im Interview der Woche des Deutschlandfunks. „Ich glaube, das könnte ein guter Weg sein und daran arbeiten wir.“ Um welche Nachbarländer es dabei geht, sagte sie nicht.

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„Ich will, dass abgeschoben wird nach Afghanistan und Syrien, weil es nicht sein kann, dass Gefährder und Straftäter, wenn sie ihre Haft hier verbüßt haben und von ihnen immer noch Gefahr ausgeht, dass sie hierbleiben“, sagte die Innenministerin. „Da gehen deutsche Interessen, Sicherheitsinteressen einfach vor. Und deswegen muss es dafür eine Lösung geben.“

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Nach der Gewalttat eines Mannes aus Afghanistan in Mannheim, bei der ein Polizist getötet wurde, ist die Debatte über die Wiederaufnahme von Abschiebungen nach Afghanistan zumindest von Personen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, neu entbrannt. Bislang sind Rückführungen nach Afghanistan und Syrien wegen der dortigen Sicherheitslage ausgesetzt. Neben Faeser ist auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entschlossen, Straftäter und Gefährder abzuschieben. Das Auswärtige Amt hingegen warnt bezüglich Afghanistan, dass damit eine Anerkennung des Taliban-Regimes einhergehe.

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Taliban fordert konsularische Zusammenarbeit

Taliban-Sprecher Abdul Qahar Balkhi hatte sich am Freitag offen für die Abschiebung afghanischer Straftäter aus Deutschland geäußert, forderte zugleich die deutschen Behörden zur konsularischen Zusammenarbeit auf. Für die Taliban wäre es die erste direkte Zusammenarbeit mit einer europäischen Regierung. Die Bundesregierung erkennt wie die meisten Länder der Welt die De-facto-Regierung in Afghanistan nicht an.

Es gehe nicht darum, mit Regimen neue Kontakte aufzunehmen, sagte Faeser. Man könne Bestehende nutzen. „Nachbarländer haben ja mitunter Beziehungen und wir wollen eben diese Beziehungen dann auch tatsächlich nutzen, um die Gefährder zurückzubekommen.“

Umfrage: Länder kennen Zahl schwerer Straftäter nicht

Ob und welchen Weg die Politik am Ende einschlagen wird, wird sich noch zeigen. Ob es dann in der Umsetzung klappt, ist ein anderes Thema. Wie aus einer aktuellen Umfrage des „Evangelischen Pressedienstes“ unter den zuständigen Ministerien hervorgeht, weiß kaum ein Bundesland, wie viele gefährliche Gewalttäter sich aus Syrien und Afghanistan in Deutschland befinden. Zwar nannten die Behörden in der Regel die Gesamtzahl afghanischer und syrischer Straftäter. Eine Statistik darüber, wie viele schwere Straftäter darunter sind, um die es in der Debatte geht, gibt es allerdings nicht.

Dazu lägen keine Daten vor, hieß es etwa aus dem bayerischen Justizministerium. Auch Nordrhein-Westfalen konnte keine detaillierten Angaben zu den Delikten machen, die zur Verurteilung führten. Die Erfassung bedürfte einer händischen Auswertung und sei in kurzer Frist nicht darstellbar, teilte das niedersächsische Justizministerium mit. Aus Rheinland-Pfalz hieß es zusätzlich, es sei unklar, was unter „schweren Straftätern“ zu verstehen sei. In Hamburg, dessen Innensenator Andy Grote (SPD) die Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan mit angestoßen hatte, stellte die Justizbehörde detaillierte Angaben für die nächste Woche in Aussicht.

Zwei konkrete Fälle im Südwesten

Einzig Baden-Württemberg und Bremen gaben konkretere Auskunft. In Stuttgart werden demnach die Fälle von 41 Afghanen und 4 Syrern in den „Sonderstäben Gefährliche Ausländer“ bearbeitet. Das Justizressort nannte zwei konkrete Fälle, die zur aktuellen Diskussion passen. Das Land würde gern einen Afghanen, der wegen Unterstützung der Terrormiliz „IS“ verurteilt wurde, und einen weiteren Afghanen, der wegen Mittäterschaft einer Gruppenvergewaltigung im Jahr 2019 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, abschieben, was derzeit nicht möglich ist.

In Bremen sitzen nach Angaben der dortigen Innenbehörde fünf Straf- beziehungsweise Gewalttäter aus Afghanistan in Haft, sechs aus Syrien. Gründe seien unter anderem besonders schwere Eigentumsdelikte wie räuberische Erpressung, Totschlag, schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, schwere Körperverletzung und Brandstiftung.

1.650 Syrer und Afghanen in Haft

Im Bereich der Gefährder geht das Bundesinnenministerium nach eigenen Angaben derzeit von insgesamt 480 Fällen aus. Etwa die Hälfte davon sei im Ausland oder in Haft. Die Fälle beziehen sich auf alle Staatsbürgerschaften, nach Angaben des Innenministeriums zählen auch Deutsche zu diesem Kreis.

Insgesamt befinden sich bundesweit nach Angaben der Länder mindestens rund 1.100 Syrer und mehr als 550 Afghanen in Haft, wobei offen blieb, wie viele davon wegen schwerer Gewalttaten verurteilt wurden. Die Zahlen umfassen nicht alle Bundesländer. Hessen, Sachsen und Thüringen gaben bis Redaktionsschluss keine Rückmeldung. (epd/mig) Aktuell Politik

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