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Flugzeug (Symbolfoto) © PublicDomainPictures @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Keine Skrupel

Verhandlungen mit Usbekistan über Abschiebungen von Afghanen

Wie können schwerkriminelle afghanische Abschiebekandidaten ohne direkte Kontakte mit den Taliban-Machthabern abgeschoben werden? Ein Weg könnte nun über ein Nachbarland führen. CDU-Politiker hätten auch mit direkten Kontakten kein Problem – auch nach Syrien.

Sonntag, 16.06.2024, 12:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 16.06.2024, 12:20 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Das Bundesinnenministerium verhandelt nach einem „Spiegel“-Bericht mit Usbekistan über Abschiebungen von Afghanen aus Deutschland ohne direkte Absprachen mit den Taliban. Dazu sei in der letzten Mai-Woche eine Delegation aus dem Haus von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in die usbekische Hauptstadt Taschkent gereist, berichtete das Nachrichtenmagazin am Sonntag weiter. Die Delegation schlug der usbekischen Regierung demnach vor, afghanische Abschiebekandidaten nach Taschkent zu bringen. Von dort sollten sie mit der privaten Fluggesellschaft „KamAir“ weiter nach Kabul transportiert werden. Nach dpa-Informationen war zuletzt überlegt worden, für den Flug von Deutschland nach Usbekistan eine Charter-Gesellschaft mit Sitz in Rumänien anzuheuern.

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Die usbekische Regierung stellte dem Bericht zufolge in Aussicht, bei Abschiebungen helfen zu können. Sie wolle jedoch vor einem Deal über die Abschiebungen noch ein formelles Migrationsabkommen mit Deutschland unterzeichnen, das die Einreise von usbekischen Fachkräften nach Deutschland regeln soll. Joachim Stamp (FDP), der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, werde kommende Woche für Gespräche über ein solches Abkommen nach Usbekistan reisen.

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Als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke von Mannheim hatte Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen. „Solche Straftäter gehören abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen“, sagte der SPD-Politiker im Bundestag. Und: „Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder haben hier nichts verloren.“ Das Bundesinnenministerium arbeite an der praktischen Umsetzung und sei bereits mit den Nachbarländern Afghanistans im Gespräch, sagte er. Deutschland hatte die Abschiebungen nach Afghanistan kurz vor der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 komplett gestoppt.

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Minister Stübgen hat keine Skrupel wegen Taliban

Forderungen nach Verhandlungen mit der Taliban über Abschiebungen wurden zuletzt immer lauter. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), zugleich Vorsitzender der Innenministerkonferenz, rief die Bundesregierung auf, zügig Verhandlungen voranzubringen. Eine Zusammenarbeit mit der Taliban hält er für vertretbar. Auch Gegenleistungen hält Stübgen für üblich, wenn es um Rücknahmeabkommen geht. Auf die Frage, ob man einem kriminellen System Vorschub leiste, sagte er: „Dann könnte man aber so ziemlich jede Wirtschaftshilfeleistung, die wir machen, einstellen“. Zuvor hatten bereits der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst und Hessens Innenminister Boris Rhein (beide CDU) Verhandlungen mit den Taliban gefordert.

Kritiker indes warnen davor, da die Taliban nicht anerkannt werden dürften und auch kein Geld fließen dürfe, das dann in den Aufbau von Terrornetzwerke auch in Deutschland fließen könnte. Über das Entwicklungshilfeministerium wird humanitäre Hilfe für Afghanistan unterstützt. Das Ministerium führt nach eigenen Angaben keine Verhandlungen mit den Taliban und mache keine finanziellen Zusagen.

Der „Spiegel“ berichtete, das Auswärtige Amt, das die Gespräche durch den deutschen Botschafter Tilo Klinner begleite, sehe die Abschiebungen von Afghanen weiterhin kritisch, auch wenn sie über ein Nachbarland erfolgen solle. Hintergrund seien Befürchtungen, dass den Abgeschobenen in ihrem Heimatstaat Repressalien drohten.

Stübgen stellt subsidiären Schutz für Syrer infrage

Stübgen hält auch diplomatische Beziehungen mit Syrien für möglich. Dort könne eine Botschaft errichtet werden. Einige europäische Länder hätten auch längst diplomatische Beziehungen zu Damaskus aufgebaut. „Und es ist längst bekannt, dass im Kerngebiet Syriens kein Krieg mehr ist.“ Auch wenn Syrien kein Rechtsstaat sei, gebe es staatliche Ordnungsstrukturen. „Es spricht nichts dagegen, dass wir hier zum Beispiel wie Schweden jetzt überhaupt erst mal anfangen, Schwerststraftäter und Intensivstraftäter dorthin auch zurückzuführen“, sagte Stübgen. Die Sicherheit dort habe sich verbessert.

Der seit Beginn des Syrienkrieges geltende subsidiäre Schutz für Menschen aus Syrien müsse laut dem CDU-Politiker zudem überprüft werden. Subsidiärer Schutz gilt für Menschen, die nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, aber stichhaltige Gründe liefern, warum ihnen bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland ernsthafte Schäden – wie Menschenrechtsverletzungen – drohen. Zuvor hatte auch FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr den subsidiären Schutz infrage gestellt. „Nach der Europawahl brauchen wir auch eine offene Debatte darüber, ob der subsidiäre Schutz, über den sehr viele Geflüchtete zu uns kommen, in dieser Form noch zeitgemäß ist“, sagte Dürr.

Faeser reagierte zurückhaltend auf den Vorstoß. Sie betonte am Mittwoch in Berlin, die Bundesregierung habe schon viel gegen irreguläre Migration getan. Sie verwies auch auf die jüngst beschlossene Reform des europäischen Asylrechts, die Verschärfungen vorsieht. „Bislang ist der subsidiäre Schutzstatus geltendes EU-Recht und wird es auch weiterhin sein.“ (dpa/epd/mig) Aktuell Politik

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