Hamburg
Befragung: Drei von vier Juden erleben Antisemitismus
Seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober und dem folgenden Gaza-Krieg nehmen auch in Hamburg die Angriffe auf Juden zu. Jetzt wurde eine erste Studie zu dem Thema vorgestellt. Beim Thema Sicherheitsgefühl gibt es noch viel zu tun.
Von Carola Große-Wilde Dienstag, 16.07.2024, 13:37 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 16.07.2024, 13:37 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Ein großer Teil der Jüdinnen und Juden in Hamburg hat in jüngster Zeit antisemitische Vorfälle erlebt. Das ist das Ergebnis einer Studie zum Thema Antisemitismus. Demnach waren in den zwölf Monaten vor der Erhebung 77 Prozent der Befragten von antisemitischen Vorfällen betroffen. Und mehr als die Hälfte dieser Vorfälle (55 Prozent) könnte auch strafrechtlich relevant sein.
Dabei wurden Beleidigungen und Bedrohungen online und auch außerhalb des Internets häufiger angegeben als körperliche Übergriffe, Belästigung oder Verfolgung. Die meisten Vorfälle (80 Prozent) waren der Polizei nicht bekannt, da sie nicht angezeigt wurden.
Die meisten Vorfälle waren der Polizei nicht bekannt
Das Projekt wurde von Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) und dem Antisemitismusbeauftragen Stefan Hensel beauftragt und von Forschenden der Akademie der Polizei Hamburg und der Polizeiakademie Niedersachsen durchgeführt. An der anonymen Befragung im Zeitraum vom 13. November 2023 bis zum 7. Februar 2024 nahmen 548 Jüdinnen und Juden schriftlich teil, die meisten von ihnen Mitglieder der Jüdischen Gemeinde. Im Durchschnitt sind die Befragten 65 Jahre alt und somit deutlich älter als der Durchschnitt der Hamburger Bevölkerung.
Mehr als die Hälfte der Befragten (65 Prozent), die eine antisemitische Diskriminierung erlebt haben, führen diese auf die aktuelle Krisensituation in Israel und Gaza zurück. Als direkte Folge dieser Antisemitismuserfahrungen geben laut Studie 89 Prozent der Betroffenen an, die eigene Religion nicht frei ausüben zu können.
Ein Großteil vermeide es, die eigene jüdische Identität öffentlich sichtbar zu machen und zum Beispiel jüdische Symbole zu zeigen oder eine Kippa zu tragen. Zu den indirekten Folgen zählt die Studie zudem ein nachlassendes Vertrauen in öffentliche Institutionen wie Polizei, Gerichte, Stadtverwaltung und Bundesregierung.
„Ergebnisse machen uns tief betroffen“
„Mit dieser Studie haben wir erstmalig in Deutschland die Perspektive der Betroffenen wissenschaftlich untersucht, und die Ergebnisse machen uns tief betroffen“, sagte Fegebank. „Wenn Jüdinnen und Juden am Arbeitsplatz, auf dem Schulhof, auf der Straße oder online beleidigt werden, wenn sie sich nicht mehr sicher in Hamburg fühlen und ihre jüdische Identität aus Angst verstecken, dann sind wir als Staat und auch als Gesellschaft gefordert, den Schutz jüdischen Lebens zu sichern.“
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Hamburg, Philipp Stricharz, sagte, die antiisraelische Hetze im öffentlichen Raum beeinträchtige die Teilhabe jüdischer Hamburger am öffentlichen Leben. „Dieser Hetze muss Hamburg nunmehr entschieden entgegentreten und deutlich die Verantwortung der Hamas für das Leid in Israel und in Gaza betonen.“ Sonst verschwinde das Judentum aus dem öffentlichen Leben.
Als positiven Aspekt wertete Stricharz die Entscheidung zum Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge, da somit „das Judentum wieder in den Mittelpunkt der Stadt gerückt wird“.
Polizei: Handlungsbedarf beim Thema Sicherheitsgefühl
Der Antisemitismusbeauftragte Hensel sagte: „Insbesondere seit dem 7. Oktober sind die Sicherheitsbedenken so groß, dass sich viele Jüdinnen und Juden aufgrund antisemitischer Bedrohungen ins Private zurückziehen und weniger am öffentlichen Leben teilnehmen. Es ist unsere Pflicht, aus diesen Erkenntnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen und entschieden gegen Antisemitismus vorzugehen, damit jüdisches Leben in Hamburg wieder uneingeschränkt möglich ist.“
Polizeipräsident Falk Schnabel sagte, der Schutz des jüdischen Lebens habe bei der Hamburger Polizei höchste Priorität. „Angesichts der aktuellen Studie wird allerdings deutlich, dass wir im Hinblick auf das Vertrauen in die Ermittlungsbehörden und beim Thema Sicherheitsgefühl noch einiges zu leisten haben.“ (dpa/mig) Aktuell Gesellschaft
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