Olympionikin im Gespräch
Mihambo: „Wir haben in Deutschland ein Problem mit Rassismus“
Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo reist als eine der größten deutschen Goldhoffnungen nach Paris. Vor den Sommerspielen positioniert sich die dreimalige Sportlerin des Jahres: Über Rassismus habe man lange geschwiegen, jetzt spüre man die Folgen.
Von Christian Kunz Donnerstag, 25.07.2024, 11:57 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 25.07.2024, 11:57 Uhr Lesedauer: 6 Minuten |
Weitsprung-Olympiasiegerin und Politikwissenschaftlerin Malaika Mihambo sieht im Kampf gegen Rassismus alle gefordert. „Jeder nimmt in einer Rolle am Rassismus teil: als Opfer, Täter oder als Zuschauer. Als Gesellschaft sind wir aber gefordert, dass es keine Zuschauer gibt und jeder, ob Betroffener oder nicht, Tätern aktiv Grenzen aufzeigt“, sagte Deutschlands Leichtathletik-Star der Deutschen Presse-Agentur. Im Interview spricht die 30-Jährige über gesellschaftliche Entwicklungen, die Sicherheit bei Olympia und ob für sie ein politisches Amt infrage käme.
Wenn Sie an Olympia denken, was kommt Ihnen da als Erstes in den Sinn?
Wenn ich an Olympia denke, denke ich erst mal an die olympischen Werte, an Frieden, Fairplay, Toleranz, den kulturellen Austausch und das Lernen voneinander.
Hat sich an diesen Werten etwas geändert?
An den Werten hat sich nichts geändert. Generell glaube ich aber, dass wir uns gesellschaftlich mehr einbringen und fragen müssen, wie wir die Werte leben können – unabhängig von Olympia.
Zur Person: Malaika Mihambo (30) ist Olympiasiegerin und zweimalige Weltmeisterin im Weitsprung. Die dreimalige „Sportlerin des Jahres“ musste die WM in diesem Jahr verletzt absagen. Bei den Olympischen Spielen in Paris ist sie eine der größten Hoffnungen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.
Über das Thema Sicherheit in Paris wird viel gesprochen. Wie verfolgt man das Thema als Sportlerin?
Die Sicherheit rund um die Olympischen Spiele ist ein wichtiger Punkt. Aber nicht nur bei Olympischen Spielen, sondern generell bei Großveranstaltungen. Die Organisatoren haben viel Erfahrung in diesem Bereich und ich denke, dass alles dafür getan wird, dass es sichere Spiele sein werden.
Sie sind ein politisch sehr interessierter Mensch. Wie sehen Sie die politische Situation im Ausrichterland Frankreich?
„Kein Land, kein Ort, kein Mensch ist mehr wert als ein anderer.“
Die Entwicklung ist nicht anders als in Deutschland oder in anderen Industrienationen. Rechtspopulistische Parteien sind auf dem Vormarsch. Es wird immer wichtiger, dass wir uns alle fragen, was wir tun können, damit Gesellschaften wieder zusammenwachsen. Es geht um Menschlichkeit und darum, Gefälle in Gesellschaften zu überbrücken. Das ist auch der Geist der Olympischen Spiele: Kein Land, kein Ort, kein Mensch ist mehr wert als ein anderer. Wir sind alle gefragt, uns da zu engagieren.
Gefragt sind auch alle beim Thema Rassismus. Der deutsche Meister Owen Ansah wurde nach seinem Rekordlauf über 100 Meter rassistisch beleidigt. Sie selbst haben wiederholt über das Thema Rassismus gesprochen. Wie geht man Ihrer Meinung nach am besten mit Anfeindungen um?
„Wir haben in Deutschland ein Problem mit Rassismus. Das ist nicht neu.“
Owen macht es genau richtig, dass er das nicht an sich herankommen lässt, optimistisch bleibt und sich an den positiven Dingen orientiert. Denn es gibt eben auch sehr viele Menschen, die sich mit ihm und für ihn gefreut haben. Gleichzeitig ist es aber wichtig, dass man Konsequenzen aus Fällen wie diesem zieht. Und wenn das strafrechtlich möglich ist, auch rechtliche Schritte einleitet. Leider bewegen sich viele Äußerungen immer in einer Grauzone der Meinungsfreiheit und da ist es mitunter schwierig, eine juristische Grenze zu ziehen. Es ist daher wichtig, Dinge klar anzusprechen: Wir haben in Deutschland ein Problem mit Rassismus. Das ist nicht neu, aber mittlerweile bringen mehr Menschen ihre rassistischen Gedanken zum Ausdruck. Das muss für uns alle ein Weckruf sein, dass hier etwas falsch läuft. Jeder nimmt in einer Rolle am Rassismus teil: Als Opfer, Täter oder als Zuschauer. Als Gesellschaft sind wir aber gefordert, dass es keine Zuschauer gibt und jeder, ob Betroffener oder nicht, Tätern aktiv Grenzen aufzeigt.
Man muss die Zivilcourage in der Gesellschaft wieder stärken?
Man muss definitiv wieder mehr Zivilcourage zeigen. Es geht um Werte, die man mit Leben füllen muss. Man sollte Schwerpunkte auf die Bildung setzen und die Wertegemeinschaft stärken. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und darüber hinaus. Die Menschen haben so viele Gemeinsamkeiten. Uns verbindet so viel mehr als es Unterschiede zwischen uns Menschen gibt. Wir müssen mehr Wert auf ein soziales Miteinander legen. Ein Gegeneinander funktioniert auf Dauer nicht in der Gesellschaft.
Sie haben in Ihrem Buch auch über Rassismus geschrieben und dass der Umgang für Sie früher sehr schwierig war, dass das Thema Sie verletzt hat. Wie blicken Sie heute auf diese Zeit zurück?
Schon alleine der Begriff ‚Alltagsrassismus‘ macht deutlich, was falsch läuft: in einer offenen Gesellschaft darf Rassismus nicht zum Alltag gehören.
Es ist wichtig, dass wir über Rassismus sprechen. Jahrelang wurde das nicht getan, aber nun hat das Thema die Präsenz bekommen, die so ein wichtiges Thema braucht. Und wir spüren die Folgen des langen Schweigens.
Sie haben gesagt, dass Sie heutzutage keinen Alltagsrassismus gegen sich selbst erleben. Hilft es Ihnen da, dass Sie eine prominente Persönlichkeit sind?
Im persönlichen Umfeld erlebe ich keinen Rassismus, weil ich einfach das Glück habe, dort nicht auf solche Menschen zu treffen. Darüber hinaus habe ich sicher für die Öffentlichkeit eine Ausnahmestellung. Aber natürlich gibt es auch genügend Kommentare gegen mich im Netz. Da sind alle gefordert, zu schauen, was können wir tun, damit der Hass nicht die Oberhand gewinnt. Schon alleine der Begriff „Alltagsrassismus“ macht deutlich, was falsch läuft: in einer offenen Gesellschaft darf Rassismus nicht zum Alltag gehören.
Würde es helfen, wenn sich Olympiasportler und die Fußball-Nationalmannschaft in einer neuen gemeinsamen Aktion gegen Rassismus positioniere. Oder wäre das nur eine Aktion unter vielen?
Es wäre vermutlich eine Aktion unter vielen. Man muss aufpassen, dass es nicht nur Richtung Symbolpolitik geht, weil Symbolpolitik nicht reicht. Wir brauchen mehr als das und wir sind schon lange an einem Punkt, an dem man sehen muss, dass etwas falsch läuft. Wir alle sind gefragt: Gesellschaft, Politiker, Medien, Konzerne und jeder Einzelne im Privaten.
Sie studieren Umweltwissenschaften. Was sagen Sie als Expertin zur Nachhaltigkeit der Olympischen Spiele in Paris?
Es wurde angekündigt, dass Paris die nachhaltigsten Olympischen Spiele der Geschichte werden sollen. Es wäre natürlich schön, wenn das so sein würde. Aber wir müssen uns alle bewusst machen, dass das alleine nicht reichen wird. Wir müssen in allen Bereichen nachhaltig werden. Das ist auch keine Frage des Wollens, sondern eine Notwendigkeit. Das muss in das Bewusstsein aller Menschen rücken, das muss jeder lernen, zu akzeptieren. Wir müssen Strategien entwickeln, nachhaltiger zu leben, weniger Emissionen auszustoßen. Zudem müssen wir eine Nachhaltigkeit einführen, die das Thema Gerechtigkeit in den Vordergrund stellt. Jetzt und für zukünftige Generationen. Da liegt noch einiges vor uns als Gesellschaft. Wir müssen diese Fragen als Team angehen. Und das Team endet eben nicht an den eigenen Ländergrenzen, sondern man muss global zusammenwachsen und global Lösungen finden, die fair sind.
Wäre es für sie eigentlich eine Option, sich nach der Sportkarriere politisch in einem Amt zu engagieren?
Jetzt gerade kann ich das für mich nicht sehen. Ich habe viel Hochachtung vor Politikern, weil ich weiß, dass dahinter sehr viel Arbeit steckt und das auch nicht immer leicht ist. Man wird mit vielen Herausforderungen konfrontiert. (dpa/mig) Aktuell Interview Panorama
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