Rheinland-Pfalz
Sprachförderung im Kita-Alltag
Verbindliches Vorschuljahr? Extra Sprachkurs? Tests? In der Debatte um die beste Deutschförderung für Kita-Kinder setzt die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Hubig auf eine alltagsintegrierte Sprachförderung.
Von Ira Schaible Dienstag, 13.08.2024, 11:11 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 12.08.2024, 16:36 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Erzieher Jonas singt mit 17 Kindergartenkindern das „Bananenlied“ – begleitet auf der Gitarre. Seine Kollegin Marie spielt gleichzeitig im Nachbarraum mit drei Jungen Tier-Memory. Die Mainzer Kita „Sandflora“ mit ihren rund 140 Kindern im Alter von null bis sechs Jahren überlässt die Spracherziehung dabei aber nicht dem Zufall. Die Mädchen und Jungen aus rund 25 Nationen – fast 38 Prozent haben einen Migrationshintergrund – werden im normalen Kita-Alltag ganz gezielt gefördert.
Beim Singen, Reimen, Spielen, Basteln und Vorlesen regen die Erzieher die Kinder immer wieder zum Sprechen und Erzählen an. Sie stellen ihnen Fragen, wiederholen Gesagtes, haken nach und achten dabei auf die Sprachfähigkeit. Zu dem wissenschaftlich fundierten Konzept gehört auch: Sprechen in ganzen Sätzen.
Der Tag beginne in den sieben Gruppen mit einem Stuhlkreis und wechselnden Stuhlkreischefs, die bestimmen dürften, was gelesen, gesungen oder vorgelesen werde, berichtet die Leiterin der Kita, Sonia Lucchese. Und die Stuhlkreischefs bestimmen auch das Thema, über das in der Gruppe an dem Tag gesprochen wird.
Jede Gruppe hat auch einen Sprecher oder eine Sprecherin gewählt. Diese kommen regelmäßig zusammen, um die Wünsche aus ihren Gruppen mit der Kita-Leitung zu besprechen: Öfter Tomatensuppe wünschen sie sich zum Beispiel oder ein neues Spielgerät im Garten.
Ein gutes Vorbild sein
„Die Kinder werden von Anfang an gefördert und unterstützt“, berichtet die Sprachbeauftragte der Einrichtung, die selbst mit Deutsch und Türkisch aufgewachsen ist, ihren Namen aber lieber nicht nennen möchte. So lernten die Jungen und Mädchen schnell, ihre Gefühle und Wünsche zu äußern und für sich zu sorgen. „Beim An- und Ausziehen oder beim Mittagessen entstehen die tollsten Gespräche.“
„Wir korrigieren die Kinder nicht beim Sprechen, versuchen aber ein gutes Vorbild zu sein“, berichtet die Sprachbeauftragte. Die Erzieher wiederholten das Gesagte in den richtigen Worten oder gäben in richtigem Deutsch Feedback, erläutert Sibylle Kobusinski, Fachberaterin Sprache für die städtischen Kitas in der Landeshauptstadt. „Damit gehe ich auf das Inhaltliche ein, nicht auf das Falsche.“
Die Förderung beginnt schon bei den Jüngsten: Bei den Babys und Kleinkindern, bei denen die Pflege, das Wickeln und Sauberkeitserziehung im Vordergrund stehen, werde jeder Schritt sprachlich begleitet, berichtet Lucchese.
Gezielte Förderung
Kinder mit Sprachauffälligkeiten würden gezielt gestärkt und gefördert, sagt Kobusinksi. Dabei werde auch geschaut, ob es logopädische Gründe dafür gebe oder ob sie Deutsch als Zweitsprache lernten.
„Kinder lernen von Kindern viel schneller“, sagt Kobusinski. Die Beziehung zu den Pädagogen sei beim Sprechen lernen aber ebenfalls wichtig. „Kinder brauchen auch Sicherheit“, betont Kita-Leiterin Lucchese. Manche Kinder mit Fluchterfahrung etwa kämen ohne ein Wort Deutsch in die Kita. „Wenn sie dann mit den anderen Kindern Deutsch sprechen, ist das so schön“, berichtet die Sprachbeauftragte.
Kobusinski trifft sich regelmäßig mit den Sprachbeauftragten der städtischen Kitas in Mainz, um sie zu sensibilisieren und Anregungen zu geben. Eine Wortschatz-Liste mit Wörtern zum Thema Gehen nennt sie als ein Beispiel. Die Sprachbeauftragten wiederum geben diese Impulse an ihre Kollegen im Team weiter.
Sprachbeauftragte in jeder zweiten Kita
In mehr als der Hälfte der rund 2.700 Kitas im Land gibt es inzwischen solche Sprachbeauftragte. Bildungsministerin Stefanie Hubig möchte, dass es noch mehr werden, am besten eine in jeder Kita. „Frühe sprachliche Bildung hat einen großen Einfluss auf den späteren Bildungserfolg“, betont die SPD-Politikerin. Die alltagsintegrierte Sprachbildung und -förderung stärke Chancengleichheit und Bildungerechtigkeit.
Die Sprachbeauftragten sollen sich laut Kita-Gesetz darum kümmern, die Qualität der Sprachbildung zu sichern. Dennoch sei es auch wichtig, dass Kinder mit Migrationshintergrund auch ihre Muttersprache beherrschten, um ein Grundgefühl für den Aufbau von Sprache zu haben.
„Die Eltern sind sehr kooperativ. Sie wollen, dass ihr Kind schnell Deutsch lernt“, berichtet die Sprachbeauftragte von „Sandflora“. Das sei für einige auch Ansporn. „Manche Kinder wollten dann auch zu Hause nur noch Deutsch sprechen.“ (dpa/mig) Aktuell Panorama
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