Kampf gegen Fluchtursachen
Klimaverhandlungen: Der große Streit ums Geld
Klimahilfe ist auch Bekämpfung von Fluchtursachen. Doch es fehlen hunderte Milliarden Dollar in armen Ländern, um die Klimakrise zu bewältigen. Vor dem Klimagipfel gibt es Streit über Hilfszahlungen. Doch nötig sind Finanzreformen, etwa eine Milliardärssteuer.
Von Moritz Elliesen Dienstag, 27.08.2024, 13:35 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 27.08.2024, 13:35 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nicht nur deutsche Haushaltspolitiker ringen diesen Sommer ums Geld. Auch die internationale Klimapolitik wird vom Streit über die Finanzen bestimmt. Spätestens im November, bei der Klimakonferenz in Aserbaidschans Hauptstadt Baku, könnte der Konflikt eskalieren.
Zur Verhandlung steht ein altes Versprechen der Industriestaaten. Sie hatten zugesagt, wirtschaftlich arme Länder jährlich mit 100 Milliarden US-Dollar im Kampf gegen die Erderwärmung zu unterstützen, sowohl bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels als auch bei der Energiewende, im Fachjargon „Mitigation“ genannt.
Bis 2025 noch gilt das sogenannte 100-Milliarden-Dollar-Ziel, das laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erstmals 2022 erreicht wurde. Beim Klimagipfel in Baku (COP 29) sollen sich die Staaten auf ein neues Ziel einigen. Angesichts der zunehmenden Fluchtbewegungen aufgrund des Klimawandels ist das auch dringend nötig.
Verhandlungen festgefahren
Doch weniger als drei Monate vor Beginn des Gipfels sind die Verhandlungen darüber laut Fachleuten an vielen Punkten festgefahren. Neben der Höhe der Summe für die Zeit nach 2025 sei offen, welche Länder zu Zahlungen aufgefordert werden, sagt der Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig: Werden nur die alten Industrieländer wie die USA und Deutschland zur Kasse gebeten oder auch neue Schwergewichte wie China und Indien sowie Golfstaaten wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate?
Verhandelt wird damit auch die Frage, wer gerechterweise für die Kosten der Klimakrise aufkommen muss. Was den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase angeht, ist die Aufteilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer aus dem Jahr 1992, als die UN-Klimarahmenkonvention verabschiedet wurde, zumindest in Teilen veraltet. China etwa ist nicht nur absolut der weltweit größte Verursacher von Treibhausgasemissionen, sondern schließt auch beim Pro-Kopf-Ausstoß weiter auf und hat inzwischen die 27 EU-Staaten überholt. Öl-exportierende Länder wie Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate fallen insgesamt zwar weniger ins Gewicht, haben aber, gerechnet auf die Einwohnerzahl, einen höheren Pro-Kopf-Ausstoß als etwa die USA. Auf der anderen Seite stoßen die vom Klimawandel am meisten betroffenen Länder die wenigsten Emissionen aus.
Rote Linien und Finanzierungslücken
Die alten Industrieländer beharren laut Kowalzig darauf, dass beim neuen Finanzierungsziel auch Länder wie China stärker in die Pflicht genommen werden. „Das ist ihre rote Linie, sie wollen nicht so weitermachen wie bisher.“ Dieses Anliegen sei „grundsätzlich nachvollziehbar“. Aber die Interessen und Bedürfnisse der ärmsten Länder dürften durch den Streit nicht unter den Tisch gekehrt werden.
Doch selbst wenn weitere Länder einzahlen, bleibt aller Voraussicht nach eine Finanzierungslücke bestehen. Insgesamt benötigen die Entwicklungsländer laut dem Generalsekretär der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC, Simon Stiell, für den Ausbau erneuerbarer Energien, die Anpassung und andere klimabezogene Anliegen jährlich rund 2,4 Billionen Dollar. Laut dem UN-Umweltprogramm Unep fehlen allein für die Anpassung, also etwa den Bau von Dämmen oder die Einrichtung von Frühwarnsystemen, 194 bis 366 Milliarden Dollar pro Jahr.
Mindeststeuer für Milliardäre?
Solche Summen kämen laut Kowalzig auch dann nicht zusammen, wenn die Staaten in Baku sich auf eine Erweiterung der Geberbasis einigen würden. „Auch wenn zusätzlich Länder wie China einzahlen, sind höchstens 10 bis 20 Prozent mehr Geld denkbar“, sagt der Oxfam-Experte. Um die immensen Kosten für die Bewältigung der Klimakrise zu finanzieren, seien Reformen im internationalen Finanzsystem nötig.
Helfen würde aus seiner Sicht etwa eine globale Mindeststeuer für Milliardäre, wie sie zuletzt von Brasilien im Rahmen der G20-Präsidentschaft vorgeschlagen wurde und die auch von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) unterstützt wird. Etwa 250 Milliarden Dollar pro Jahr würde eine solche Steuer Schätzungen zufolge bringen. Dieses Geld könnte für den Klimaschutz eingesetzt werden, sagt Kowalzig. Denn bei der Debatte über neue und alte Geber in der Klimafinanzierung dürfe nicht vergessen werden: „Es gibt in der Welt genügend Reichtum, um das alles zu bezahlen.“ (epd/mig) Aktuell Panorama
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