Frankreich & England „bestürzt“
Zwölf Tote bei Bootsunglück im Ärmelkanal
Tödlich enden nicht nur Überfahrten im Mittelmeer, auch im Ärmelkanal Richtung Großbritannien kentert ein Flüchtlingsboot. Französische Helfer ziehen Dutzende Menschen aus dem Wasser. Doch es gibt auch Tote. Frankreich und Großbritannien zeigen sich „bestürzt“ über den Tod von Menschen, die nicht da sein sollen.
Mittwoch, 04.09.2024, 12:37 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 04.09.2024, 12:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Beim Kentern eines Flüchtlingsboots im Ärmelkanal sind zwölf Menschen vor der Küste Nordfrankreichs ums Leben gekommen. Ein Großteil von ihnen seien Frauen, sagte Frankreichs amtierender Innenminister Gérald Darmanin. Auch Minderjährige seien unter den Opfern. Am Abend befanden sich zwei Verletzte noch in Notversorgung.
Laut der Meerespräfektur gab es am späten Abend keine Vermissten mehr. Bei der Rettungsaktion vor dem Küstenort Le Portel bei Boulogne-sur-Mer wurden demnach 65 Menschen aus dem Wasser gezogen. Zwölf davon hätten nur noch tot geborgen werden können. Einige der Geretteten würden notfallmedizinisch versorgt. Bei der Rettungsaktion kamen zahlreiche Schiffe und Hubschrauber zum Einsatz. Alle Meschen auf dem gekenterten Boot, das Richtung Großbritannien unterwegs war, seien ins Meer gestürzt.
„Bestürzung“ in Frankreich und Großbritannien
Innenminister Darmanin sagte am Unglücksort: „Das ist ein Drama, das uns alle berührt.“ Die Menschen seien auf einem kleinen Boot unterwegs gewesen, das nicht einmal sieben Meter lang sei. Die Justiz ermittle nun. Der Minister forderte auch, ein Migrationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien müsse ausgehandelt werden.
Auch die britische Innenministerin Yvette Cooper zeigte sich bestürzt und verurteilte die Machenschaften von Schleuserbanden. Solche Banden pferchten mehr und mehr Menschen in Boote, die nicht seetauglich seien, und schickten sie selbst bei sehr schlechtem Wetter aufs Meer hinaus, kritisierte Cooper auf X.
Auf der anderen Seite stehen Frankreich, Großbritannien sowie die gesamte Europäische Union seit vielen Jahren in der Kritik, Menschen in Not keine legalen Fluchtwege zu bieten. Verzweifelten Menschen bleibe daher keine andere Chance, als ihr Schicksal in die Hände von Schleusern zu legen und in nicht seetaugliche Boote zu steigen.
Boot war mit Migranten ohne Schwimmwesten überladen
Der Sender France 3 berichtete von einem mit Geflüchteten überladenen Boot. Diese hätten keine Schwimmwesten gehabt. „Mir fehlen die Worte, es lässt mir das Blut gefrieren“, sagte der Vorsitzende der Hilfsorganisation Osmose 62, Dany Patoux, dem Sender angesichts der Leichensäcke am Kai.
„Wir sind erschüttert über die tragischen Todesfälle bei dem jüngsten Vorfall im Ärmelkanal“, sagte der Chef der britischen Flüchtlingshilfsorganisation Refugee Council, Enver Solomon. „Die Zahl der Todesopfer im Ärmelkanal war in diesem Jahr schockierend hoch. Dies ist ein verheerender Trend, der zeigt, dass dringend ein umfassender und mehrgleisiger Ansatz erforderlich ist, um die gefährlichen Überfahrten im Ärmelkanal zu verringern.“
Immer wieder überqueren Menschen den Ärmelkanal, um Großbritannien zu erreichen. Oft unternehmen sie die Reise in kleinen Schlauchbooten. Die Überfahrt ist gefährlich, auch weil der Meeresarm von vielen großen Schiffen befahren wird. Bei den Überfahrten kommen immer wieder Menschen ums Leben. Im November 2021 starben beim Untergang eines Boots vor der nordfranzösischen Küste 31 Menschen, darunter fünf Frauen und ein kleines Mädchen.
Großbritannien bekämpft Flucht über den Ärmelkanal
Großbritannien versucht, die Flucht über den Ärmelkanal seit Längerem auch mit französischer Hilfe einzudämmen und zahlt dafür Millionensummen an Frankreich. Die frühere konservative Regierung wollte Geflüchtete mit einem harten Vorgehen abschrecken – zum Beispiel mit dem Plan, sie ohne Rücksicht auf ihre eigentliche Herkunft nach Ruanda abzuschieben.
Der neue britische Premierminister Keir Starmer allerdings, der seit Juli mit seiner sozialdemokratischen Labour-Partei regiert, hat das Vorhaben wieder gekippt, nachdem auch Gerichte und Menschenrechtsorganisationen es scharf kritisiert hatten. Starmer hat dafür angekündigt, stärker gegen Schlepperbanden vorgehen zu wollen. Vor einigen Tagen erst beriet sich Starmer mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über den Umgang mit Fluchtbewegungen über den Ärmelkanal. (dpa/mig) Aktuell Ausland
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