Brandenburg vor der Wahl
AfD-Forderungen erinnern an Nürnberger Rassengesetze
Namhafte Vertreter aus Wissenschaft und Kultur richten sich vor der Brandenburg-Wahl gegen Ziele der AfD, die an die Nürnberger Rassegesetze erinnern. Jetzt fordert sie auch noch Privatisierung von Abschiebungen. Experte bescheinigt der Partei eine „Nazifizierung“.
Mittwoch, 18.09.2024, 13:09 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 18.09.2024, 13:37 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Wenige Tage vor der Landtagswahl wenden sich namhafte Vertreter aus Wissenschaft und Kultur in Brandenburg in einem Aufruf gegen die AfD und machen sich für eine vielfältige Gesellschaft stark. Hintergrund ist ein Antrag der AfD im Landtag vom August, in dem sich die Fraktion gegen Vereine richtet, die sich für eine vielfältige Gesellschaft einsetzen. Zudem wollte die AfD etwa Asylbewerbern den Zutritt zu öffentlichen Veranstaltungen verwehren.
In dem Antrag der AfD-Landtagsfraktion hieß es, die AfD wendet sich gegen das Aktionsbündnis „Tolerantes Brandenburg“ und deren finanzielle Förderung. Zudem wird gefordert, allen Vereinen, „die sich in ihrem Vereinszweck auf Vielfalt berufen“, die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Mit dem Entschließungsantrag, der im Landtag mehrheitlich abgelehnt wurde, trat die AfD für ein Betretungsverbot öffentlicher Veranstaltungen für Asylberechtigte, ukrainische Kriegsflüchtlinge, vollziehbar ausreisepflichtige und geduldete Ausländer sowie Asylantragsteller ein. Das brachte ihnen scharfe Kritik ein, die Forderung erinnere an die Nürnberger Rassengesetze. Mit den Nürnberger Rassengesetzen verfolgten die Nationalsozialisten vor allem den Zweck, jüdische Staatsbürger zu entrechten.
Gefahr für Brandenburg
„Wir sehen in einer solchen Politik nicht nur eine Gefahr für unsere pluralistische Kultur und Wissenschaftskultur in Brandenburg, sondern auch für unser gesamtes gesellschaftliches Leben und ein von Respekt getragenes Miteinander auf der Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, heißt es in der Stellungnahme „Brandenburg braucht Vielfalt“, die von zahlreichen Persönlichkeiten unterzeichnet wurde.
Dazu gehören unter anderem der Präsident der Universität Potsdam, Oliver Günther, der Direktor der Stiftung brandenburgischer Gedenkstätten, Axel Drecoll, der Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Christoph Martin Vogtherr, Vertreter von Kirchen, des Zentralrats der Juden und weitere Unterstützer. „Wir fordern dazu auf, sich nachdrücklich für ein vielfältiges Brandenburg und für den Respekt vor der Würde jedes Menschen einzusetzen und jeder Form der Diskriminierung und gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit entschieden entgegenzutreten.“
AfD will Abschiebungen privatisieren
Unbeeindruckt vom Protest macht die AfD jetzt mit einer neuen Forderung von sich reden: Sie will private Firmen für Abschiebungen ausreisepflichtiger Asylbewerber einsetzen und stößt damit ebenfalls auf harsche Kritik. Das Abschieben ist eine hoheitliche Aufgabe des Staates.
Nach Ansicht der AfD-Abgeordneten Lena Kotré kann die Aufgabe aber wie in anderen Fällen an private Unternehmen vergeben werden. „Es gibt durchaus die Möglichkeit in Deutschland, dass man hoheitliche Aufgaben an sogenannte Beliehene ausgibt“, sagte sie. Die privaten Unternehmen sollen mit Herkunftsländern sprechen, Ersatzpapiere beschaffen, sich um Flüge sowie um Namen und Adressen kümmern. Bei ihrer Arbeit sollen die Firmen aber mit staatlichen Stellen zusammenarbeiten.
Kritik von Linken und Grünen
Die AfD-Fraktion will dafür mehr Abschiebehaftplätze errichten – zum Beispiel auf der grünen Wiese. „Die kommen in eine Abschiebehaftanstalt, wo keine großen Standards eingehalten werden müssen, das ist eben eine Art Gefängnis“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Dennis Hohloch.
Linksfraktionschef Sebastian Walter sagte, es werde deutlich, „dass es der AfD am Ende gar nicht um Abschiebungen geht“. „Am Ende geht es ihnen darum, ihre Helfershelfer zu unterstützen“, sagte er und meinte damit Mitarbeiter in Sicherheitsunternehmen. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Benjamin Raschke wies den Vorschlag ebenfalls zurück. „Dem erteilten wir eine klare Absage“, sagte Raschke. „Es ist mal wieder nur Stimmungsmache der AfD.“
Extremismusforscher: „Nazifizierung“ bei der AfD
Nach Einschätzung des Extremismusforschers Gideon Botsch ist die AfD in Brandenburg im Zuge der Migrationsdebatte radikaler geworden. „Die Sprache ist deutlich radikalisiert, das Auftreten ist deutlich radikalisiert und der Tendenz nach findet auch eine Nazifizierung statt“, sagte der Politikprofessor an der Universität Potsdam der Deutschen Presse-Agentur. Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt.
„Je schriller die Töne aus den demokratischen Parteien werden insbesondere in Zuwanderungsfragen und je absurder und hysterischer die vorgeschlagenen Maßnahmen werden, desto mehr radikalisiert die AfD ihre eigene Sprache“, sagte er. „Das sind die Sachen, die bisher hinter vorgehaltener Hand gesagt wurden.“ Der Verfassungsschutz Brandenburg stuft den AfD-Landesverband als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein.
Asyldebatte gibt AfD Vorlage
Vor der Landtagswahl liegt die AfD in Umfragen vor der SPD – allerdings mit unterschiedlichem Abstand. Im ZDF-Politbarometer Extra von Freitag erreicht die AfD 29 Prozent, die SPD kommt auf 26 Prozent. Im Brandenburg-Trend für die ARD von Donnerstag liegt die AfD bei 27 Prozent, dicht gefolgt von der SPD mit 26 Prozent.
Seit dem Anschlag in Solingen mit drei Toten wird über eine schärfere Asylpolitik debattiert. „Das ist das Themenfeld, das die AfD erfolgreich bespielen kann, vor allem, wenn die demokratischen Parteien ihr immer Gelegenheit und Vorlagen geben, um sich zu profilieren“, sagte der Forscher. (dpa/mig) Leitartikel Politik
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