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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Der Feind heißt nicht AfD

Warum die Union nicht für ein AfD-Verbot ist? Na, weil die AfD für die Union ein diskursiver Türöffner ist. Sie macht Politik vertretbar, für die in den 90ern noch ein wütender Mob Häuser anzünden musste.

Von Montag, 28.10.2024, 10:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 28.10.2024, 8:38 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Das AfD-Verbotsverfahren, es nimmt weiterhin kaum Fahrt auf. Zu viele, die vom Aufstieg der AfD profitieren und sie weiter für den eigenen politischen Erfolg instrumentalisieren wollen. Das Mantra dieser Leute ist schon immer dasselbe: Wir müssen die AfD „inhaltlich stellen“ – weil das in den letzten 10 Jahren zumindest für sie selbst so hervorragend funktioniert hat. Denn was man sich 2014 auf dem CDU/CSU-Stammtisch noch zu denken schämte, man darf es heute längst offen sagen, ohne auch nur schief angeschaut zu werden.

Nicht nur politisch, auch rhetorisch nähert sich die Union dabei immer weiter der AfD an. Vereint gegen den gemeinsamen Feind, die große Gefahr für ihr Deutschland, blasen die Rechtsaußen zum großen Kulturkampf gegen Grüne und Migranten – und erlassen, während sie sich gleichzeitig über Sprechverbote aufregen, Sprech- und Genderverbote, entziehen basisdemokratischen Bildungsprojekten die Finanzierung und geben sich alle Mühe, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks da zu beschneiden, wo er besonders wichtig ist: in gesellschaftlicher und politischer Berichterstattung, bei Kunst und Kultur, bei der Berichterstattung über Nachrichten, all dem, was unser angeblich so christliches Abendland konstituiert, kurz: allem, mit dem der selbsternannte Kulturkrieger nichts anfangen kann. Das alles unter dem Deckmantel einer angeblichen finanziellen Sanierung, die wohl schon erreicht wäre, würden die Sender allein auf die Rechte an der Fußball-Bundesliga der Männer verzichten.

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„Die kleinen Paschas von der Union mittlerweile auch verbal längst auf dem Niveau der Neonazis angekommen.“

Ideologisierende fake news-Schleudern wie Markus Söder, der mittlerweile selbst Trump und Putin gelegentlich wie seriöse Pragmatiker erscheinen lässt, versuchen auf diesem Wege ganz konkret, nicht nur die Demokratie, sondern gleich die ganze Realität auszuhöhlen. Nur so kann erreicht werden, dass sein an den Haaren herbeigezogener geistiger Durchfall nicht nur bei seinen Schwurblern verfängt, sondern auch von Zeitungen, denen das Auflage und Klicks verspricht, wiedergekäut wird: Können die erst einmal die Schlagzeile bringen und den Rest hinter einer Paywall verstecken, ohne dass die tagesschau gleich den ganzen Spaß verdirbt, dann bleibt auch mehr von der Scheiße hängen. Und sind die eigenen Anhänger erst einmal zuverlässig in einer Blase von der Realität abgeschottet, dann glauben sie sicher auch irgendwann noch, dass ihnen die Grünen tatsächlich die Haustiere wegnehmen wollen. Genau so operiert auch die AfD.

Dass man es in Bayern mittlerweile sogar für angemessen hält, innerhalb der politischen Diskussion Patronen zu verschicken, zeigt dann auch, dass die kleinen Paschas von der Union mittlerweile auch verbal längst auf dem Niveau der Neonazis angekommen sind: Offensichtlich will man zukünftig mit aller Macht auf der anderen Seite der Lübcke-Pistole stehen.

Es überrascht dann auch nicht, dass die Partei, die der AfD auf so breiter Front nacheifert, einem Verbot genau dieser Partei eben nicht allzu offen gegenübersteht. Die AfD ist für die Union ein diskursiver Türöffner, die Dinge sagbar macht, die früher nur nach intensiver Alkoholisierung am Unions-Stammtisch getuschelt werden durften, immer auf der Lauer, ob nicht doch jemand lauscht; sie macht Politik vertretbar, für die in den 90ern noch ein wütender Mob Häuser anzünden musste. Und weil die AfD immer noch einen draufsetzen muss, können sich Söder und Merz, die heute tendenziell eher rechts von der Lucke-AfD argumentieren, weiter auf die „wirklich Radikalen“ weiter rechts von ihnen zeigen.

„Merz war einmal angetreten, um die AfD zu halbieren… Tatsächlich geht die Tendenz seitdem beständig in Richtung Verdopplung.“

Merz war einmal angetreten, um die AfD zu halbieren – es scheint, als habe er das insbesondere dadurch erreichen wollen, dass er die AfD kopiert. Tatsächlich geht die Tendenz seitdem beständig in Richtung Verdopplung. Und selbst wenn es ihm gelungen wäre, die AfD zu halbieren: Welchen Wert hätte es überhaupt für Deutschland, wenn dies nur um den Preis geschähe, dass die Union die AfD politisch ersetzt? Welchen Namen ein Kind hat, ist doch schnurzpiepe, wenn wir uns alle einig sind, dass es ein Arschloch ist, das besser abgetrieben worden wäre – und tun wir nicht so, als kennten wir nicht alle so ein Kind.

Nun kann man Parteien nicht einfach abtreiben, schon gar nicht nach der Geburt – auch wenn Donald Trump gern davon fantasiert und die Behauptung schon deshalb sicher auch bald in die Union herüberschwappt. Was wir aber tun können, ist Internettrollen wie Markus Söder entschlossen entgegen zu treten und ihre Lügen zu enttarnen. Wir können das Kind Alexander Räuscher beim Namen nennen. Und wir können endlich ein Verbotsverfahren in die Wege leiten, um eine Linie in den Sand zu ziehen und zu sagen: Bis hierhin und nicht weiter. Kein Björn Höcke. Keine Alice Weidel. Kein Friedrich Merz. Und schon gar kein Markus Söder, den die paar Fussel in seinem Gesicht auch nicht menschlicher machen. Meinung

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  1. Martin Stenzel sagt:

    Ein äußerst guter Beitrag – wie eigentlich immer…

    In ihm wird auch meine Ansicht geteilt, dass AfD und CDU sich immer weiter annähern – auch wenn das oftmals lautstark dementiert wird.

    Wahlen 2025 – wenn da die CDU gewinnt… da ist das wahrscheinlich gute Ergebnis für die AfD mglw. auch nicht mehr die Katastrophe.

    Und zu „Ost“ und „West“… Nimmt man Stimmen von CDU und AfD zusammen, besteht kein relevanter Unterschied zwischen „neuen“ und „alten“ Ländern.