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Eine Demonstration von Neonazis © Tim @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Sicherheit mit Baseballschlägern?

Manifestes rechtsradikales Problem in Gera

Seit mehreren Jahren macht eine rechte Demo-Szene der Stadt Gera zu schaffen. Kritiker bemängeln einen zu laschen Umgang – und sehen sich einer neuen Bedrohung ausgesetzt: bewaffnete Bürgerwehr.

Von Montag, 04.11.2024, 13:41 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 04.11.2024, 13:46 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Blockaden vor einem Flüchtlingsheim, Militärfahrzeuge auf Demonstrationen – und jetzt auch noch eine Bürgerwehr? Nach entsprechenden Ankündigungen aus der rechten Szene in Gera prüfe das Ordnungsamt aktuell das Thema, sagte Oberbürgermeister Kurt Dannenberg (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. „Sollte sich bewahrheiten, dass sich hier eine bewaffnete Bürgerwehr gegründet hat, ist das ein Straftatbestand.“ Was ist los in der ostthüringischen Stadt, die immer wieder bundesweit in die Schlagzeilen gerät?

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Jeden Montagabend gehen in Gera mehrere Hundert Menschen auf die Straße. Gestartet als Protest gegen Corona-Maßnahmen – damals noch mit teils Tausenden Teilnehmern – geht es dem harten Kern heute um Fundamentalkritik am Staat. Oder wie es der Thüringer Verfassungsschutz nennt: „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“. Hier gebe es aber auch in anderen Städten eine Szene, etwa in Erfurt, Weimar, Zeulenroda-Triebes und Leinefelde-Worbis, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2023.

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Sicherheitsspaziergänge mit Baseballschlägern?

In Gera gibt es dazu immer wieder Auftritte bekannter Rechtsextremisten, eine Vernetzung mit dem rechtsextremen Compact-Magazin und Agitation gegen Geflüchtete. Im Frühjahr etwa versuchten Menschen aus dem Spektrum, die Zufahrt zu einer vom Land geplanten Flüchtlingsunterkunft in Gera zu blockieren. Vergangenes Jahr fuhr zum Tag der Deutschen Einheit ein Militärfahrzeug durch die Stadt.

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Zuletzt machte ein Aufruf aus der Szene die Runde, sich mit Baseballschlägern sogenannten Sicherheitsspaziergängen in der Stadt anzuschließen. Die Polizei Gera und das Thüringer Innenministerium bestätigten, den Aufruf zu kennen. Weitere Erkenntnisse lägen nicht vor.

Aktionsbündnis spricht von „bedrohlicher Situation“

„An dem Tag, als die Ankündigung raus kam, habe ich mich auf dem Heimweg dreimal umgedreht“, sagt Janusz Riese vom Aktionsbündnis „Gera gegen Rechts“. Er organisiert den Gegenprotest und trommelt ebenfalls jeden Montag ein paar Hundert Menschen zusammen. Mitstreiter aus dem Bündnis hätten bereits mehrfach etwa 20 Leute mit Hunden durch die Stadt ziehen sehen. „Für uns ist das eine bedrohliche Situation.“

Aber selbst wenn es sich bei den „Sicherheitsspaziergängen“ nur um eine vollmundige Ankündigung handeln sollte – bedrohlich findet SPD-Mitglied Riese die Grundstimmung in der Stadt dennoch. „Es passieren hier sehr, sehr deutliche Einschüchterungsversuche.“

Stadt sieht wenig Handhabe

Die Stadt sieht gegen die Szene der Montagsdemonstranten wenig Handhabe. „Ich habe rechtlich keine Möglichkeiten, solche Versammlungen zu verbieten“, sagt Oberbürgermeister Dannenberg. Und auch für strenge Auflagen oder eine Standkundgebung gebe es sehr enge Grenzen. „Die Versammlungsfreiheit ist dafür gemacht worden, dass Minderheiten ihre Meinung vertreten können – ob sie uns gefällt oder nicht.“

Kritiker wie Riese bemängeln, dass die Stadt den rechten Demonstranten zu sehr entgegenkomme. Obwohl die Proteste etwa seit Wochen nicht mehr angemeldet seien, werde weiträumig der Verkehr gesperrt. „Eigentlich müssten die so in der Form gar nicht zugelassen werden.“

Stadt in der Kritik wegen Umgang mit rechten Demos

Das Versammlungsrecht sieht zwar nicht vor, dass Versammlungen angemeldet werden müssen. Allerdings gilt das nur für spontane Demos. In Gera treffen sich hingegen wöchentlich zur selben Uhrzeit Menschen mit Fahnen, Trommeln und Bannern. „Spontan mögen diese Kundgebungen nicht sein. Aber das ist immer noch kein Versagungsgrund“, sagte Dannenberg dazu.

Der CDU-Oberbürgermeister wurde bei der Kommunalwahl im Frühsommer ins Amt gewählt und war früher als Leiter des Ordnungsamtes auch für das Demonstrationsgeschehen zuständig. Schon damals hatte es immer wieder Kritik am Umgang damit gegeben. Ein Organisator der Kundgebungen hatte damals sogar einen Wahlaufruf für Dannenberg in die Welt gesetzt – wovon der sich distanzierte. Auch heute sagt er, ihm werde immer wieder irgendein Verhältnis zu dem Mann hinterher gesagt. „Das ist absoluter Blödsinn.“ Er rede nicht mit ihm.

Manifestes rechtsradikales Problem in Gera

Generell störe ihn der Fokus auf die Demos, so Dannenberg. „Es ist ein Ärgernis, dass wenige Hundert Menschen uns einen Stempel aufdrücken, den 96.000 Menschen in dieser Stadt nicht aufgedrückt haben möchten.“ Das sei rufschädigend für die Stadt und schädige die Wirtschaft. Seit mehreren Wochen versucht sich Gera daher an einer Kampagne für mehr Vielfalt. Die Kommentarfunktion auf den Social-Media-Kanälen der Stadt ist abgestellt. Laut Polizei ist die Zahl der politisch motivierten Straftaten in Gera 2023 im Vergleich zum Vorjahr etwas zurückgegangen, nachdem es vorher deutliche Anstiege gegeben hatte.

Das Problem sei, dass die große Masse nichts sage, so Dannenberg. „Den meisten Menschen in unserem Land geht es gut und sie sind nicht bereit, sich mit bürgerlichem Engagement dagegenzustellen.“ Riese meint, für viele Menschen sei das Thema inzwischen normalisiert. „Sie sind ermüdet von den Dauerkämpfen in der Stadt.“ In einem pflichtet er Dannenberg aber bei: „Es werden oft die schlechten Seiten dargestellt, dabei gibt es auch viele tolle Sachen in Gera.“ Und schiebt hinterher: „Wir haben hier aber auch ein manifestes rechtsradikales Problem. Und darüber muss gesprochen werden.“ (dpa/mig) Leitartikel Panorama

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