Taliban auf der COP29
Afghanistan, der große Verlierer des Klimawandels
Zum ersten Mal nehmen die seit 2021 in Afghanistan regierenden Taliban an der jährlichen UN-Klimakonferenz teil. Für das Land und seine Bevölkerung, die wie kaum ein anderes unter den Folgen des Klimawandels leidet, könnte das eine Chance sein.
Von Julian Busch Sonntag, 17.11.2024, 13:17 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.11.2024, 13:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Keine Regierung der Welt erkennt sie offiziell an, in der Vollversammlung der Vereinten Nationen haben sie keinen Platz. Doch erstmals dürfen die Taliban in diesem Jahr an der UN-Klimakonferenz teilnehmen – die radikalislamischen Machthaber in Afghanistan hoffen, dass ihnen das weitere Türen öffnet. Und für ihr von der Klimakrise gebeuteltes Land könnte es eine Chance sein.
Die Taliban, die nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan im Sommer 2021 vor allem wegen ihrer restriktiven Politik gegenüber Frauen und Mädchen international isoliert wurden, hatten sich bei den seitdem stattfindenden Klimakonferenzen in Scharm el-Scheich und Dubai vergeblich um eine Teilnahme bemüht. In der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku blieben ihnen die Türen nun nicht verschlossen.
Immer mehr inoffizielle Beziehungen mit Taliban
Denn zuletzt hatten die Meinungsverschiedenheiten über den Umgang mit der Taliban-Regierung innerhalb der internationalen Gemeinschaft deutlich zugenommen. Immer mehr Staaten, vor allem aus der unmittelbaren Nachbarschaft, nahmen zumindest inoffizielle Beziehungen zur Regierung in Kabul auf, ohne sie offiziell anzuerkennen.
Nach Angaben des afghanischen Außenministeriums traf bereits am Wochenende eine afghanische Delegation unter Leitung des Chefs des Nationalen Umweltprogramms, Matiul Hak Chalis, in Baku ein. Sie soll nur als „Beobachter“ ohne Stimmrecht teilnehmen. Möglich seien aber Gespräche am Rande der Konferenz oder kleinere bilaterale Treffen mit anderen Staaten, hieß es.
Afghanistan großer Verlierer des Klimawandels
Afghanistan, das kaum für die globalen Treibhausgase verantwortlich ist, gehört zu den am stärksten vom Klimawandel bedrohten Ländern der Welt. Die Erwärmung ist fast doppelt so hoch wie im globalen Durchschnitt. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu extremen Wetterereignissen wie Dürren und Überschwemmungen – zuletzt im Mai, als nach heftigen Regenfällen weite Gebiete überflutet wurden. Mehr als 300 Menschen verloren laut UN ihr Leben, Tausende Häuser wurden zerstört.
Während die meisten Vertreibungen in Afghanistan in den vergangenen Jahrzehnten durch Krieg und Gewalt ausgelöst wurden, sind nach Angaben der Hilfsorganisation „Save the Children“ seit der Machtübernahme der Taliban Klimakatastrophen zum Hauptgrund für die Flucht innerhalb des Landes geworden. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres seien mindestens 38.0000 Menschen durch Extremwetterereignisse wie Dürren, Überschwemmungen oder Wirbelstürme aus ihrer Heimat vertrieben worden – mehr als im gesamten Jahr 2023.
Eine der größten humanitären Krisen weltweit
Zugleich herrscht eine der größten humanitären Krisen weltweit: Mehr als ein Drittel der Bevölkerung ist in diesem Jahr von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Aufgrund jahrelanger Kriege und politischer Instabilität blieben notwendige Investitionen in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend aus. Afghanistan verfügt kaum über die notwendige Infrastruktur, um auf klimabedingte Katastrophen reagieren zu können.
Afghanistan-Experten wie Graeme Smith von der International Crisis Group begrüßen daher die Teilnahme der Taliban an der Konferenz in Baku. Das Land brauche dringend Investitionen in seine Infrastruktur, sagt Smith. Aus den vergangenen Jahren habe es auch noch Anspruch auf mehr als 800 Millionen Dollar aus internationalen Töpfen wie dem Green Climate Fund oder dem Anpassungsfonds der Vereinten Nationen, die zur Unterstützung von Entwicklungsländern eingerichtet wurden.
Klimaforschung – Umdenken bei der Taliban
Zwar hatten sich die Taliban in der Vergangenheit wiederholt ablehnend gegenüber der Klimaforschung geäußert. So zerstörten sie während ihrer ersten Herrschaft in den 1990er Jahren alle Wetterstationen und erklärten Wettervorhersagen zur Hexerei. Nach der neuerlichen Machtübernahme haben sie sich jedoch deutlich moderater gezeigt: Sie übernahmen die nationale Umweltbehörde von der vom Westen unterstützten Vorgängerregierung und führen in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft zumindest in begrenztem Umfang Umweltschutzprogramme durch.
Für Baku kündigte Behördenleiter Matiul Hak Chalis an, seine Delegation wolle die Chance nutzen, um über Möglichkeiten für Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen zu diskutieren – und um die Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft zu stärken. (epd/mig) Aktuell Ausland
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