Nicht ohne Eigennutz
Deutschland hilft Tschad bei Aufnahme von Geflüchteten aus Sudan
Der Tschad ist selbst arm und hat dennoch 700.000 Geflüchtete aus dem Sudan aufgenommen. Deutschland will das Land dabei unterstützen, die Menschen langfristig zu versorgen – nicht ohne Eigennutz. Eine Analyse zeigt: Entwicklungshilfe kommt Deutschland zugute.
Donnerstag, 21.11.2024, 10:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 21.11.2024, 10:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im Sudan herrscht seit mehr als eineinhalb Jahren ein blutiger Machtkampf. Nach UN-Angaben ist die Zahl der Vertriebenen auf mehr als 14 Millionen gestiegen. Davon seien 11 Millionen innerhalb des Landes auf der Flucht. 3,1 Millionen Menschen suchten außerhalb des Sudans Schutz, 700.000 von ihnen im Osten des Tschad, obwohl das Land selbst sehr arm ist.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) lobte die großzügige Aufnahme. An jedem Tag kämen Hunderte Menschen über die Grenze. Mehr als 90 Prozent der Flüchtlinge, die es bis in den Tschad schaffen, seien Frauen und Kinder, sagte Schulze am Donnerstag am Rande eines Besuchs im Tschad dem Deutschlandfunk. Diese bauten sich zunächst aus Planen und Ästen einfache Unterkünfte, in denen sie schlafen können.
Trotz der Hilfe der Vereinten Nationen und von Hilfsorganisationen „reicht alles nicht“, sagte Schulze, die von einer „ganz, ganz furchtbaren Situation“ sprach. In dieser Lage sei der Tschad als armes Land „wirklich solidarisch“. Es könne demütig machen, wenn man sehe, dass ein Ort mit 40.000 Einwohnern mehr als 200.000 Flüchtlinge aufgenommen hat.
Deutschland will Aufnahme von Geflüchteten unterstützen
„Die Lage der Menschen im Sudan bekommt viel zu wenig Aufmerksamkeit. Dabei handelt es sich um die derzeit größte Vertreibungskrise weltweit“, sagte Schulze. „Sie kommen in ein Land, das selbst zu kämpfen hat, mit Unsicherheit, Dürren, Überschwemmungen und Hunger. Trotzdem: Tschad errichtet keine Zäune, sondern zeigt Solidarität mit den Flüchtlingen“, so die Ministerin.
Deshalb wolle Deutschland ein Projekt zur besseren Integration von sudanesischen Geflüchteten in dem Sahel-Staat unterstützen. Im Laufe der kommenden fünf Jahre will die tschadische Regierung 100.000 Hektar Land kostenfrei verpachten – eine Hälfte an Flüchtlingsfamilien, die andere Hälfte an bedürftige Familien in Aufnahmegemeinden. Pro Familie soll ein Hektar vergeben werden. Das Welternährungsprogramm werde die Familien dabei unterstützen, das Land nutzbar zu machen.
Sorge vor Fluchtbewegungen Richtung Europa
„Man muss leider davon ausgehen, dass eine Rückkehr in den Sudan für die meisten Flüchtlinge auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird“, sagte Schulze. Humanitäre Hilfe sei keine Dauerlösung. „Darum ist der Ansatz, den Flüchtlingen und Aufnahmegemeinden Land zu geben und es als Äcker und Weiden wieder nutzbar zu machen, so wegweisend: Wer fruchtbares Land hat, kann sich selbst versorgen.“
Ganz ohne Selbstnutzen dürfte die versprochene Hilfe nicht sein. Deutschland und Europa blicken zunehmend mit Sorge auf steigende Fluchtbewegungen in Afrika. Dabei treibt die Sorge um, die Menschen könnten aufgrund von Armut und mangelnder Zukunftsperspektiven in armen Ländern Richtung Europa fliehen. Durch Geldzahlungen und sogenannte Migrationsabkommen versucht die Europäische Union daher, ärmere Länder dazu zu bewegen, ihre Grenzen dichtzumachen und Menschen an der Weiterreise zu hindern.
Entwicklungshilfe kommt Deutschland zugute
Entwicklungshilfe kommt Deutschland aber auch aus wirtschaftlicher Sicht zugute, wie eine Analyse der Universität Göttingen zeigt. Danach sichern Ausgaben in die Entwicklungszusammenarbeit rund 140.000 Arbeitsplätze in Deutschland, erklärte die staatliche KfW Bankengruppe. Die Berechnungen zeigten, dass mit jedem Euro Leistungen in der Entwicklungszusammenarbeit die deutschen Warenausfuhren durchschnittlich um 0,36 Euro stiegen, hieß es weiter.
Gute Geber-Empfänger-Beziehungen sorgten außerdem dafür, dass „Made in Germany“ in den Partnerländern bekannter werde und positive Assoziationen wecke. Im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2023 habe die deutsche Entwicklungszusammenarbeit die Warenexporte deutscher Unternehmen um 7,9 Milliarden Euro pro Jahr erhöht. (dpa/epd/mig) Leitartikel Politik
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