Rheinland-Pfalz-Studie
Jeder zweite Polizist lehnt muslimfeindliche Aussagen nicht ab
Nach George Floyd und rechtsextremen Chats in Polizeikreisen wurde in Rheinland-Pfalz eine Studie in Auftrag gegeben, die jetzt vorliegt. Laut Innenminister Ebling kann die Bevölkerung der Polizei vertrauen. Für Muslime und Flüchtlinge gilt das nicht.
Sonntag, 01.12.2024, 15:04 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 01.12.2024, 15:04 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Keine Hinweise auf strukturellen Rassismus, keine grundlegenden rechtsextremistischen Einstellungen, aber „Graubereiche“, auf die geschaut werden soll – so lautet die offizielle Lesart einer Studie über die rheinland-pfälzische Polizei. „Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Bevölkerung zu Recht in ihre Polizei vertrauen kann. Auf die Polizei ist Verlass“, erklärte Innenminister Michael Ebling (SPD) bei der Vorstellung der Studie am Donnerstag in Mainz.
Ein Blick in die Studie zeigt jedoch, dass das nicht für alle Bevölkerungsgruppen gilt. Danach gibt es in der rheinland-pfälzischen Polizei eine sehr deutliche Ablehnung gegenüber antisemitischen Aussagen. Diese seien in der rheinland-pfälzischen Polizei sogar noch stärker als in der Bevölkerung insgesamt. Hinsichtlich muslim- und zuwanderungsfeindlichen Einstellungen „finden sich jedoch auch ausgeprägte Graubereiche“, heißt es in der Studie.
Jeder zwei Polizeibeamte lehnt antimuslimische Aussagen nicht ab
Danach stimmten 17,5 Prozent der befragten Polizeibeamten in Rheinland-Pfalz antimuslimischen Aussagen zu, weitere 26,1 Prozent lehnte sie zumindest nicht ab. Bei Verwaltungsbeamten fielen diese Werte noch höher aus (23 bzw. 30,2 Prozent). Eine klare Ablehnung ist lediglich bei 56,4 Prozent der befragten Polizisten und 46,9 Prozent der Verwaltungsbeamten gegeben. Heißt: Etwa jeder zwei Polizeibeamte in Rheinland-Pfalz stimmt antimuslimischen Aussagen zu oder lehnt sie zumindest nicht ab. „In der Wiederholungsbefragung zeigt sich, dass diese Einstellungen individuell recht stabil sind“, heißt es in der Studie.
Ähnliche Werte zeigen sich bei der Frage, ob der Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland „unterbunden“ werden soll. 56,4 Prozent der befragten Polizisten und 51,1 Prozent der Verwaltungsbeschäftigten lehnen diese Aussage ab. Alle anderen stimmen ihr zu (12,1 bzw. 14,2 Prozent) oder lehnen sie zumindest nicht ab (31,4 bzw. 34,8 Prozent). Bei der Frage, ob Einwanderer „verpflichtet“ werden sollten „sich den deutschen Sitten anzupassen“, fällt die Zustimmung deutlich größer aus. Drei von vier Polizisten stimmt dieser Aussage zu oder lehnen sie nicht ab (35,6 bzw. 40,7 Prozent). Bei den Verwaltungsangestellten sind es sogar vier von fünf, die dieser Aussage zustimmen oder sie nicht ablehnen (45,5 bzw. 36,5 Prozent).
„Ausgeprägte“ Abwehrhaltung gegen Rassismuskritik.
Ein Erklärungsansatz hierfür ist den Wissenschaftlern zufolge, dass ein gutes Viertel der Polizisten Kontakte mit Muslimen und Zugewanderten als negativer wahrnimmt als Kontakte mit anderen Personen. Je mehr solcher Kontakte es gebe, desto negativer werde die Wahrnehmung. Andere Gründe seien persönliche Prägungen wie eine negative Weltsicht, oder das Gefühl, benachteiligt zu sein. Als Folge einer hohen Belastung bei der Arbeit sehen die Forscher solche negativen Einstellungen nicht.
Wie aus der Umfrage weiter hervorgeht, ist die rheinland-pfälzische Polizei zudem weit weg von einer kritischen Selbstreflexion. So stimmen rund 50 Prozent der Polizeibeamten der Aussage zu, es sei „Unsinn, dass bisher normale Wörter jetzt rassistisch sein sollen“. In der Studie heißt es: „Eine große Mehrheit an Personen sowohl unter den Polizei- als auch bei den Verwaltungsbeamten wehrt rassismuskritische Aussagen ab“. Die Studienautoren attestieren den Befragten eine „durchaus ausgeprägte“ Abwehrhaltung gegen Rassismuskritik.
Hintergrund der Studie
Bei der Vorstellung der Studienergebnisse erinnerte Innenminister Ebling an den Fall des 2020 in den USA bei einem brutalen Polizeieinsatz ums Leben gekommenen George Floyd. Anschließend sei auch in Deutschland eine breite Debatte über Polizeigewalt entstanden. Außerdem gab es in anderen Bundesländern Rassismusvorwürfe und rechtsradikale Chatgruppen in Polizeikreisen. Vor dem Hintergrund entschied sich Rheinland-Pfalz wie einige andere Bundesländer auch, eine eigene Studie zur Landespolizei anzugehen. Los ging es dann am 17. Januar 2022 mit der ersten quantitativen Umfrage.
Dabei ging es darum, mehr über das Verhältnis zwischen der Polizei und der Gesellschaft herauszufinden, sowie über Einstellungen in der Polizei. Befragt wurden Polizisten sowie Mitarbeiter der Verwaltung der Polizei unter anderem auch nach Belastungen in ihrem Beruf und nach Werten. Die vom Land mit 622.000 Euro geförderte Studie mit dem Namen „Insider – Innere Sicherheit und Demokratische Resilienz. Bedingungen und Wechselwirkungen polizeilichen Handelns in der pluralen Gesellschaft“ gliederte sich in einen soziologischen, psychologischen und politikwissenschaftlichen Teil, beteiligt waren Wissenschaftler der Uni Trier und der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität.
Blick tief in die Polizei
Für die Studie haben Wissenschaftler unter anderem Gruppengespräche und Einzelinterviews geführt. Polizisten wurden zu ihren eigenen Einstellungen befragt und mit Blick auf mögliches Fehlverhalten wurden die Beamten auch gefragt, ob sie so etwas bei Kolleginnen oder Kollegen beobachtet haben – das Spektrum erstreckte sich von einfachem Fehlverhalten – etwa Unhöflichkeiten – bis hin zu disziplinarwürdigem Fehlverhalten. Zu Letzterem könnte rassistisches Verhalten gehören.
Der Trierer Psychologie-Professor Conny Antoni, der Trierer Soziologe Martin Endreß sowie der Mainzer Politikwissenschaftler Kai Arzheimer sprachen von einer großen Offenheit der Polizisten gegenüber der Studie und verwiesen auf eine vergleichsweise hohe Teilnahmequote von rund 50 Prozent der Angehörigen der rheinland-pfälzischen Polizei – zumindest bei einer ersten Befragungswelle. Endreß sagte, so habe sich die Chance geboten, tief in die Polizei hineinzuschauen.
Kampf gegen rassistische Einstellungen
Aus der Erhebung leiten die Wissenschaftler eine Reihe von Handlungsempfehlungen ab: Wichtig wären den Wissenschaftlern positive dienstliche Kontakte mit Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Auch solle noch gezielter gegen antimuslimische und zuwanderungsfeindliche Einstellungen und Vorurteile vorgegangen werden und noch mehr Kontakt zu gesellschaftlichen Gruppen gesucht werden.
Die Polizei solle außerdem gewappnet werden gegen die Verbreitung von Verschwörungsmythen. Geraten wird auch zu einer noch ausführlicheren Nachbereitung von Einsätzen und zu einer weiteren personellen Aufstockung der rheinland-pfälzischen Polizei. Coaching- und Schulungsangebote müssten ausgebaut werden und auch die Zugangsvoraussetzungen zur Polizei überdacht werden. (dpa/mig) Leitartikel Panorama
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