„Getarntes Todesurteil“
Italien verschärft Gesetz gegen private Seenotretter
Die rechtsnationale italienische Regierung hat Gesetze gegen private Seenotretter verschärft. Es zwingt Seenotretter, Menschen in Seenot nicht zu helfen, sofern sie bereits Geflüchtete an Bord haben. Seenotretter sprechen von einem „getarnten Todesurteil“ – und retten weiter Menschen.
Donnerstag, 05.12.2024, 10:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 05.12.2024, 9:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Italien hat die gesetzlichen Regelungen gegen private Seenotretter verschärft. Der Senat beschloss am Mittwoch, die bisher im sogenannten Piantedosi-Dekret festgelegten Maßnahmen in der Migrationsgesetzgebung zu verankern. Darin enthalten ist unter anderem die Vorgabe, dass die Schiffe nach jeder Rettung unverzüglich den ihnen zugewiesenen Hafen anlaufen müssen, ohne auf dem Weg weitere Geflüchtete in Seenot an Bord zu nehmen.
Bei Zuwiderhandlung drohen die Festsetzung des Schiffs und Geldstrafen. Die rechtsnationalistische Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte mit dem Piantedosi-Dekret bereits Anfang 2023 neue Regeln für die private Seenotrettung im Mittelmeer erlassen.
„Gesetzesänderungen sind ein getarntes Todesurteil“
Die Seenotrettungsorganisationen kritisierten die Verabschiedung des Gesetzes scharf. „Auf See sind zivile Rettungsschiffe die letzte Bastion gegen staatliche Gewalt“, sagte die Sprecherin von Sea-Watch, Giulia Messmer. „Die neuen Gesetzesänderungen sind ein getarntes Todesurteil.“ In einer Erklärung von acht internationalen Organisationen hieß es, Ziel der gesetzlichen Verankerung sei nicht die Verwaltung der Seenotrettung, sondern ihre Behinderung und Kriminalisierung.
Nach der Senatsentscheidung werden Verstöße nun nicht mehr nur auf die Kapitänin oder den Kapitän des Schiffes bezogen, sondern auch auf den oder die Eigentümer. Wenn also die Besatzung eines Schiffes mehrfach innerhalb von fünf Jahren nach einem ersten Einsatz weiteren Menschen in Seenot hilft, statt ohne weitere Rettungen den zugewiesenen Hafen anzusteuern, gilt es nicht nur mit dem gleichen Kapitän als Wiederholung eines Verstoßes und wird härter bestraft. Zudem würden die Fristen für Einspruch gegen die Strafen verkürzt, kritisieren die Organisationen.
SOS Humanity rettet über 80 Flüchtlinge
Zuletzt hat die Hilfsorganisation SOS Humanity 83 Menschen im Mittelmeer gerettet. Mehr als ein Dutzend der Menschen sei in kritischem Zustand aufgefunden worden und brauche medizinische Behandlung in einem Krankenhaus an Land, teilte die Organisation am Mittwoch mit. Sie seien bei der Rettung am Dienstag stark bis dramatisch unterkühlt gewesen, manche seien bewusstlos gewesen oder hätten Meerwasser in den Atemwegen gehabt. Ihr Holzboot habe bereits Schlagseite gehabt, als die Crew der „Humanity 1“ die Menschen in Seenot erreichte.
🔴Breaking: Heute rettete unsere Crew über 80 Menschen – darunter unbegleitete Minderjährige – aus Seenot. Als die Humanity 1 das seeuntaugliche, überbesetzte Holzboot erreichte, hatte es schon Schlagseite. Das Wetter und hohe Wellen machten die Rettung herausfordernd. 1/2 pic.twitter.com/OfEMKK63Y4
— SOS Humanity (@soshumanity_de) December 3, 2024
Das Mittelmeer zählt zu den gefährlichsten Fluchtrouten weltweit. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen seit Beginn des Jahres mehr als 2.000 Menschen bei der Überfahrt ums Leben oder sie werden vermisst. Die Dunkelziffer wird weit höher angenommen. Lediglich die Schiffe privater Hilfsorganisationen halten nach in Seenot geratenen Flüchtlingsbooten Ausschau.
Liste „sicherer“ Herkunftsstaaten jetzt Gesetz
Zu den Neuerungen im italienischen Gesetz gehört auch die dadurch in Gesetzesform gegossene Liste von sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Auf dieser stehen unter anderem Bangladesch, Ägypten und Marokko. Die italienische Regierung hatte die Liste in ein Gesetz umgewandelt, nachdem ein Gericht in Rom die Unterbringung von Migranten aus Ägypten und Bangladesch in von Italien betriebenen Asylzentren in Albanien untersagt hatte.
In dem aktualisierten Gesetz ist auch festgelegt, dass künftig das Oberlandesgericht und nicht mehr die Fachgerichte für die Bestätigung der Inhaftierung von Asylbewerbern zuständig sind. (epd/mig) Aktuell Ausland
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