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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) © de.depositphotos.com

„Pragmatische Wege“

Faeser befürwortet Erkundungsreisen syrischer Flüchtlinge

Steht das Haus noch? Ist die Versorgung in meinem Heimatort gesichert? Damit Geflüchtete aus Syrien das selbst herausfinden können, überlegt die Bundesregierung, ihnen ein Angebot zu machen. Aus Bayern kommt Kritik.

Dienstag, 14.01.2025, 11:58 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 14.01.2025, 17:44 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hält es für sinnvoll, syrischen Flüchtlingen eine einmalige Reise in ihr Herkunftsland zu gestatten ohne Auswirkungen auf ihren Schutzstatus in Deutschland. „Es ermöglicht erst freiwillige Rückkehr nach Syrien, wenn sich Menschen auch ein Bild machen können, ob Häuser noch stehen, ob Familienangehörige zum Teil noch leben, zu denen vielleicht lange kein Kontakt mehr bestand und ob sie in ihrer Heimat wirklich sicher sind“, sagte Ministeriumssprecher Maximilian Kall in Berlin. Faeser sehe dies ähnlich wie Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Das Innenministerium prüfe daher gemeinsam mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) „pragmatische Wege“, damit Menschen, die einmal schauen wollten, wie die Bedingungen vor Ort sind, nach Deutschland zurückkommen könnten und durch die Reise nicht den Schutzstatus abgesprochen bekämen, sagte der Sprecher. Auf Nachfrage erklärte er, bei den Überlegungen für eine Sonderregelung gehe es um eine einmalige Reise nach Syrien.

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Baerbock für Ausnahmen für Syrer

Baerbock hatte gesagt, nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad müsse Flüchtlingen Gelegenheit gegeben werden, vor Ort zu erkunden, ob sich für sie eine dauerhafte Rückkehrmöglichkeit eröffne. Dafür sollte es eine Ausnahmegenehmigung geben. Nach Auffassung des Bundesinnenministeriums ist dafür keine Gesetzesänderung notwendig.

Wenn Schutzberechtigte in ihre Herkunftsländer reisen, gilt die gesetzliche Vermutung, dass die Voraussetzungen für den Schutz nicht mehr vorliegen. Ausnahmen gibt es nur, wenn die Reise „sittlich zwingend geboten ist“ – etwa bei schweren Krankheiten oder Todesfällen von Familienangehörigen. Ansonsten droht der Verlust des Schutzstatus. Außerdem muss die Reise der Ausländerbehörde vorab angezeigt werden.

Zahl der Syrer in Deutschland nahm zuletzt leicht zu

In den zurückliegenden zwei Monaten hatte sich die Zahl der Syrer, die in Deutschland leben, noch einmal leicht erhöht – obwohl ein Teil von ihnen inzwischen die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllt, und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch macht.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums hielten sich Ende Oktober laut Ausländerzentralregister 974.136 syrische Staatsgehörige in Deutschland auf. Mit Stichtag 31. Dezember lebten hierzulande 975.061 Syrer, wie ein Sprecher mitteilte. Darunter waren den Angaben zufolge 10.231 Ausreisepflichtige, von denen 9.156 geduldet waren. Geduldete sind Menschen, die ausreisepflichtig sind, aber aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können – etwa weil sie keine Ausweisdokumente haben oder krank sind. Die Duldung ist immer befristet.

Herrmann und Thomae gegen Faeser-Vorstoß

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bezeichnete Faesers Vorschlag als „abenteuerlich“: „Die Entscheidung, ob die veränderten Verhältnisse in Syrien zu einem Widerruf des Schutzstatus führen, muss bei den deutschen Behörden verbleiben. Bundesinnen- und Bundesaußenministerin vermitteln aber den Eindruck, als könnten dann Syrerinnen und Syrer selbst entscheiden, ob es ihnen daheim noch gefällt oder nicht. Da wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in München.

Auch der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae (FDP) lehnte Faesers Vorstoß ab: „Entscheidend für den Schutzstatus ist nicht, ob das Haus noch steht, sondern ob Leib, Leben, Freiheit oder Gesundheit im Herkunftsland gefährdet sind.“ Sollte dies nicht mehr der Fall sein, entfalle der vorübergehende Schutz, und eine Rückkehr nach Syrien werde verpflichtend. Diese Entscheidung liegt bei den zuständigen Behörden und nicht bei den Flüchtlingen selbst. Für die endgültige Rückkehr in die Heimat gebe es etablierte Rückkehrprogramme.

UN: Mehr als 125.000 Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt

Wie das Hilfswerk UNHCR vergangene Woche mitteilte, sind einen Monat nach dem Sturz des Assad-Regimes mehr als 125.000 geflüchtete Syrer in ihr Heimatland zurückgekehrt. Nach Jahren des Exils stießen die Ankömmlinge in Syrien jedoch auf sehr schwierige Lebensumstände, warnte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen in Genf. Viele Familien hätten keine Unterkunft und nur schwache wirtschaftliche Perspektiven. Außerhalb Syriens lebten weiterhin mehrere Millionen Menschen, die vor der Gewalt in ihrem Heimatland geflüchtet seien.

Zusätzlich kehrten nach Angaben des UN-Hilfskoordinationsbüros Ocha bis Ende vergangenen Jahres fast 500.000 durch den Krieg entwurzelte Binnenvertriebene in den Nordwesten Syriens zurück. Vor dem Sturz des Assad-Regimes seien schätzungsweise 7,4 Millionen Binnenflüchtlinge in Syrien umhergeirrt. (dpa/epd/mig) Aktuell Politik

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