Fachkräftemangel in Rheinland-Pfalz
„Welcome“ im Bürokratie-Dschungel
Ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland geht kaum mehr was. Doch bis eine Person aus einem Nicht-EU-Land hier arbeiten darf, ist reichlich Bürokratie zu überwinden – dabei will Rheinland-Pfalz nun mehr helfen.
Von Christian Schultz und Nina Gross Mittwoch, 22.01.2025, 12:08 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.01.2025, 12:18 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Handwerksbetrieben in Rheinland-Pfalz soll bei der Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland stärker unter die Arme gegriffen werden. Welcome Center an vier Orten sollen Firmen durch den Bürokratie-Dschungel lotsen. Aufbauen können sie auf Erfahrungen, die die Industrie- und Handelskammern schon seit 2015 mit solchen Centern gemacht haben.
Es fehlt schlicht an Fachkräften. Nach Angaben von Axel Bettendorf, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern im Land, haben 60 Prozent der Betriebe Schwierigkeiten, Beschäftigte mit abgeschlossener Ausbildung zu finden. Das hierzulande noch verfügbare Potenzial sei begrenzt. Auch in osteuropäischen Ländern mangele es inzwischen an Fachkräften, insofern müssten Drittstaaten, also Nicht-EU-Länder, in den Fokus genommen werden. Dass sie nach Deutschland kommen können, wurde mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz erleichtert, ein Selbstläufer ist es aber nach wie vor nicht. Der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammern (IHK), Arne Rössel, drückt es so aus: „Es ist einfacher geworden, nach Deutschland einzuwandern, aber es nicht einfach.“
Es muss geschaut werden, ob eine Ausbildung den hier geltenden Kriterien entspricht. Bei der Arbeitsagentur muss ein Arbeitsmarktzulassungsverfahren durchlaufen werden. Es braucht also einiges an Wissen. Das könnten sich kleine Betriebe nur schwer aneignen, sagt Stefan Gustav. Er ist bei der Koblenzer Handwerkskammer für die Begleitung und Integration ausländischer Fachkräfte zuständig. Beratung sei unabdingbar. Zumal kleine Einheiten das Handwerk dominieren, wie Bettendorf erklärt. 80 Prozent der Betriebe hätten weniger als zehn Mitarbeiter, es fehle vielerorts an einer eigenen Personalabteilung.
Ist die Idee der Welcome Center neu?
Nein, bei den IHKs gibt es sie schon seit 2015, und zwar an den vier Kammerstandorten Mainz, Koblenz, Trier und Ludwigshafen. Nun kommen vier solche Center an den HwK-Standorten Mainz, Koblenz, Trier und Kaiserslautern hinzu. Alle acht Center sollen sich eng miteinander vernetzen. Es ist allerdings nicht so, dass bislang an den Handwerkskammern nichts geschehen ist. Sie boten bereits Beratungen an, nun soll das Angebot gebündelt werden, wie Bettendorf betont – um noch besser eine Lotsenfunktion erfüllen zu können.
Um was geht es bei Beratungen?
Hilfe angeboten wird in rechtlichen Fragen, es werden Kontakte geknüpft zur Arbeitsagentur oder zu Ausländerbehörden. Das kostenlose Angebot der Welcome Center richtet sich an Unternehmen und an Arbeitskräfte aus dem Ausland. Wichtig sei, dass sich Interessierte gleich zu Beginn meldeten, berichtet Susanne Ditzer vom Welcome Center der IHK Koblenz. Manchmal machten sich Unternehmen zunächst ohne Hilfe auf den Weg und wählten nicht unbedingt den besten. Es gebe alleine Dutzende an Visa-Arten, neue Möglichkeiten käme hinzu. Saisonkräfte könnten etwa über eine kurzzeitige, kontingentierte Beschäftigung ins Land kommen. Das kann zum Beispiel für Weingüter oder landwirtschaftliche Betriebe interessant sein.
Gustav von der Kammer Koblenz bekommt das ein oder andere Mal von Seiten eines Betriebs Sätze „Papiere interessieren mich nicht, er kann gut pflastern“ zu hören. Doch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sei für die Einwanderung von Fachkräften gedacht und nicht zum Beschaffen billiger Arbeitskräfte. Das sei nicht immer allen klar. Da hierzulande der Anteil der Ungelernten an Langzeitarbeitslosen vergleichsweise hoch sei, sei es letztlich auch politisch so gewollt, keine Menschen ohne Ausbildung dauerhaft ins Land zu lassen.
Wie erfolgreich ist das Konzept?
Laut Rössel zählten die Center der IHKs 2024 gut 1.100 Beratungsfälle. Das seien zwar 37 Prozent mehr gewesen als 2023, angesichts der Größe des Themas könnten es noch mehr sein. Wie oft dann am Ende eine Anstellung erfolge, ist nicht bekannt, da der Prozess nicht bis zum Ende begleitet wird.
Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) verweist eine Umfrage, wonach sechs Prozent der Unternehmen bereits Personal im Ausland rekrutieren und 34 Prozent dies gerne tun würden – Potenzial für die Center ist also vorhanden.
Eine Betreuung durch ein Welcome Center könne zwischen vier Wochen und einem Jahr dauern, sagt Rössel. „Jeder Fall ist anders.“ Selbst wenn es zum Abschluss eines Arbeitsvertrages komme, sei nicht alles erledigt. Auch abseits der Arbeit brauche es Unterstützung. Gerade in den ersten Wochen helfe eine Integration in der Region, sagt auch Ministerin Schmitt. Das könne der Gang zum örtlichen Fußballverein sein und vieles mehr.
Im Kampf um gute Köpfe reiche es nicht mehr, sich nur auf den Arbeitsplatz zu fokussieren, befindet auch die Landesvereinigung Unternehmerverbände (LVU). Vielmehr gehe es um das Gesamtpaket, insbesondere wenn Fachkräfte mit ihren Familien einwandern. Da müssten die gesamten Rahmenbedingungen passen, vom Wohnungsangebot über Kitas und Schulen bis hin zu den Kultur- und Freizeitmöglichkeiten. Für Rössel kommt erschwerend hinzu, dass Rheinland-Pfalz als Ziel nicht so bekannt sei wie Berlin oder Bayern. Es müsse weiter am Image gearbeitet werden. „Das bleibt eine Herausforderung.“ (dpa/mig) Aktuell Panorama
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