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Krankenpflege (Symbolfoto) © elbaartoo @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Zwischen Pflege und Papierkram

John Donasco kam durch ein Fachkräfte-Recruiting nach Deutschland

Um dem Fachkräfte-Mangel in der Pflege entgegenzuwirken, rekrutiert die Diakonie Menschen aus dem Ausland. Einer von ihnen ist der Philippiner John Donasco. Er findet, das Leben in Deutschland hat Vor- und Nachteile.

Von Dienstag, 11.02.2025, 11:04 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 11.02.2025, 12:57 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

In dem kleinen Dienstzimmer des Pflegeheims sitzt John Donasco am Schreibtisch, tippt mit flinken Fingern auf die Tastatur. Vor ihm stehen Computer, Telefon, Maus und jede Menge Aktenordner. „Papier, so viel Papier“, sagt der 36-Jährige lachend und mit einem leichten Kopfschütteln. Schreibkram, die sogenannte Dokumentation, gehört für ihn zur täglichen Arbeit. Der Philippiner ist Wohnbereichsleiter im Stephansstift der Diakonie in Hannover. Ob die Schreibarbeit Spaß macht? „Es macht nicht unbedingt Spaß, aber es bringt Ruhe. Ich finde es schön, alles in Ordnung zu bringen.“

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Donasco ist eine von rund 346.000 ausländischen Pflegekräften in Deutschland. 2020 ist er durch ein Fachkräfte-Recruiting nach Deutschland gekommen. Nach rund einem Jahr hat er seine Anerkennungsprüfung als Pflegefachkraft bestanden.

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Menschen wie er werden dringend gebraucht. In Deutschland fehlen bis 2049 voraussichtlich zwischen 280.000 und 690.000 Fachkräfte in der Pflege. 2055 werden Schätzungen zufolge 6,8 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig sein.

Dass viele alte Menschen in Deutschland ins Pflegeheim kommen, findet Donasco traurig, wie er sagt. „Unsere Kultur ist ganz anders. Unsere älteren Menschen bleiben zu Hause, wir kümmern uns selbst um Oma und Opa.“ Deshalb gefalle ihm an seiner Arbeit, sich um alte Menschen kümmern zu können. „Sie fühlen: Es ist jemand da.“ Seinen Arm ziert ein Tattoo in griechischer Schrift. „Gott ist Liebe“ steht da, erzählt der Katholik aus Iloilo, das eine Flugstunde von Manila entfernt liegt.

„Wow, das ist ein gutes Angebot.“

„Viele Menschen aus den Philippinen sind durch ihre Kultur intrinsisch motiviert, in die Altenpflege zu gehen“, erklärt Vanessa Geruschkat. Sie ist Referentin für Personalmarketing und Recruiting der Dachstiftung Diakonie. 25 Pflegefachkräfte aus dem Inselstaat hat sie nach Niedersachsen geholt und deren Integration begleitet.

Donasco studierte in seinem Heimatland vier Jahre lang an einer Universität Krankenpflege – samt Bachelor-Abschluss. Danach arbeitete er viele Jahre im Krankenhaus. In den Nachrichten erfuhr er, dass Deutschland Fachkräfte suche, man ein gutes Gehalt bekomme und seine Familie mitbringen könne. „Ich habe gedacht: Wow, das ist ein gutes Angebot.“ Er begann, Deutsch zu lernen und bestand nach rund sechs Monaten die erforderliche B2-Prüfung.

Die Sprachschule auf den Philippinen kooperiert mit einer Agentur, die Pflegekräfte nach Deutschland vermittelt. Ein Jahr habe er trotzdem noch warten müssen, erzählt Donasco. Zusammen mit drei anderen Philippinern sei er dann zunächst nach Leipzig gekommen. Beim ersten Arbeitgeber habe es Schwierigkeiten mit der Bezahlung und der Wohnsituation gegeben. Erst im Stephansstift hätten sie das Gefühl bekommen: „Hier sind wir wirklich angekommen.“ Vanessa Geruschkat habe mit den Unterlagen geholfen, sei bei allen Terminen dabei gewesen.

„Das Leben hier hat viele Vorteile“

Seine Frau und der mittlerweile fünf Jahre alte Sohn kamen im Juni 2023 zu ihm. Die Tochter ist im Februar 2024 geboren und damit gebürtige Hannoveranerin. „Das Leben hier hat viele Vorteile“, sagt Donasco, „insbesondere, wenn du eine Familie hast“. So schätzt er unter anderem die Krankenversicherung, die es auf den Philippinen nicht gebe. „Das gibt Sicherheit.“

Nun klopft Donasco bei Bewohner Hermann Globisch an die Tür. „Hallo! Gleich gibt es Mittagessen.“ Geduldig hilft er dem 90-Jährigen in den Rollstuhl, schenkt ihm ein Glas Wasser ein. „Brauchen Sie noch etwas?“ Donasco ist zugewandt, schaut dem demenziell Erkrankten in die Augen, legt ihm eine Hand auf die Schulter, nimmt sich Zeit, um auf eine Antwort zu warten. „John geht besonders liebevoll mit den Bewohnern um. Dass er hier ist, ist ein Geschenk“, sagt Einrichtungsleiterin Carmen Schulte-Berthold.

In Niedersachsen soll nach Angaben des Innenministeriums spätestens ab Juli eine zentrale Behörde für das beschleunigte Fachkräfteverfahren ihren Betrieb aufnehmen. Das sei eine Chance, schnell zu einer Entscheidung im Fachkräfteverfahren zu kommen, was dringend nötig sei, sagt der niedersächsische Diakonie-Chef Hans-Joachim Lenke. Er fordert auch mehr Beratungsangebote zur Anerkennung von Abschlüssen und Kompetenzen.

„Entschuldigung, gibt es nichts anderes?“

Im Dienstzimmer füllt Donasco Tabletten und Tropfen in bunte Pöttchen: gelb, rot, grün. Flink läuft er über die Flure, verteilt die Medikamente. Als Wohnbereichsleiter kommuniziert er mit Ärzten und Angehörigen. Wegen der großen Verantwortung hatte er erst abgelehnt. „Und wegen meiner Sprache, ich dachte, ich schaffe es nicht, mit den Angehörigen zu sprechen.“ Doch mittlerweile hat er die Leitungsfunktion seit zwei Jahren mit Erfolg inne.

An Deutschland mag Donasco das kalte Wetter, Winter, Schnee. „In meiner Heimat musst du dreimal am Tag duschen, weil du die ganze Zeit nur schwitzt.“ Nur das Essen in Deutschland findet er komisch: kaltes Abendbrot und an jeder Ecke eine Döner-Bude. „Entschuldigung, gibt es nichts anderes?“ Donasco lacht.

Heute macht er seinen Lieblingsdienst, die Frühschicht. Start: 6 Uhr 15. „Dann habe ich mehr Zeit mit meiner Familie.“ Bis zum Schichtende muss er noch die ärztliche Visite für den Nachmittag vorbereiten. Um 14 Uhr 30 hat er Feierabend. Dann holt er seinen Sohn von der Kita ab. (epd/mig) Aktuell Panorama

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