Demo, Demonstration, AfD, AfD-Verbot, Plakate, Menschen, Rassismus, Rechtsextremismus
Anti-AfD-Demo in Erfurt (Archiv) © John MacDougall/AFP

Wahlanalyse

Staatsrechtler: Kaum noch Chancen für AfD-Verbotsverfahren

Soll gegen die AfD ein Verbotsverfahren eingeleitet werden oder nicht? Diese Frage könnte bald obsolet werden. Schuld sind die anderen Parteien. Die AfD fordert schon mal die Einstellung der Beobachtung durch den Verfassungsschutz.

Montag, 24.02.2025, 15:58 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.02.2025, 15:58 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Der Staats- und Kirchenrechtler Christoph Goos sieht angesichts des Erfolgs der AfD bei der Bundestagswahl am Sonntag kaum noch Chancen für die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die Partei. Politisch werde es umso schwieriger, ein solches Verfahren zu initiieren, je mehr die AfD sich etabliere, sagte der Leiter der Rechtsabteilung der Landeskirche Braunschweig am Montag dem „Evangelischen Pressedienst“. „Ich befürchte, dass keiner der Antragsberechtigten einen entsprechenden Vorstoß wagen wird.“

Rechtlich halte er ein Verbotsverfahren jedoch nach wie vor für geboten, betonte Goos. Das Wahlergebnis ändere nichts daran, dass die AfD das Potenzial habe, die freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung des Grundgesetzes zu zerstören. „Deshalb wäre es gut, wenn das Bundesverfassungsgericht Ziele und Verhalten der Partei und ihrer Anhänger eingehend prüfen könnte“, sagte der Jurist, der im Frühjahr als juristischer Vizepräsident in das hannoversche Landeskirchenamt wechselt.

___STEADY_PAYWALL___

Goos gehört zu den namhaften 17 Verfassungsrechtlerinnen und -rechtlern, die die fraktionsübergreifende Initiative von 113 Bundestagsabgeordneten für ein Verbotsverfahren gegen die AfD unterstützen. Er hat auch eine Professur für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Verfassungsrecht an der Hochschule Harz in Halberstadt inne.

Ein Parteiverbotsverfahren kann von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung initiiert werden. Damit ein Verfahren vonseiten des Parlaments eingeleitet wird, muss die Initiative die Mehrheit der Mitglieder des Bundestags überzeugen. Die schlussendliche Prüfung, ob eine Partei verfassungswidrig ist, liegt allein beim Bundesverfassungsgericht.

AfD fordert Ende der Verfassungsschutz-Beobachtung

Ob eine Verfassungsprüfung jemals in die Wege geleitet wird, wird sich zeigen. Derweil bläst die AfD nach dem hohen Stimmenzuwachs bei der Bundestagswahl zum Gegenwind. Der Brandenburger Landesverband hat schon mal ein Ende der Beobachtung durch den Verfassungsschutz gefordert. „Eine staatliche Institution, die sich anmaßt, eine Partei zu beobachten, die mehr als ein Drittel der Wähler repräsentiert, das passt eher in totalitäre Systeme denn in demokratische Systeme“, sagte der AfD-Landesvorsitzende René Springer in Potsdam nach der Bundestagswahl.

Die AfD wird vom Verfassungsschutz in Brandenburg als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Sie hat die Bundestagswahl in Brandenburg klar gewonnen – nach dem vorläufigen Ergebnis holte sie 32,5 Prozent der Zweitstimmen, während die SPD auf 14,81 Prozent einbrach. Springer sagte, die AfD habe sich als Volkspartei etabliert. Springer weiter: „Wir fordern eine sofortige Einstellung des staatlich vorangetriebenen Kampfes gegen rechts (…).“

Forscher: Zum AfD-Erfolg haben andere Parteien beigetragen

Zur Stärkung der AfD in der Bundestagswahl hat nach Einschätzung des Extremismusforschers Andreas Zick auch der Wahlkampf der anderen Parteien beigetragen. „Dass sich alle älteren Parteien im Wahlkampf auf das Thema Migration und Asyl und vor allem auf das Versprechen harter und schneller Lösungen gesetzt haben, hat der AfD geholfen“, sagte Zick am Montag in Bielefeld dem „Evangelischen Pressedienst“. Es müsse nun allen anderen Parteien klar sein, dass die Versprechen von schnellen Lösungen und harter Politik „Wasser auf die Mühlen des Populismus ist“.

Der Rechtspopulismus lebe von massiven Bedrohungs- und Verunsicherungskampagnen und damit verbundenen Heilsbotschaften, erklärte der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. „Die AfD ist auch Krisen- und Konfliktgewinnerin“. Für die Partei habe daher die Politik von Angst, Furcht und Bedrohungen gut funktioniert. Die Partei habe zuvor die Verunsicherungen in der Coronapandemie erfolgreich skandalisiert.

Der Stimmenzuwachs der AfD wird sich laut Zick auch auf das gesellschaftliche Klima auswirken. Die AfD bietet „radikalen und wütenden Menschen einen Ort und gibt dem eine Stimme“, erklärte der Forscher. „Das werden wir spüren.“ Nicht alle Anhänger der Partei seien rechtsextrem, nicht alle würden menschenfeindliche Einstellungen und Hass teilen. Die antidemokratischen Einstellungen unter den Anhängern seien jedoch größer und extreme Meinungen würden toleriert.

Bei Migration geht es nicht um Extremismus

Wenn nach Anschlägen über Migration öffentlich kontrovers diskutiert werde, sei das verständlich, sagte Zick. Bei der Migration gehe es jedoch nicht im Kern um Kriminalität und Extremismus, sondern um die Frage der Steuerung von Zu- und Auswanderung.

Angesichts der Instabilität der Demokratie brauche es „dringend eine Stärkung der Wehrhaftigkeit von Demokratie“, mahnte der Wissenschaftler. Dazu gehörten eine Stärkung der Extremismusprävention und „vor allem endlich ein Erstnehmen von politischer Gewalt“. Die neue Bundesregierung müsse „den Ausgleich in der Mitte suchen“, erklärte Zick. Von Beginn an sollte sie neben allen wirtschaftlichen und außenpolitischen Themen „ein Zeichen der Stärkung der Demokratie setzen“.

Die AfD hatte am Sonntag nach dem vorläufigen Endergebnis 20,8 Prozent der Zweitstimmen erreicht und stellt mit 152 Sitzen nach der Union die zweitstärkste Fraktion. Damit hat sie das Ergebnis der vorherigen Wahl verdoppelt. In den neuen Bundesländern ist die AfD fast durchgängig stärkste Kraft. (epd/dpa/mig) Leitartikel Politik

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)