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Mündliche Verhandlung
Europäischer Gerichtshof prüft Melonis „Albanien-Modell“
Das Prestigeprojekt von Italiens rechter Ministerpräsidentin für Asylbewerber-Lager im Nicht-EU-Land Albanien steht auf der Kippe. Wer darf entscheiden, welche Herkunftsländer als sicher gelten? Urteil folgt. Derweil arbeitet Meloni an einem neuen Konzept für die Lager.
Dienstag, 25.02.2025, 12:38 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 25.02.2025, 16:37 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Am Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist das Verfahren über das umstrittene „Albanien-Modell“ von Italiens rechter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in die Schlussphase gegangen. In dem Streit über die schnelle Abschiebung von Mittelmeer-Flüchtlingen hörte die Große Kammer jetzt in einer mündlichen Verhandlung die beteiligten Parteien an. Im nächsten Schritt will Generalanwalt Jean Richard de la Tour am 10. April ein unverbindliches Rechtsgutachten zu dem Fall vorlegen. Ein Urteil wird dann im Mai oder Juni erwartet. Einen festen Termin dafür gibt es noch nicht.
In dem Verfahren muss der EuGH klären, ob – und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen – über Asylanträge in Lagern außerhalb der EU entschieden werden darf. Die Entscheidung wird vor allem in Italien, aber auch von vielen anderen EU-Regierungen mit Spannung erwartet. Meloni ist die erste europäische Regierungschefin, die in einem Nicht-EU-Land für viele Millionen Euro Lager finanziert hat. Die beiden Einrichtungen in Albanien stehen seit der Eröffnung im Oktober allerdings praktisch immer leer, weil italienische Gerichte die Pläne gestoppt haben. Abgeschoben wurde von dort bislang niemand.
Bisher kein einziger Geflüchteter so abgeschoben
Meloni führt seit Herbst 2022 eine Koalition aus drei Rechtsparteien, die den Kampf gegen sog. „irreguläre“ Migration zu einem ihrer wichtigsten Ziele erklärt hat. Dabei geht es insbesondere um die Flucht Hunderttausender Menschen übers Mittelmeer, oft auf kaum seetüchtigen Booten. Der Plan lautet eigentlich, Geflüchtete noch vor der Ankunft in Europa auf hoher See zu stoppen und nach Albanien zu bringen. Dort sollen dann italienische Beamte im Schnellverfahren entscheiden. Ziel ist eine schnelle Abschiebung.
Das italienische Modell funktionierte bislang jedoch kein einziges Mal: Die Justiz in Rom stoppte die Pläne seit Oktober schon in drei Verfahren. Alle 66 Männer, die bislang in Albanien festgesetzt wurden, mussten nach Italien gebracht werden. Meloni und ihre rechte Koalition werfen der nationalen Justiz vor, das Vorhaben aus politischen Gründen zu blockieren. Die Richter wiesen dies mehrfach zurück.
Meloni lässt „Albanien-Modell“ überarbeiten
Als Notlösung hieß es zuletzt, die Regierung von Meloni werde ihr „Albanien-Modell“ überarbeiten. Innenminister Matteo Piantedosi bestätigte, dass in Albanien künftig nur noch Menschen untergebracht werden könnten, deren Asylanträge auf italienischem Boden bereits abgelehnt wurden. Die Kosten für Bau und Betrieb der Lager werden auf mehr als 650 Millionen Euro beziffert. Im Prinzip ist dort Platz für mehr als 1.200 Menschen.
Die Lager sind nur für erwachsene Männer gedacht, die aus sogenannten sicheren Drittstaaten stammen – für Frauen und Minderjährige nicht. Jetzt soll geklärt werden, ob eine Regierung selbst eine Liste sicherer Drittstaaten aufstellen darf oder lediglich Kriterien dafür festlegen kann.
Deutschland interessiert am Italien-Modell
Konkret geht es vor dem EuGH um zwei Männer aus Bangladesch, deren Asylanträge im Schnellverfahren abgelehnt wurden. Aus Sicht der Regierung in Rom ist Bangladesch ein sicherer Drittstaat. Das zuständige italienische Gericht zweifelt jedoch an der Rechtmäßigkeit des entsprechenden Erlasses.
Die Pläne Italiens werden in vielen europäischen Ländern mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das italienische Modell als „interessant“ bezeichnet. Auch aus den Reihen der Union und FDP wurden Forderungen nach ähnlichen Modellen für Deutschland laut. (dpa/mig) Ausland Leitartikel
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