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Gedenktafel für Süleyman Taşköprü, der von NSU-Nazis ermordet wurde. © Jens Schlüter/AFP

Rechtsterror

Hamburger NSU-Mord soll wissenschaftlich aufgearbeitet werden

2001 wird in Hamburg ein türkischstämmiger Kleinunternehmer ermordet. Jahre vergehen, bevor klar wird, dass er Opfer der rechten Terrorgruppe NSU wurde. Einen Untersuchungsausschuss gibt es nicht. Nun soll der Fall wissenschaftlich aufgearbeitet werden.

Dienstag, 25.02.2025, 13:06 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 25.02.2025, 13:06 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Fast 24 Jahre nach den tödlichen Schüssen auf den Hamburger Gemüsehändler Süleyman Taşköprü hat ein Forscherteam in der Hansestadt mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung des NSU-Mordes begonnen. Die Geschehnisse und Ermittlungen rund um den Mord sollen durchleuchtet und ein unabhängiges, umfassendes Gutachten erstellt werden, sagte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit. Es solle dazu beitragen, „dass sich rechte Gewalttaten und der NSU-Terror in Hamburg nicht wiederholen“.

Taşköprü war am 27. Juni 2001 im Lebensmittelgeschäft seines Vaters in Hamburg-Bahrenfeld von den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen worden. Er hinterließ seine Frau und eine kleine Tochter.

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Ermittlungen zunächst im Umfeld der Opfer

Der 31-Jährige war eines von zehn Mordopfern des rechten Terrornetzes „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) um das Trio Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe. In den Jahren zwischen 2000 und 2007 ermordeten sie deutschlandweit acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin.

Die Sicherheitsbehörden hatten den Zusammenhang der Taten lange nicht erkannt und zunächst im Umfeld der Opfer ermittelt – auch in Hamburg.

Forscherteam erhält umfangreiche Akteneinsicht

Das Forscherteam um Geschichtsprofessor Constantin Goschler von der Ruhr-Uni Bochum erhalte vollumfängliche Akteneinsicht, „ganz wie ein Untersuchungsausschuss“, sagte Veit. Dabei gehe es um Hunderte Aktenordner mit Hunderttausenden Blatt Papier bei Polizei und Verfassungsschutz.

Hamburg ist das einzige Bundesland, in dem der NSU gemordet hat und in dem die Tat nicht von einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet wurde. 2023 hatte die Bürgerschaft die wissenschaftliche Aufarbeitung des Hamburger Falls beschlossen. Im vergangenen November war das Team um Goschler damit beauftragt worden. In dem Team vereinen sich zeitgeschichtliche, strafrechtliche, verwaltungswissenschaftliche und polizeisoziologische Expertise.

Forschungsteamleiter: Wir sind keine Super-Cops

„Wir sind keine schneidige Untersuchungsausschussvorsitzende, Super-Cops oder hellseherische Profiler, die nun bislang unentdeckte Tatspuren und Hintermänner oder -frauen aufdecken können“, sagte Goschler. Untersuchungsgegenstand seien die polizeilichen Ermittlungen und die strafrechtliche Aufarbeitung des NSU-Mordes. „Diese sind ebenso im stadtgeschichtlichen Zusammenhang wie im Kontext der bundesweiten Auseinandersetzung mit den NSU-Morden zu interpretieren.“

Ein Vorteil des Teams sei, dass man an die Arbeit der politischen Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Länderebene sowie die Erkenntnisse aus dem NSU-Strafverfahren anknüpfen könne, sagte Charlotte Schmitt-Leonardy, Expertin für Strafverfahrensrecht und interdisziplinäre Rechtsforschung.

„Warum versteiften sich die polizeilichen Ermittlungen aller Mordkommissionen in fünf Bundesländern auf eine Hypothese, die sich als haltlos erwies?“ – dies sei eine der Schlüsselfragen, sagte der Verwaltungswissenschaftler Wolfgang Seibel. „Gemeinsam werden wir die organisatorischen, aber auch sozialen und kulturellen Dynamiken innerhalb von Polizei, Staatsschutz und Justiz bei den NSU-Ermittlungen in den Blick nehmen.“

Gutachten sollen in drei Jahren vorliegen

Ihr Gutachten wollen die Forscher in drei Jahren vorlegen. „Die breite Unterstützung durch die Hamburger Bürgerschaft sowie den beteiligten Behörden und die besondere Interdisziplinarität des Projektteams sind hervorragende Voraussetzung für eine gelungene wissenschaftliche Aufarbeitung des NSU-Mordes in Hamburg“, sagte die Expertin für Polizeisoziologie, Daniela Hunold. (dpa/mig) Aktuell Panorama

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